Rz. 192

 

Spezifizierung

"Unbedingte" Vollmachtserteilung und deren private Aufbewahrung, sog. Schubladenlösung, "unbedingte" Erteilung der Vollmacht, aber zunächst Verwahrung privat (zu Hause oder bei einer Vertrauensperson), ggf. ohne dass der Bevollmächtigte informiert wird (Letzteres funktioniert nur, wenn die Vollmacht nicht im Zentralen Register für Vorsorgevollmachten (ZVR) registriert wird, siehe zum ZVR § 9 Rdn 4 ff.; Letzteres ist i.Ü. aber im Hinblick auf die für die Wirksamkeit erforderliche Erteilung der Vollmacht problematisch, siehe dazu den nachstehenden Hinweis Rdn 195).[290]

 

Rz. 193

Bei der Schubladenlösung besteht die Gefahr, dass die die Vollmachtsurkunde (Original) bzw. bei notarieller Beurkundung die für den Bevollmächtigten (später) bestimmte Ausfertigung (siehe zur Ausfertigung § 7 Rdn 31 ff.) beim Vollmachtgeber, bei der Vertrauensperson oder später beim Bevollmächtigten oder einem Empfänger/Leser nicht gefunden wird oder verlorengeht. Dem kann und sollte bei notarieller Beurkundung durch eine Anweisung zur Erteilung weiterer Ausfertigungen vorgebeugt werden (siehe im nachstehenden Muster den Hinweis in Variante 1 und die Lösung in Variante 2).

 

Rz. 194

Muster 1.32: Baustein Grundmuster – Ausfertigung zur Weiterleitung (Schubladenlösung, ggf. mit Variante Attest)

 

Muster 1.32: Baustein Grundmuster – Ausfertigung zur Weiterleitung (Schubladenlösung, ggf. mit Variante Attest)

(Standort im Grundmuster I: § 6 Abs. 1)

Ich weise den Notar an, dem Bevollmächtigten sofort eine Ausfertigung der heutigen Urkunde zu erteilen, diese jedoch nicht dem Bevollmächtigen zu übersenden, sondern mir zu meiner (späteren) Weiterleitung bzw. späteren Aushändigung an den Bevollmächtigten.

Variante 1 (keine weiteren Ausfertigungen):

Der Notar hat darauf hingewiesen, dass dem Bevollmächtigten auf dessen einseitigen Antrag keine weiteren Ausfertigungen erteilt werden (§ 51 Abs. 1 BeurkG).

Variante 2 (weitere Ausfertigungen bei Vorlage Attest/Sterbeurkunde):[291]

Solange ich den Notar nicht schriftlich anders anweise, darf er dem Bevollmächtigten auf dessen einseitigen Antrag nur dann (weitere) Ausfertigungen erteilen, wenn der Bevollmächtigte dem Notar eine auf ihn erteilte Ausfertigung der Vollmacht vorlegt oder eine ärztliche Bescheinigung vorlegt, wonach ich die in der Vollmacht bezeichneten Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selbst erledigen kann (der Bescheinigung gleichgestellt ist eine Sterbeurkunde). Der Arzt ist ermächtigt, auf Antrag des Bevollmächtigten eine Bescheinigung zu erteilen. Der Notar muss die Rechtmäßigkeit der Bescheinigung nicht prüfen. Werden widersprechende Bescheinigungen vorgelegt oder ergeben sich andere Zweifelsfragen, so darf der Notar auf Antrag des Bevollmächtigten keine Ausfertigung erteilen; erforderlichenfalls muss dann ein Betreuer bestellt werden.

 

Rz. 195

 

Hinweis: Erteilung der Vollmacht bei der Schubladenlösung

Die Erteilung einer Vollmacht ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, eine einseitige Willenserklärung. Eine Annahme durch den Bevollmächtigten ist nicht erforderlich.[292] Auf die Wirksamkeit einer Willenserklärung ist es ohne Einfluss, wenn der Erklärende "nach der Abgabe“ stirbt oder geschäftsunfähig wird (§ 130 Abs. 2 BGB). Wann gibt der Vollmachtgeber die Willenserklärung zur Erteilung der Vollmacht ab? Eine wirksame Abgabe liegt nur vor, wenn der Erklärende seinerseits alles getan hat, damit die Erklärung dem Empfänger zugehen kann.[293] Dies ist nicht der Fall, wenn die Kenntniserlangung durch den Bevollmächtigten dem Zufall überlassen wird. Für den Fall der "Schublade" wird vertreten, dass bereits das Einlegen in die Schublade als "Abgabe" anzusehen ist.[294] Bei Beurkundung der Vollmacht sollte dem (Schublanden-)Bevollmächtigten nach der Beurkundung eine (einfache) Abschrift/Ablichtung[295] der Vollmachtsurkunde ausgehändigt werden (siehe daher § 9 im Grundmuster I, Rdn 8).[296]"

[290] Limmer u.a./Müller-Engels, WürzbNotar-HdB, Teil 3 Kap. 3 Rn 55 f.; Müller-Engels/Braun/Renner/Braun, BetreuungsR, Kap. 2 Rn 59, 73, 619.
[291] Auf Basis Limmer u.a./Müller-Engels, WürzbNotar-HdB, Teil 3 Kap. 3 Rn 59.
[292] BGH, Urt. v. 5.12.2006 – XI ZR 341/05, NJW-RR 2007, 1202; Grüneberg/Ellenberger, § 167 Rn 1; Grziwotz, FamRB 2012, 352.
[293] Müller, DNotZ 1997, 100 und Limmer u.a./Müller-Engels, WürzbNotar-HdB, Teil 3 Kap. 3 Rn 56, jeweils m.w.N.
[294] Kurze/Kurze, VorsorgeR, § 167 Rn 21; Müller-Engels/Braun/Renner/Braun, BetreuungsR, Kap. 2 Rn 73, 619; Zimmermann, Vorsorgevollmacht Rn 44; eher zweifelnd: Bühler, BWNotZ 1990, 1; Stascheit, RNotZ 2020, 61.
[295] Eine einfache Abschrift/Ablichtung reicht aus; auf den Zugang einer Ausfertigung kann selbst bei formbedürftigen Erklärungen konkludent verzichtet werden (Grüneberg/Ellenberger, § 130 Rn 10, 19; Müller-Engels/Braun/Renner/Braun, BetreuungsR, Kap. 2 Rn 69 und Fn 961).
[296] So Bühler, BWNotZ 1990, 1; ders., FamRZ 2001, 1585; Kersten/Bühling/Kordel, Formularbuch und Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 96 Rn 67; Limmer ...

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