Rz. 32

Hat der Anwalt seine Kanzlei zwar im Gerichtsbezirk, nicht aber an dem Ort, in dem sich das Gericht befindet (§ 27 Abs. 2 BRAO), kommt eine einschränkende Beiordnung nicht in Betracht. Nach § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 121 Abs. 3 ZPO bzw. § 78 Abs. 3 ZPO kann lediglich die Beiordnung eines nicht im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts abgelehnt werden, wenn ansonsten Mehrkosten auf die Landeskasse zukämen. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass ein im Gerichtsbezirk niedergelassener Anwalt immer beizuordnen ist, selbst wenn dadurch gegenüber einem am Gerichtsort ansässigen Anwalt Mehrkosten in Form von Reisekosten entstehen.[35]

 

Rz. 33

Ein im Gerichtsbezirk niedergelassener oder wohnhafter Anwalt muss daher uneingeschränkt beigeordnet werden. Unschädlich ist die Beiordnung "zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts", weil das nur den Gesetzeswortlaut wiederholt.

 

Rz. 34

Unzulässig ist dagegen die Einschränkung "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts".[36]

 

Rz. 35

Ist der Anwalt uneingeschränkt oder zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts beigeordnet worden, so sind die gesamten Reisekosten zu übernehmen, sofern sie notwendig waren, was bei der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung immer der Fall sein dürfte.

 

Rz. 36

Wird gesetzeswidrig – was häufig vorkommt – eine Einschränkung vorgenommen, etwa "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts", muss dagegen sofortige Beschwerde nach § 127 Abs. 2 ZPO (i.V.m. § 76 Abs. 1 oder § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG) eingelegt werden, da anderenfalls die unzutreffende Beiordnung nach Ablauf eines Monats rechtskräftig wird (§ 127 Abs. 2 S. 3 ZPO i.V.m. § 76 Abs. 1 oder § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG) und für das spätere Festsetzungsverfahren bindend bleibt.[37] Strittig ist, wer insoweit beschwerdeberechtigt ist. Nach zutreffender Ansicht sind insoweit sowohl der Anwalt[38] als auch der bedürftige Beteiligte[39] beschwerdeberechtigt.

 

Beispiel 19: Reisekosten des Anwalts aus dem Gerichtsbezirk (uneingeschränkte Beiordnung)

Der Anwalt vertritt seinen Mandanten in einem Verfahren vor dem FamG A und hat seine Kanzlei in dem 30 km entfernten B, das im Bezirk des FamG A liegt (Wert: 6.000,00 EUR). Er wird dem Mandanten ohne Einschränkung im Wege der Verfahrenskostenhilfe beigeordnet und nimmt am Termin zur mündlichen Verhandlung teil.

Die Beiordnung war ohne Einschränkung auszusprechen, da B im Bezirk des FamG A liegt. Da auch die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung notwendig war, erhält der Anwalt seine Reisekosten aus der Landeskasse.

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV, § 49 RVG   347,10 EUR
  (Wert: 6.000,00 EUR)    
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV, § 49 RVG   320,40 EUR
  (Wert: 6.000,00 EUR)    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
4. Fahrtkosten Pkw, Nr. 7003 VV, 2 × 30 km × 0,30 EUR/km   18,00 EUR
5. Tage- und Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 Nr. 1 VV   25,00 EUR
  Zwischensumme 730,50 EUR  
6. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   138,80 EUR
Gesamt   869,30 EUR
 

Beispiel 20: Reisekosten des Anwalts aus dem Gerichtsbezirk (eingeschränkte Beiordnung)

Wie vorangegangenes Beispiel 19; jedoch ist der Anwalt zu den Bedingungen eines in A ansässigen Anwalts beigeordnet worden.

Da die Beiordnung mit Einschränkung erfolgt ist, erhält der Anwalt jetzt seine Reisekosten nicht aus der Landeskasse. Die eingeschränkte Beiordnung war zwar unzulässig, ist aber gleichwohl bindend, solange sie nicht erfolgreich angefochten worden ist.

Der Anwalt erhält jetzt nur:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV, § 49 RVG   347,10 EUR
  (Wert: 6.000,00 EUR)    
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV, § 49 RVG   320,40 EUR
  (Wert: 6.000,00 EUR)    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
4. Parkgebühren (netto)   3,36 EUR
  Zwischensumme 690,86 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   131,26 EUR
Gesamt   822,12 EUR

Unabhängig von der Streitfrage, ob der auswärtige beigeordnete Anwalt den bedürftigen Beteiligten auf Zahlung der Reisekosten überhaupt in Anspruch nehmen darf (siehe unten Rdn 55 ff.), kommt dies hier nicht in Betracht, da der Anwalt sich infolge der unterlassenen Beschwerde gegen den Beiordnungsbeschluss schadensersatzpflichtig gemacht hat, so dass er diese Vergütung vom Mandanten nicht verlangen darf.

[35] OLG Brandenburg FamRZ 2009, 1236; OLG Nürnberg JurBüro 2008, 261 = OLGR 2008, 549; OLG Oldenburg AGS 2006, 210 = OLGR 2006, 189 = NJW 2006, 851 = FamRZ 2006, 629 = JurBüro 2006, 320 = MDR 2006, 777 = ZFE 2006, 117 = FamRB 2006, 78 = RVGprof. 2006, 63 = FuR 2006, 326.
[36] OLG Oldenburg AGS 2006, 110 m. Anm. N. Schneider = JurBüro 2006, 320; OLG Celle AGS 2011, 365 = zfs 2011, 348 = NdsRpfl 2011, 240 = FF 2011, 321 = MDR 2011, 984 = JurBüro 2011, 486 = FamRZ 2011, 1745 = FamFR 2011, 281 = FuR 2011, 479 = NJW-Spezial 2011, 635 = Rpfleger 2011, 617; LG Magdeburg 2008, 458.
[37] OLG Düsseldorf AGS 2008, 195 u. 247 = OLGR 2008, 262 = Rpfleger 2008, 316 = JurBüro 2008, 209.
[38] OLG Köln AGS 2006, 139 = JurBüro 2005, 429 = MDR 2005, ...

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