Rz. 9

Der Anwalt haftet nicht nur seinem/seinen Mandanten – den Vertragspartnern –, sondern grundsätzlich jedem Dritten, der nicht Mandant oder Vertragspartner ist (siehe unten Rdn 11). Die Haftung des Rechtsanwalts beurteilt sich im Wesentlichen nach den folgenden Bestimmungen bzw. Rechtsinstituten, die auf gesetzlichen, vertraglichen oder quasivertraglichen Schuldverhältnissen oder auf vorvertraglichen Vertrauenstatbeständen (culpa in contrahendo)[21] beruhen.

Die häufigsten Anspruchsgrundlagen im Rahmen der Anwaltshaftung sind – nach nationalem Haftungsrecht – zusammengefasst:

§ 280 BGB – Haftung wegen Pflichtverletzung;
§§ 823 Abs. 2, 831 BGB;
§ 311 Abs. 3 BGB – Haftung gegenüber Dritten, die nicht unmittelbar Vertragspartner sind;
§ 311 Abs. 2 BGB – culpa in contrahendo (c.i.c.);
§ 44 BRAO – Schadenersatz mangels unverzüglicher Ablehnung eines Mandats;[22]
§§ 60, 61 InsO – Haftung des Insolvenzverwalters;
§§ 69, 34 AO – Steuerhaftung des gesetzlichen Vertreters.

Ungeachtet dessen ist insbesondere bei Kanzleien mit internationaler Ausrichtung bzw. Aufstellung eine persönliche Haftung des Anwalts/der Anwälte bzw. der Kanzlei nach anderen internationalen Haftungsregimen nicht ausgeschlossen. Inwiefern diese Haftung vom Versicherungsschutz umfasst ist, war bis dato weder Gegenstand der Rechtsprechung noch der Literatur. Die Bezugnahmen in § 51 Abs. 1 S. 2 BRAO auf das BGB[23] und damit auf das deutsche Haftpflichtrecht und die auf dieser Grundlage eingereichten Allgemeinen Versicherungsbedingungen sprechen trotz der weiten Fassung "gesetzliche Haftpflicht" dafür, dass die Haftung des Anwalts auf Grundlage ausländischen Rechts nicht von der Pflichtversicherung erfasst ist.[24]

In jedem Fall muss es sich mit Blick auf den Versicherungsschutz aus der Berufs-Haftpflichtversicherung um gesetzliche Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts handeln, weil nur diese gem. § 51 Abs. 2 BRAO bzw. 59 j Abs. 1 BRAO i.V.m. § 51 Abs. 2 BRAO (für Kapitalgesellschaften) Gegenstand der Pflichtversicherung sind.[25] Haftpflichtansprüche öffentlich-rechtlicher Natur unterliegen grundsätzlich nicht dem Deckungsschutz, es sei denn, sie sind ausdrücklich mitversichert, wie dies in zahlreichen Bedingungswerken für die o.g. Haftung gem. §§ 60, 61 InsO oder §§ 69, 34 AO vorgesehen ist. Grundsätzlich nicht versichert ist auch die Haftung für Gerichtskosten – § 49 GKG –, sofern der Anwalt nicht bevollmächtigt war.[26] Im Falle der Konkurrenz von öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Ansprüchen ist grundsätzlich von Deckung auszugehen.[27] Wegen der näheren Einordnung der Bestimmungen als öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Haftpflicht wird auf spätere Ausführungen verwiesen (vgl. Rdn 164 ff.).

Jegliche Tatbestände, die den Verschuldensmaßstab der Fahrlässigkeit überschreiten, sind nicht versichert (z.B. Ansprüche aus § 826 BGB). Ausnahme hiervon kann sein die sog. wissentliche Pflichtverletzung eines Mitarbeiters der Kanzlei (Näheres hierzu unter "wissentlicher Pflichtverletzung", Rdn 168 f.) oder seit 19.7.2013 für Partnerschaftsgesellschaften mit beschränkter Berufshaftung und Rechtsanwalts-Gesellschaften mit beschränkter Haftung (zur PartGmbB siehe Rdn 107 ff.).

 

Rz. 10

Bestimmend für die Anwaltshaftpflicht ist in Bezug auf die Häufigkeit der Inanspruchnahmen[28] § 280 BGB. Hiernach wird dem Dritten ein Schadenersatzanspruch wegen Pflichtverletzung zugesprochen, wenn die dortigen Voraussetzungen erfüllt sind. In Anbetracht der konkreten Textfassung und des Aufbaus der Norm ist davon auszugehen, dass abweichend von der grundsätzlich dem geschädigten Anspruchsteller obliegenden Beweislast (zur Darlegungs- und Beweislast siehe auch Rdn 60, 73) für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen – Auftrag, Pflichtverletzung, Kausalität[29] und Schaden – dem Anwalt die Beweislast für ein von ihm behauptetes, mangelndes Verschulden auferlegt wird. § 280 BGB kommt zur Anwendung bei allen vom Anwalt übernommenen Mandaten, sei es die Wahrnehmung von Interessen als Prozessvertreter oder rechtlicher Berater in sonstigen Angelegenheiten, mit Ausnahme solcher Mandate, bei denen die Haftung einer spezialgesetzlichen Regelung unterworfen ist.[30]

§ 311 Abs. 2 BGB ist der normierte Regelfall der culpa in contrahendo, d.h. der Haftung aus "rechtsgeschäftsähnlichem" Schuldverhältnis.

Relativ selten ist der Fall, dass die Rechtsprechung zur Begründung einer Haftung aus beruflicher Tätigkeit des Anwalts auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. der Verletzung eines Schutzgesetzes zurückgreifen muss.

 

Rz. 11

Der Anwalt haftet unter bestimmten Voraussetzungen auch Dritten gegenüber, die nicht seine Mandanten sind, die aber – interessengemäß – vom Mandatsverhältnis erfasst werden. Bei dieser sog. "Dritthaftung"[31] bzw. Haftung gegenüber Dritten (weitere Detailbetrachtung siehe unten Rdn 118 ff.) handelt es sich um eine solche aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (§ 311 Abs. 3 S. 1 BGB) kaum hingegen aus einem Vertrag zugunsten Dritter.[32] Geschütz...

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