Funktion und Inhalt des betrieblichen Ausbildungsverhältnisses

Das Ausbildungsverhältnis ist ein besonderes Arbeitsverhältnis. So ist z.B. die Kündigung folgenschwerer und darum schwerer durchsetzbar. Nicht immer sind sich Ausbilder und Betriebe über ihre Aufgaben und Pflichten gegenüber den Auszubildenden im Klaren. Hier ein Überblick dazu und zu der Reform des Berufsausbildungsgesetzes, die ab 2020 auch für Azubis einen Mindestlohn bringt.

Das deutsche Ausbildungssystem wird in vielen anderen Ländern gelobt. Die betriebliche Lehre, flankiert durch die Berufsschule, ist für viele Jugendliche ein prägender Einstieg in das Berufsleben. Allerdings sollten die Ausbilder und die ausbildenden Betriebe ihre Aufgaben und die rechtlichen Eckpunkte der Berufsausbildung kennen und ernst nehmen.

Eignung des Betriebes zur Gewährleistung einer Ausbildung

Der Betrieb der Ausbildende aufnehmen will, muss diese auch leisten können. Auszubildende dürfen nur eingestellt und ausgebildet werden, wenn die Ausbildungsstätte nach Art und Einrichtung für die Berufsausbildung geeignet ist und die Zahl der Auszubildenden in einem angemessenen Verhältnis zur Zahl der Ausbildungsplätze oder zur Zahl der beschäftigten Fachkräfte steht, es sei denn, dass andernfalls die Berufsausbildung nicht gefährdet wird (§ 27 Abs. 1 BBiG, § 27 b HwO).

Pflichten des Ausbildungsbetriebs

Zu den wesentlichen Pflichten des Ausbildenden im Rahmen des Berufsausbildungsverhältnisses gehört, es

  • dafür zu sorgen, dass dem Auszubildenden die berufliche Handlungsfähigkeit vermittelt wird, die zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlich ist,
  • und die Berufsausbildung in einer durch ihren Zweck gebotenen Form planmäßig, zeitlich und sachlich gegliedert so durchzuführen, dass das Ausbildungsziel in der vorgesehenen Ausbildungszeit erreicht werden kann,
  • selbst auszubilden oder einen Ausbilder ausdrücklich damit zu beauftragen,
  • Auszubildenden kostenlos die Ausbildungsmittel, insbesondere Werkzeuge und Werkstoffe zur Verfügung zu stellen, die zur Berufsausbildung und zum Ablegen von Zwischen- und Abschlussprüfungen, auch soweit solche nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses stattfinden, erforderlich sind,
  • Auszubildende zum Besuch der Berufsschule und zum Führen von schriftlichen Ausbildungsnachweisen anzuhalten, soweit solche im Rahmen der Berufsausbildung verlangt werden, und diese durchzusehen,
  • dafür zu sorgen, dass Auszubildende charakterlich gefördert sowie sittlich und körperlich nicht gefährdet werden (§ 14 Abs. 1 BBiG). 

Keine Zweckentfremdung der Azubis: Nicht nur kopieren lassen und zum Brötchenholen schicken

Auszubildenden dürfen nur Aufgaben übertragen werden, die dem Ausbildungszweck dienen und ihren körperlichen Kräften angemessen sind (§ 14 Abs. 2 BBiG).

Dem Auszubildenden können alle im Rahmen des Berufsbildes üblichen Aufgaben übertragen werden. Nicht übertragen werden dürfen dem Auszubildenden grundsätzlich Besorgungen oder sonstige berufsfremde Tätigkeiten.

Vom Ausbildungszweck gedeckt sind dagegen übliche Wartungs-, Pflege- und Reinigungsarbeiten, da dies zu den notwendig anfallenden Tätigkeiten gehört und der Auszubildende auch lernen soll, sich in den normalen Betriebsablauf einzugliedern.

Grundlegend ist der Ausbildungsvertrag

Die Ausbildung in Betrieben erfolgt auf der Grundlage des Berufsbildungsgesetzes (BBiG), in Handwerksbetrieben zusätzlich gemäß § 3 Abs. 3 BBiG auf der Grundlage modifizierender bzw. ergänzender Bestimmungen der Handwerksordnung (HwO). Vor Beginn der betrieblichen Ausbildung ist gemäß § 10 Abs. 1 BBiG ein schriftlicher Ausbildungsvertrag abzuschließen, der folgende Mindestangaben enthalten muss:

  • Art, Ziel und Gliederung der Berufsausbildung mit genauen Ausbildungsplan,
  • Beginn und Dauer der Ausbildung,
  • Angaben zu Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte,
  • die Dauer der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit,
  • die Dauer der Probezeit,
  • die Dauer des Urlaubs,
  • die Höhe der Ausbildungsvergütung sowie die Zahlungsmodalitäten,
  • die Voraussetzungen, unter denen der Vertrag gekündigt werden kann,
  • ein ausdrücklicher Hinweis auf Tarifverträge und sonstigeVereinbarungen, die den Vertrag ergänzen.

Wichtig: Vereinbarungen, die Auszubildende für die Zeit nach der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses in der beruflichen Tätigkeit beschränken, sind nichtig.

Ausnahme: Der Auszubildende kann sich innerhalb der letzten sechs Monate des Ausbildungsverhältnisses zur Eingehung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Ausbildenden verpflichten, § 12 BBiG.

Schulbesuch der Auszubildenden

Der Ausbildende hat den Auszubildenden für die Teilnahme am Berufsschulunterricht und an Prüfungen freizustellen (§ 15 Satz 1 BBiG).

Mindestausbildungsvergütung durch Neuregelung zum 1.1.2020

Auszubildende haben Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Diese ist nach dem Lebensalter des Auszubildenden so zu bemessen, dass sie mit fortschreitender Berufsausbildung mindestens jährlich ansteigt (§ 17 Abs. 1 BBiG). Bei den bisher von den zuständigen Stellen festgesetzten Mindestsätzen für die Ausbildungsvergütung handelte es sich lediglich um Empfehlungen. Allerdings sprach bei einer Unterschreitung von Kammerempfehlungen um mehr als 20% eine Vermutung für eine Unangemessenheit.

Zum 1.1.2002 regelt der Gesetzgeber diese Frage neu: Mit deinem Mindestlohn soll sich die Attraktivität der Berufsausbildung erhöhen und die Abbruchquote in der Ausbildung verringern.

Jeder Azubi, der im kommenden Jahr 2020 eine Berufsausbildung beginnt, soll nun mindestens 515 Euro pro Monat im ersten Lehrjahr bekommen, sofern ein Tarfivertrag keinen höheren Lohn vorschreibt.

Die Mindestvergütung für das erste Ausbildungsjahr wird jährlich angepasst und steigt bis zum Jahre 2023 sukzessive auf monatlich 620 Euro.

Pech haben diejenigen, die sich heute schon in einer Ausbildung befinden: Sie profitieren nicht von der Neuregelung. Außerdem sind Ausnahmen von der Mindestvergütung möglich, wenn Arbeitgeber und Gewerkschaften für einzelne Branchen eigene Vereinbarungen treffen.

Dauer der Ausbildung

Die Ausbildungsdauer soll nicht mehr als drei und nicht weniger als zwei Jahre betragen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BBiG). Die konkrete Ausbildungszeit ergibt sich regelmäßig aus der jeweiligen Ausbildungsordnung. Eine Verkürzung oder Verlängerung der Ausbildungszeit ist im Einzelfall möglich.

Die zuständige Stelle hat auf gemeinsamen Antrag des Auszubildenden und Ausbildenden die Ausbildungszeit zu kürzen, wenn zu erwarten ist, dass das Ausbildungsziel in der gekürzten Zeit erreicht wird (§ 8 Abs. 1 Satz 1 BBiG). Bei berechtigtem Interesse kann sich der Antrag auch auf die Verkürzung der täglichen oder wöchentlichen Ausbildungszeit richten (Teilzeitberufsausbildung) (§ 8 Abs. 1 Satz 2 BBiG).

Verlängerung der Ausbildung

In Ausnahmefällen kann die zuständige Stelle auf Antrag eines Auszubildenden die Ausbildungszeit verlängern, wenn die Verlängerung erforderlich ist, um das Ausbildungsziel zu erreichen (§ 8 Abs. 2 BBiG). Eine Verlängerung des Berufsausbildungsverhältnisses ergibt sich auch bei fehlendem Bestehen der Abschlussprüfung. In diesem Fall verlängert sich das Berufsausbildungsverhältnis auf Verlangen des Auszubildenden bis zur nächstmöglichen Wiederholungsprüfung, jedoch höchstens um ein Jahr (§ 21 Abs. 3 BBiG).

Der Ausbildende hat die Verlängerung sogar dann hinzunehmen, wenn mit Sicherheit zu erwarten ist, dass der Auszubildende die Wiederholungsprüfung nicht bestehen wird. Innerhalb der Höchstfrist von einem Jahr kann der Auszubildende eine weitere Verlängerung verlangen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die zweite Wiederholungsprüfung noch innerhalb der Jahresfrist liegt (BAG, Urteil v. 15.3.2000, 5 AZR 622/98). Eine weitere Verlängerung soll auch dann möglich sein, wenn die zweite Wiederholungsprüfung erst außerhalb der Jahresfrist liegt (LAG Berlin, Urteil v. 25.2.2000, 6 Sa 2448/99). Auch in diesem Fall endet das Ausbildungsverhältnis jedoch spätestens nach Ablauf der (ersten) Jahresfrist. Mehr als zwei Wiederholungsprüfungen können nicht verlangt werden (Umkehrschluss aus § 37 Abs. 1 Satz 2 BBiG, wonach die Abschlussprüfung zweimal wiederholt werden kann).

Kann der Auszubildende wegen Krankheit an der Prüfung nicht teilnehmen, gilt das Vorgenannte entsprechend.

Beendigung durch Kündigung

Ob und unter welchen Voraussetzungen das Berufsausbildungsverhältnis vor Ablauf der Ausbildungszeit beendet werden kann, richtet sich maßgeblich danach, ob sich das Berufsausbildungsverhältnis noch in der Probezeit befindet und welche Partei das Ausbildungsverhältnis aus welchem Grund beenden will. Für alle Kündigungen gilt, dass sie zu ihrer Wirksamkeit schriftlich und bei Kündigungen nach Ablauf der Probezeit zudem unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen müssen. Dem Kündigungsgegner sind die wesentlichen Tatsachen anzugeben, die erforderlich sind, damit sich dieser ein Bild davon machen kann, warum das Ausbildungsverhältnis beendet wird. Eine pauschale Bezugnahme auf vorherige mündliche Erläuterungen oder auf Vorfälle in der Vergangenheit reicht nicht aus. Der minderjährige Auszubildende kann weder selbst kündigen noch kann ihm gekündigt werden. Die Kündigung ist vielmehr durch bzw. gegenüber seinem gesetzlichen Vertreter zu erklären. 

Kündigung während der Probezeit

Das Berufsausbildungsverhältnis kann während der Probezeit von beiden Vertragsparteien jederzeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist und ohne Angaben von Kündigungsgründen gekündigt werden (§ 22 Abs. 1 BBiG). Die Probezeit muss mindestens einen Monat und darf höchstens vier Monate betragen (§ 20 BBiG). Während der Probezeit sollen beide Vertragsparteien überprüfen können, ob sich die geplanten Ausbildungsziele verwirklichen lassen und ob sich der Auszubildende für den Beruf eignet.

Nach Ablauf der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis von dem Auszubildenden mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen gekündigt werden, wenn er die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen will (sog. „Berufsaufgabekündigung“) (§ 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG).

Kündigung der Ausbildung aus wichtigem Grund

Im Übrigen kann das Berufsausbildungsverhältnis nach Ablauf der Probezeit nur noch aus wichtigem Grund, d. h. außerordentlich, gekündigt werden, und zwar grundsätzlich ohne Einhalten einer Kündigungsfrist (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG). Für das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist darauf abzustellen, ob Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf der Ausbildungszeit nicht zugemutet werden kann. Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung ist die besondere Situation des Berufsausbildungsverhältnisses zu berücksichtigen, d. h. insbesondere die Jugendlichkeit und der Entwicklungsstand des Auszubildenden sowie die Ausbildungs- und Erziehungspflicht des Ausbildenden.

Regelmäßig reichen einmalige Verfehlungen nicht für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung aus. Es muss sich vielmehr um wiederholte Pflichtverletzungen handeln, die den Fortbestand des Berufsausbildungsverhältnisses unzumutbar erscheinen lassen. Im Einzelfall ist jeweils sorgfältig zu prüfen, ob die jeweiligen Gründe den Ausspruch einer Kündigung aus wichtigem Grund – vorbehaltlich der Abwägung im Einzelfall – schon an sich rechtfertigen können. Als außerordentliche Kündigungsgründe kommen grundsätzlich sowohl verhaltens- und personenbedingte als auch ausnahmsweise betriebsbedingte Gründe in Betracht. Bei Ausspruch einer betriebsbedingten außerordentlichen Kündigung ist diese regelmäßig mit einer soziale Auslauffrist auszusprechen. Die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund ist unwirksam, wenn die zu Grunde liegenden Tatsachen dem zur Kündigung Berechtigten länger als zwei Wochen bekannt sind (§ 22 Abs. 4 Satz 1 BBiG). Ist ein vorgesehenes Güteverfahren vor einer außergerichtlichen Stelle eingeleitet, so wird bis zu dessen Beendigung der Lauf dieser Frist gehemmt.

Schadenersatz bei vorzeitiger Vertragsauflösung

Wird das Berufsausbildungsverhältnis nach der Probezeit vorzeitig gelöst, so kann der Auszubildende oder der Ausbildende von der anderen Partei gemäß § 23 BBiG Schadenersatz verlangen, wenn die andere Partei den Grund für die Auflösung zu vertreten hat und die Auflösung nicht auf einer fristgerechten Kündigung des Auszubildenden wegen Aufgabe der Berufsausbildung bzw. Beginn einer Ausbildung für eine andere Tätigkeit beruht.

Wichtig: Eine von diesen Grundsätzen abweichende vertragliche Vereinbarung zum Nachteil des Auszubildenden ist nichtig, § 25 BBiG.

Abschlussprüfung

Mit der ordnungsgemäßen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses ist gemäß § 37 BBiG eine Abschlussprüfung durchzuführen. Der Auszubildende hat Anspruch auf Erstellung eines Abschlusszeugnisses, das sich auf seine Leistungen und auf seine Person bezieht. Auf Antrag hat er Anspruch auf eine englischsprachige und eine französischsprachige Übersetzung des Zeugnisses, § 37 Abs. 3 BBiG.

Reform der Berufsausbildung 2020

Neben der Einführung der Mindestausbildungsvergütung werden mit der Reform des BBiG die Möglichkeiten der Teilzeitberufsausbildung insbesondere für Menschen mit Behinderungen und Geflüchtete erweitert, die Durchlässigkeit innerhalb der beruflichen Bildung wird erhöht. Darüber hinaus ist wesentlicher Schwerpunkt der Novelle die Einführung von neuen Fortbildungsstufen für die höherqualifizierende Berufsausbildung mit neuen Berufsabschlüssen:

  • Erste Stufe: Geprüfter Berufsspezialist/geprüfte Berufsspezialistin (bisher z.B.  Servicetechniker, Fachbearbeiter, Fertigungsplaner im Tischlerhandwerk);
  • Zweite Stufe: Bachelor Professional (entspricht dem bisherigen Meistertitel, der als Bezeichnung ebenfalls erhalten bleibt);
  • Dritte Stufe: Master Professional (z.B. für Betriebswirtschaft, Informatik).

Nicht angetastet wird durch die Reform das auch im internationalen Vergleich vorbildliche duale Prinzip.

Vgl. zum Thema Ausbildung auch:

Dreijährige Verzögerung zwischen Schule und Ausbildung lässt Ausbildungsunterhalt nicht entfallen

Ausbildungsvergütung und Unterhalt

Schlagworte zum Thema:  Arbeitsrecht, Ausbildung