Entscheidungsstichwort (Thema)

Abschluss eines Mehrvergleichs und Erstattungsfähigkeit der Verfahrensdifferenz- und erhöhten Terminsgebühr des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse

 

Leitsatz (amtlich)

1. Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 48 Abs. 3 RVG erfasst die Bewilligung von PKH/VKH auch für den Abschluss eines Mehrvergleichs ohne ausdrückliche dahingehende gerichtliche Anordnung nicht die auf den höheren Vergleichswert entfallende Verfahrensdifferenz- und Terminsgebühr des beigeordneten Rechtsanwalts (Fortführung von OLG Celle, Beschl. v. 21.1.2011 - 10 WF 6/11, MDR 2011, 324; Anschluss an OLG Koblenz, Beschl. v. 19.5.2014 - 13 WF 369/14, NJW-RR 2015, 61; OLG Dresden, Beschl. v. 7.2.2014 - 23 WF 1209/13, MDR 2014, 686; OLG Köln, Beschl. v. 2.10.2014 - 12 WF 130/14; entgegen OLG Celle, Beschl. v. 8.5.2014 - 15 UF 166/13, FamRZ 2014, 1878).

2. Dem Verfahrensgericht bleibt es allerdings unbenommen, bei Bejahung der entsprechenden Voraussetzungen PKH/VKH-Bewilligung und Anwaltsbeiordnung ausdrücklich auch auf Verfahrens- und Terminsgebühr hinsichtlich der weiteren Gegenstände eines abzuschließenden Mehrvergleichs zu erstrecken.

 

Normenkette

RVG § 48 Abs. 3, § 56; ZPO § 114; FamFG § 76 Abs. 1, § 78 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Beschluss vom 21.01.2015; Aktenzeichen 614 F 4369/14)

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Hannover vom 21.1.2015 wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Beschwerdeführerin vertrat in dem zugrunde liegenden Sorgerechtsverfahren die Kindesmutter und wurde dieser nach Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für das Verfahren beigeordnet. Im Termin zur Anhörung der Beteiligten vom 21.10.2014 haben die Eltern eine Vereinbarung zum Sorge- und Umgangsrecht geschlossen. Das Familiengericht hat im Anschluss daran den Verfahrenswert auf 3.000 EUR und den Wert der Vereinbarung auf 6.000 EUR festgesetzt und klargestellt, dass sich die bewilligte Verfahrenskostenhilfe auch auf den Abschluss der Vereinbarung erstreckt.

Die Beschwerdeführerin hat folgenden Antrag auf Festsetzung der Vergütung gestellt:

- Verfahrensgebühr für einen Gegenstandswert von 3.000 EUR:

261,30 EUR

- Verfahrensdifferenzgebühr nach Nr. 3101 Ziff. 2 VV-RVG für einen Gegenstandswert von 3.000 EUR:

166,80 EUR

- Terminsgebühr für einen Gegenstandswert von 6.000 EUR:

347,10 EUR

- Einigungsgebühr für einen Gegenstandswert von 6.000 EUR:

466,50 EUR

- Pauschale nach Nr. 7002 VV-RVG:

20 EUR

- Umsatzsteuer:

226,04 EUR

Zu zahlender Betrag:

1.415,74 EUR

Das AG hat bei seiner Festsetzungsentscheidung gem. § 55 RVG die Verfahrensdifferenzgebühr nach Nr. 3101 Ziff. 2 abgesetzt. Ferner hat es die zu erstattende Terminsgebühr nach einem Gegenstandswert von 3.000 EUR auf 241,20 EUR herabgesetzt und die Umsatzsteuer entsprechend auf 150,01 EUR reduziert, so dass sich der festgesetzte Betrag insgesamt auf 939,51 EUR beläuft.

Die hiergegen gerichtete Erinnerung hat das AG mit Beschluss vom 21.1.2015 zurückgewiesen. Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Beschwerdeführerin ihren ursprünglichen Festsetzungsantrag weiter.

II. Die zulässige, insbesondere gem. § 56 Abs. 2, § 33 Abs. 3 RVG statthafte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Familiengericht die geltend gemachte Verfahrensdifferenzgebühr abgesetzt und die Terminsgebühr nur für einen Gegenstandswert von 3.000 EUR als erstattungsfähig angesehen. Der Senat hat bereits entschieden, dass der im Rahmen von Verfahrenskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt bei Abschluss eines sog. Mehrvergleichs in der Regel nur die Einigungsgebühr, nicht aber auch die Verfahrens- und die Terminsgebühr auf den erhöhten Gegenstandswert erhält (Beschl. v. 21.1.2011 - 10 WF 6/11, MDR 2011, 324; vom 12.6.2014 - 10 WF 167/14, nv). Hieran hält der Senat auch nach der zum 1.8.2013 in Kraft getretenen Neuregelung des § 48 Abs. 3 RVG fest.

1. Allgemein gilt, dass sich der Umfang des anwaltlichen Vergütungsanspruchs gegen die Staatskasse gem. § 48 Abs. 1 RVG nach den Beschlüssen bestimmt, durch welche Verfahrenskostenhilfe gewährt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Zugleich regelt § 48 Abs. 5 Satz 1 RVG, dass für die mit dem Hauptverfahren zusammenhängenden Angelegenheiten nur insoweit eine Vergütung aus der Staatskasse festgesetzt werden kann, als hierfür ausdrücklich eine Beiordnung erfolgt ist.

Dieser Grundsatz wird durch die Neufassung des § 48 Abs. 3 RVG, welcher durch das Zweite Kostenrechtsmodernisierungsgesetz zum 1.8.2013 eingeführt wurde, durchbrochen. Danach erstreckt sich die Verfahrenskostenhilfe in Ehe- und Lebenspartnerschaftssachen ohne weiteres auch auf die nicht von Amts wegen einzuleitenden Folgesachen, wenn und soweit diese mit einem Mehrvergleich erledigt wurden. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Druck. 17/11471, S. 270) sollte die Neuregelung klarstellen, dass nicht nur die Einigungsgebühr aus der Staatskasse, sondern alle durch die Einigung und den Abschl...

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