Rz. 168

Die Berufs-Haftpflichtversicherung deckt jeden fahrlässig begangenen Verstoß (Pflichtverletzung). Schäden, die der Versicherungsnehmer vorsätzlich herbeigeführt hat, sind nicht versichert, § 103 VVG.[439] Nicht versichert sind in der Regel konsequenterweise auch Schäden, die durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Mandanten sowie durch sonstige wissentliche Pflichtverletzungen verursacht worden sind (§ 51 Abs. 3 Nr. 1 BRAO, § 4 Ziff. 5 AVB).[440]

 

Rz. 169

Nicht gedeckt sind lt. § 4 Ziff. 5 AVB Haftpflichtansprüche

Zitat

"wegen Schadenverursachung durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Auftraggebers oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung. Der Versicherungsnehmer behält, wenn dieser Ausschlussgrund nicht in seiner Person und auch nicht in der Person eines Sozius im Sinne des § 1 III vorliegt – unbeschadet der Bestimmungen des § 7 IV 2 – den Anspruch auf Versicherungsschutz. § 1 II bleibt unberührt."

Die wissentliche Pflichtverletzung erfordert Vorsatz (dolus directus) hinsichtlich der verletzten Pflicht;[441] den Schaden selbst braucht der Anwalt nicht herbeiführen zu wollen.[442] Unerheblich ist auch, ob er ihn ggf. billigend in Kauf genommen hat oder nicht. Wissentlich handelt, wer in Kenntnis des korrekten Verhaltens bewusst[443] gegen verbindliche, nicht zwingend konkret definierte Verhaltensweisen[444] verstößt. Dabei kann auch der Verstoß gegen elementare Regeln,[445] z.B. des Berufsrechts zur Annahme eines wissentlich pflichtwidrigen Handelns führen, allerdings nach OLG Stuttgart nicht, wenn "nur" gegen Bestimmungen zur Errichtung und ­Regelung eines gefahrlosen Betriebs verstoßen werde.[446]

Subjektive Merkmale, wie die Annahme des Anwalts, er handele im wohlverstandenen Interesse des Mandanten, oder es werde kein Schaden entstehen, sind für die Frage der Wissentlichkeit ohne Belang;[447] wohl aber muss der bewusste Pflichtenverstoß für den eingetretenen Schaden adäquat kausal sein.[448] Im Unterschied zum Vorsatztatbestand gem. § 103 VVG muss der Anwalt also auch nicht den schädigenden Erfolg als möglich vorhergesehen und billigend in Kauf (dolus eventualis) genommen haben. Die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung der Voraussetzungen dieses Ausschlusstatbestandes liegt beim Versicherer.[449]

Der Ausschluss des Versicherungsschutzes wegen wissentlicher Pflichtverletzung spielt in der Schadenpraxis der Versicherer eine relativ gewichtige Rolle,[450] wenngleich diesem Ausschluss die enorme Schärfe dadurch genommen ist, dass die Versicherer häufig – durch entsprechende Besondere Vereinbarung – die Kosten für die Abwehr eines aus Sicht des Versicherungsnehmers unbegründeten Anspruchs solange und soweit übernehmen, wie eine vom Anspruchsteller behauptete wissentliche Pflichtverletzung nicht bewiesen ist.

Da die äußeren Umstände häufig eine Pflichtverletzung indizieren, kann in besonders gelagerten Einzelfällen schon bei unsorgfältiger Arbeitsweise die Versicherungsleistung versagt werden.[451]

 

Rz. 170

Abgrenzungsschwierigkeiten zur Fahrlässigkeit und daraus resultierende kontroverse Diskussionen sind allerdings nicht selten. Eindeutig ein Fall wissentlicher Pflichtverletzung liegt vor, wenn der Anwalt eine Sache über Gebühr unbearbeitet lässt, weil er sich der zur Lösung anstehenden Rechtsfrage nicht gewachsen sieht und dem Mandanten dadurch ein Vermögensschaden entsteht. Ein unordentliches Büro allein berechtigt den Versicherer nicht, den Ausgleich des vom versicherten Anwalt angerichteten Schadens abzulehnen. Dem Anwalt kann eine wissentliche Pflichtverletzung nicht entgegen gehalten werden, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass er die drohende Verjährung lediglich aus den Augen verloren hat. Der Versicherer ist insoweit beweisbelastet.[452]

Sprechen die äußeren Umstände allerdings dafür, dass der Anwalt ganz erheblich fundamentale Regeln außer Acht lässt, z.B. indem er mehrfach die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und schließlich darauf verzichtet in der Annahme, er werde schon nicht zurück gewiesen, liegt lt. OLG Saarbrücken[453] eine wissentliche Pflichtverletzung vor.

Weiteres Beispiel: Mehrmalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist – Vertrauen auf eine weitere Verlängerung – ist nur Hoffnung darauf, dass kein Schaden entstehen werde und demgemäß wissentliche Pflichtverletzung.

Nach OLG Düsseldorf handelt der Anwalt wissentlich pflichtwidrig, wenn er gegen fundamentale, allgemein geläufige Regeln in krassem Maße verstößt und dementsprechend über eine Indizienkette aus Art und Gewicht des Pflichtenverstoßes auf Wissentlichkeit geschlossen wird (Indizienbeweis).[454]

Das wissentlich pflichtwidrige Handeln eines Sozius/Partners wird allen anderen Sozien bzw. Partnern zugerechnet. Eine Zurechnung unterbleibt dagegen, wenn (lediglich) ein Mitarbeiter der Praxis wissentlich gehandelt hat. Der Versicherer kann allerdings gem. § 7 Abs. 4 S. 2 AVB beim wissentlich handelnden M...

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