Rz. 118

Die Haftung des Anwalts ist keineswegs auf seinen Mandanten begrenzt; auch Dritte können ihn durchaus unter bestimmten Voraussetzungen auf Erstattung eines ihnen entstandenen Schadens in Anspruch nehmen, sog. Dritthaftung.

 

Rz. 119

Dabei muss sich der Anwalt bewusst sein, dass er gerade in der interprofessionellen Sozietät mit Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern deren – auch in Bezug auf Dritthaftungsfälle – deutlich höhere Haftungsrisiken gesamtschuldnerisch mitzutragen hat. Dementsprechend wird hier auch das Risiko aus der Haftung im Zusammenhang mit Abschlussprüfungen kurz behandelt.

 

Rz. 120

Der Rechtsanwalt haftet auch Dritten gegenüber, die nicht seine Mandanten sind. Diese Haftung kommt in Betracht aus Gesetz (§§ 823 Abs. 2, 826 BGB) oder aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter[389] bzw. der Fiktion eines Auskunftsvertrages.[390]

Die Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter setzt voraus, dass die mögliche Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Mandatsvertrages dem Rechtsanwalt bekannt oder erkennbar war.[391] In den typischen Dritthaftungsfällen des (freiwillig geprüften und) testierten Jahresabschlusses für Kreditzwecke oder eines Gutachtens/Zwischenabschlusses aus Anlass einer wirtschaftlichen Beteiligung am bewerteten Unternehmen ist diese Voraussetzung regelmäßig erfüllt.

Die Rechtsprechung verlangt darüber hinaus bzw. im Kontext damit eine sog. Drittbezogenheit der Leistung, d.h. eine Leistung, die zwar für den Auftraggeber/Mandanten erbracht wird, üblicherweise aber zugleich einem konkreten Dritten (einem sehr engen) Personenkreis zugänglich gemacht wird.[392] Die Drittbezogenheit wird in den bereits kurz dargestellten Fällen des OLG Düsseldorf[393] und des BAG[394] verneint, sodass eine Haftung des Anwalts ausscheidet.

Gleichermaßen nicht in den Schutzbereich eines Steuerberatungsvertrages mit einer GmbH fällt deren Geschäftsführer, sodass auch diesem gegenüber eine Haftung des Steuerberaters entfällt.[395]

Schließlich muss ein erkennbares Schutzbedürfnis des Dritten[396] bestehen. Die in Literatur und Rechtsprechung vertretene Auffassung vernachlässigt bei der Bewertung des Schutzbedürfnisses unzureichend, dass der betreffende Dritte seine Dispositionen im Bewusstsein treffen kann, der Rechtsanwalt oder Steuerberater sei in erster Linie Interessensvertreter der "Gegenpartei". Will sich der Dritte am Unternehmen des Mandanten finanziell beteiligen, ist es ihm unbenommen, einen eigenen Berater mit der Überprüfung der wirtschaftlichen Kennzahlen und Daten zu beauftragen. Im Zusammenhang mit Unternehmensveräußerungen oder dgl. (sog. Mergers & Acquisitions) beauftragt der potenzielle Käufer (also der Dritte im obigen Sinn) heute regelmäßig einen eigenen Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt mit der Durchführung einer sog. "Due Diligence"[397] und der Abgabe eines sog. "Letter of comfort". Damit verschafft er sich die entsprechende "Positionierung" für evtl. Haftpflichtansprüche aus § 280 BGB gegen den von ihm beauftragten Prüfer, der sich auch entsprechend versichert hat.

 

Rz. 121

Die Haftung des Anwalts gegenüber Dritten kann im Einzelfall auf Delikt beruhen, was besonders zu beachten ist im Kontext mit einer Partnerschaft mit beschränkter Berufshaftung (siehe dort unter Rdn 106 ff.).

 

Beispiel: "Die aufgeschwatzte Parzelle"

Der Anwalt verkaufte als Bevollmächtigter eines Schweizer Immobilieneigners einem Kraftfahrer und einer Küchenhilfe ein Grundstück zu einem Preis, der 400 % über dem wirklichen Wert lag. Er haftete hierfür nach § 826 BGB. Leichtfertiges Handeln des Anwalts genügte dem Gericht zur Begründung seiner Haftung.[398]

 

Rz. 122

Der Anwalt haftet Dritten, zu denen er keine vertraglichen Beziehungen unterhält, ferner aus dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung,[399] wenn er an einem Prospekt mit unwahren Angaben mitgewirkt hat, es sei denn, er würde dort nicht erwähnt und wäre auch nicht den Umständen nach ohne Namensnennung identifizierbar;[400] Voraussetzung für die Haftung des Anwalts ist aber eine erkennbare Mitwirkung des Anwalts am Prospekt, der mit dieser Mitwirkung einen Vertrauenstatbestand schafft.[401]

 

Rz. 123

Die sog. Prospekthaftung ist ein von der Rechtsprechung insbesondere für den Bereich des Kapitalanlagegeschäfts entwickeltes Rechtsinstitut. Typischer Auslöser von sog. Prospekthaftungsansprüchen[402] ist regelmäßig ein Hinweis im Verkaufsprospekt[403] auf die "erfolgte Prüfung durch einen namhaften Berufsträger", dessen Name aus berufsrechtlichen Gründen nicht genannt wird. Dieser Hinweis erfolgt auch nach Überzeugung der Rechtsprechung zu Werbezwecken. Anspruchsteller ist nicht der Initiator/Auftraggeber, sondern Dritte (Anleger), die in keinem unmittelbaren Rechtsverhältnis zum Rechtsanwalt als Prospektersteller oder -prüfer im Auftrag des Initiators stehen. Deren Ansprüche auf "Verlustausgleich" direkt gegen den Rechtsanwalt werden gestützt auf dessen Garantenstellung.

 

Praxistipp

Der Anwalt wird in derartigen Fällen (gleichermaßen Wirtschaft...

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