Rz. 93

Mehrvergleiche werden auch außerhalb der Reichweite von § 48 Abs. 3 RVG abgeschlossen. Wird z.B. im Ehescheidungsverfahren der Trennungsunterhalt vergleichsweise geregelt, ist das ein Vertrag i.S.d. § 48 Abs. 3 RVG. Die Vergütung der Anwaltsgebühren erfolgt ohne ausdrücklichen Antrag und ohne Bewilligung. Wird dagegen im Verfahren über den Trennungsunterhalt der nacheheliche Unterhalt verglichen, ist dies kein Fall des § 48 Abs. 3 RVG, ebenso wenig, wenn im Scheidungstermin eine Einigung über die Beendigung des Ehegattenarbeitsverhältnisses getroffen wird. Für diese Mehrvergleiche erhält der Anwalt Gebühren aus der Staatskasse nur dann,[96] wenn die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe für den Trennungsunterhaltsprozess/den arbeitsrechtlichen Streit auf diesen Mehrvergleich erstreckt wird[97] (die Beiordnung braucht nicht eigens beantragt werden, wenn Vertretung durch den Anwalt geboten ist, § 114 Abs. 1 FamFG, wohl aber die Bewilligung!).

Der Anwalt darf also auf keinen Fall versäumen, noch vor Vergleichsabschluss den Antrag auf Erweiterung der Verfahrenskostenhilfe zu stellen.[98]

 

Rz. 94

Es war streitig, welche Gebühren bei welcher Formulierung der Bewilligung und Beiordnung erstattungspflichtig sind.[99] Es ist nicht abzusehen, ob die Änderung des § 48 Abs. 3 RVG dazu führt, dass auch bei den Mehrvergleichen außerhalb des § 48 Abs. 3 RVG die Gebühren komplett erstattet werden. Müller-Rabe[100] begründet ausführlich, dass die neue Fassung des § 48 Abs. 3 RVG auch für den Mehrvergleich außerhalb der Reichweite des § 48 Abs. 3 RVG und für die Einigung im VKH-Bewilligungsverfahren gilt.[101] Dem kann nur zugestimmt werden. Es ist aber bis zur Klärung weiterhin auf eine unzweideutige Formulierung zu achten.[102]

 

Rz. 95

Solange mit Anwendung der bisherigen Rechtsprechung gerechnet werden muss, gilt Folgendes:

Die 0,8 Verfahrensgebühr als notwendige Begleitgebühr (Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG) wird nach entsprechender Antragstellung erstattet. Die Erstattungsfähigkeit der 1,2 Terminsgebühr (Vorb. 3 Abs. 3, Nr. 3104 VV RVG) hängt vom Wortlaut des Beschlusses ab, mit dem die Bewilligung und ggf. Beiordnung erstreckt wurde.[103] Vorgeschlagen wird,[104] zu beantragen, die "Beiordnung für nicht anhängige mitverglichene Gegenstände". Denkbar wäre auch, die Formulierung des neu gefassten § 48 Abs. 3 zu übernehmen und zu beantragen eine "Beiordnung für alle zur Herbeiführung der Einigung erforderlichen Tätigkeiten" oder "die Verfahrenskostenhilfe wird erstreckt auf nicht (hier) anhängige mitverglichene Gegenstände".[105]

[96] OLG Dresden FamRZ 2014, 1879; OLG Koblenz NJW-RR 2015, 61.
[97] OLG Karlsruhe NJW-RR 2017, 575; OLG Celle AGS 2016, 888; OLG Celle, Beschl. v. 26.2.2015 – 10 WF 28/15, BeckRS 2015, 08721.
[98] Es wird vertreten, dass nach Abschluss des Vergleichs der Antrag zu spät ist, wenn VKH für nicht rechtshängige Gegenstände begehrt wird, LAG Brandenburg JurBüro 2009, 369; BAG AGS 2012, 406: Es genügt nach Protokollierung, aber vor Ende der mündlichen Verhandlung, den Antrag zu stellen.
[99] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 48 RVG Rn 154, 155 ff.
[100] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 48 RVG Rn 164 ff.
[101] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 48 RVG Rn 168 ff.
[102] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 48 RVG Rn 183.
[103] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 48 RVG Rn 152 ff.; AnwK-RVG/Fölsch/Schafhausen/N. Schneider/Thiel, § 48 RVG Rn 12 ff., 15.
[104] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 48 RVG Rn 157 ff.
[105] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 48 RVG Rn 172.

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