Personenbedingte Kündigung: Rechtsgrundsätze und Voraussetzungen

Eine personenbedingte Kündigung kommt in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis durch Gründe in der Person des Arbeitnehmers gestört wird. Auch wenn er u. U. keinen direkten Einfluss auf diese (fehlende) Fähigkeit,  oder Eigenschaften oder Einstellungen hat, ist die Leistungsstörung im Arbeitsverhältnis so massiv, dass der Arbeitgeber sie nicht hinnehmen muss.

Beispiele für personenbedingte Gründe sind:

  • langanhaltende oder häufige Kurzerkrankungen, 
  • weggefallende Arbeitserlaubnis, 
  • Alkohol-/ Drogenabhängigkeit, 
  • Inhaftierung, Wegfall der fachlichen, körperlichen oder persönlichen Eignung, 
  • Inhaftierung, 
  • Verlust des Führerscheins
  •  Bescheinigung nach Infektionsschutzgesetz. 

Personenbedingte Kündigung wegen Krankheiten 

Die Kündigung wegen Krankheit ist der praktisch bedeutsamste Fall der Kündigung aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers. Entweder sind

  • häufige Kurzerkrankungen (ständig neue kürzere Krankheiten, die Fehlzeiten und neue Entgeltfortzahlungszeiträume auslösen), 
  • lang andauernde Krankheiten (über sechs Wochen hinaus; mit nicht vorhersehbarer Gesundung) 
  • oder  eine dauernde Leistungsunfähigkeit (andauernde Unmöglichkeit, die Arbeitsleistung zu erbringen) zu beklagen.  

Zur Krankheit/Leistungsunfähigkeit muss eine Beeinträchtigung betrieblicher oder wirtschaftlicher Interessen des Arbeitgebers hinzukommen, erst dann ist eine Kündigung zulässig.  Die Kündigung kann während der krankheitsbedingten Abwesenheit des Arbeitnehmers ausgesprochen werden (§ 8 EFZG). 

Die Wirksamkeit aller krankheitsbedingter Kündigungen entscheidet sich anhand von drei einheitlichen Prüfstufen

  1. negative Gesundheitsprognose mit Rückschau auf mindestens 2 bis 3 Jahre, 
  2. erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen (Betriebsablaufstörungen), 
  3. Interessenabwägung 

Negative Gesundheitsprognose als Voraussetzung für krankheitsbedingte Kündigung 

Das Erfordernis einer negativen Gesundheitsprognose klammert einmalige, ausgeheilte Krankheiten oder Fehlzeiten nach Unfällen aus, weil – wenn nicht ausnahmsweise besondere Umstände dies widerlegen – keine Wiederholungsgefahr besteht. 

Bei einer Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen müssen für die Negativprognose zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung

  • objektive Tatsachen vorliegen, 
  • die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang rechtfertigen.  

Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können Indiz für eine ähnliche Krankheitslage in der Zukunft sein. Diese vergangenheitsbezogenen Störungen reichen für sich allein aber nicht aus, da mit der Kündigung nicht vergangene Fehlzeiten bestraft, sondern ein unausgewogenes, zukünftiges Arbeitsverhältnis verhindert werden soll. Häufig ist das Problem, dass der Arbeitgeber die Krankheitsursachen nicht kennt und deshalb nicht abschätzen kann, wie es weiter geht. Er kann das Gespräch mit dem Arbeitnehmer suchen, dieser ist jedoch – zumindest vorprozessual – nicht verpflichtet, Auskunft über seine Krankheiten zu erteilen. Spätestens im Prozess jedoch muss er seine Ärzte von der Schweigepflicht entbinden, wenn er die behauptete negative Gesundheitsprognose angreifen und erschüttern will. 

Bei einer Kündigung wegen lang andauernder Erkrankung muss der Arbeitnehmer 

  • bei Zugang der Kündigung tatsächlich erkrankt sein und  
  • es muss damit zu rechnen sein, dass dieser Zustand noch längere Zeit andauern wird. 

Feste zeitliche Vorgaben bzgl. der Erkrankungsdauer in der Vergangenheit und der wahrscheinlichen Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gibt es leider nicht. Klar ist nur, dass der Arbeitgeber den sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraum (§ 3 EFZG) abwarten muss. Ansonsten geben Entscheidungen des BAG eine Orientierung für wirksame Kündigungen, z.B.:

  • Arbeitnehmer war bereits seit 18 Monaten arbeitsunfähig erkrankt und ein Ende der Krankheit war nicht abzusehen (BAG, Urteil v. 21.5.1992, 2 AZR 399/91); 
  • Arbeitnehmer war bereits acht Monate krank und mit einer Genesung innerhalb der nächsten zwei Jahre konnte nicht gerechnet werden (BAG, Urteil v. 29.4.1999, 2 AZR 431/98).  

Ist das Arbeitsverhältnis als Austauschverhältnis wegen dauernder Leistungsunfähigkeit auf unabsehbar massiv gestört, weil mit immer neuen beträchtlichen Fehlzeiten und entsprechenden Entgeltfortzahlungen zu rechnen ist, kann eine Kündigung zulässig sein, weil die wirtschaftliche Belastung und die extreme Störung des Austauschverhältnisses von ungewisser Dauer dem Arbeitgeber unzumutbar sind (BAG, Urteil v. 27.11.2003, 2 AZR 601/02). 

Exkurs: Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) nach langer Krankheit 

Der Arbeitgeber ist zu einem BEM verpflichtet, wenn ein Beschäftigter 

  • im Laufe der vergangenen zwölf Monate
  • länger als sechs Wochen ununterbrochen oder  
  • wiederholt mit mehr als 30 Fehltagen (Krankentagen) oder 42 Kalendertagen innerhalb der vergangenen zwölf Monate arbeitsunfähig war (§ 167 Abs. 2 SGB IX).  

Ablauf des BEM:

  1. Einladung 
  2. Erstgespräch 
  3. Umsetzung der Maßnahmen 
  4. (Zweitgespräch)

Der betroffene Mitarbeiter wird schriftlich vom Arbeitgeber eingeladen. Der Angestellte kann frei entscheiden, ob er von dem BEM-Angebot Gebrauch macht oder nicht. Wird das Angebot vom Beschäftigten abgelehnt, ist das Verfahren an dieser Stelle abgeschlossen.  

Stimmt der Mitarbeiter zu, findet das Erstgespräch entweder mit dem BEM-Verantwortlichen allein oder mit weiteren Beteiligten statt. Der Beschäftigte kann vorab angeben, welche Beteiligte er beim Erstgespräch dabeihaben möchte (z.B. Betriebsrat, Schwerbehindertenvertretung, Betriebsarzt, Gleichstellungsbeauftragte).  

Ziel dieses Gesprächs ist es herauszufinden, was Grund für die Fehlzeiten ist und ob diese vielleicht mit den Arbeitsbedingungen zusammenhängen. Im nächsten Schritt wird nach zielgerichteten Maßnahmen für eine hilfreiche Veränderung gesucht. Hier gibt es eine ganze Palette von Möglichkeiten, die vom Einzelfall und der Phantasie der Beteiligten abhängt. Denkbare Maßnahmen können beispielsweise sein:

  • die Beantragung einer Kurmaßnahme, 
  • die Veränderung des Arbeitsplatzes (z. B. Ausstattung mit einem Stehpult oder spezieller Computermaus),  
  • die Verpflichtung zu einem Gespräch bei einem Reha-Berater der Rentenversicherung  
  • die Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz.  

Die vereinbarten Maßnahmen werden in einem Protokoll zusammengefasst und mit einem Reflexionszeitpunkt (z. B. ein Jahr bis zum Zweitgespräch) verbunden.  Ändert sich auch nach dem BEM an den Krankheitszeiten nichts, kommt die Kündigung in Betracht, wenn alle anderen Voraussetzungen vorliegen. 

Sind die betrieblichen Interessen durch die Krankheit beeinträchtigt? 

Bei häufigen Kurzerkrankungen sind Störungen im Betriebsablauf wegen wiederholter Ausfallzeiten des Arbeitnehmers denkbar als 

  • Stillstand von Maschinen, 
  • Rückgang der Produktion wegen erst einzuarbeitenden Ersatzpersonals,
  • Überlastung des verbliebenen Personals
  • oder Abzug von an anderer Stelle benötigten Arbeitskräften etc. 

Derartige Störungen zählen erst dann als Kündigungsgrund, wenn sie nicht durch Überbrückungsmaßnahmen vermeidbar sind, z.B. durch die Neueinstellung einer Aushilfskraft, durch Einsatz eines Arbeitnehmers aus einer Personalreserve, was in großen Betrieben einfacher ist als in kleinen.  

Gleichzeitig können wirtschaftliche Interessen des Arbeitgebers erheblich beeinträchtigt sein. Der Arbeitgeber kann z.B. Kosten für die Beschäftigung einer Ersatzkraft oder  für Überstundenzuschläge der verbleibenden Mitarbeiter ins Feld führen. Von einer ungleichgewichtigen Störung des Arbeitsverhältnisses geht man aber schon dann aus, wenn in Zukunft mit Entgeltfortzahlungskosten für mehr als sechs Wochen pro Jahr zu rechnen ist. 

Bei länger andauernden Erkrankungen kann üblicherweise nicht auf die Kosten der Entgeltfortzahlung abgestellt werden, da diese nach sechs Wochen endet. Die wirtschaftlichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers können aber dadurch erheblich beeinträchtigt sein, dass der Arbeitnehmer Urlaubsansprüche anhäuft und  nicht absehbar ist, wann der Mitarbeiter seine Arbeit wieder aufnimmt. 

All dies gilt auch und erst recht bei dauernder Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Bei einem Arbeitsverhältnis, bei dem feststeht, dass der Arbeitnehmer in Zukunft die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann, ist schon aus diesem Grunde das Arbeitsverhältnis auf Dauer ganz erheblich gestört (BAG, Urteil v. 13.5.2015, 2 AZR 565/14). 

Auch bei der krankheitsbedingten Kündigung ist zu erwägen, ob es mildere Mittel als die Beendigungskündigung gibt. Kann der Arbeitnehmer beispielsweise im Wege des Direktionsrechts oder zumindest im Wege der Änderungskündigung auf einen freien Arbeitsplatz versetzt werden, auf dem er trotz seines Leidens störungsfrei weiterarbeiten kann, geht das der endgültigen Kündigung vor. 

Interessenabwägung vor krankheitsbedingter Kündigung 

Ist die Gesundheitsprognose negativ und sind betriebliche Interessen des Arbeitgebers erheblich beeinträchtigt, ist im letzten Schritt zu prüfen, ob diese Beeinträchtigungen aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls vom Arbeitgeber noch hinzunehmen sind  oder ein solches Ausmaß erreicht haben, dass sie ihm nicht mehr zuzumuten sind. In diese Abwägung soll einfließen, 

  • ob die Erkrankung betriebliche Ursachen hat (Lärm, Staub, Hitze etc.),
  • ob die Erkrankung selbst verschuldet ist, 
  • ob bzw. wie lange das Arbeitsverhältnis zunächst ungestört verlaufen ist,
  • „außergewöhnlich hohe“ Entgeltfortzahlungskosten (mit Blick auf das bisherige gesamte Arbeitsverhältnis),
  • Höhe der durchschnittlichen Ausfallquote vergleichbarer Arbeitnehmer (Gruppenvergleich),
  • mögliche und zumutbare weitere Überbrückungsmaßnahmen des Arbeitgebers,
  • soziale Kriterien (Alter, Unterhaltspflichten, Aussichten auf dem Arbeitsmarkt, Schwerbehinderung). 

Andere personenbedingte Kündigungsgründe 

Beispielhaft und kurz werden nachfolgend weitere personenbedingte Gründe für eine Kündigung erörtert.  

AIDS ist nur im Ausnahmefall Kündigungsgrund 

Eine AIDS-Infektion kann nur im Ausnahmefall wirksame Kündigung begründen, dann nämlich, wenn andere gefährdet würden, z.B. bei einer Tätigkeit als Krankenpfleger oder Arzt.  

Eine AIDS-Erkrankung richtet sich nach den Grundsätzen der krankheitsbedingen Kündigung. Je nach dem Stadium der Erkrankung kommt eine Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen oder einer Langzeiterkrankung in Betracht. Eine Negativprognose ist regelmäßig gegeben, da derzeit keine Heilungschancen bei Ausbruch der Krankheit bestehen.  

Kündigung bei Verlust der Arbeits- und Berufsausübungserlaubnis 

Übt der Arbeitnehmer eine Tätigkeit aus, für die eine Arbeits- oder eine bestimmte Berufsausübungserlaubnis nötig ist, so kann deren Fehlen oder ihr späterer Fortfall die personenbedingte Kündigung jedenfalls dann rechtfertigen, wenn mit einer Wiedererteilung der Erlaubnis nicht zu rechnen ist (BAG, Urteil v. 07.12.2000, 2 AZR 459/99).  

Beispiele sind die Fahrerlaubnis für Berufskraftfahrer, die Fluglizenz für Piloten, die ärztliche Approbation für Ärzte, der Waffenschein im Sicherheitsgewerbe, die Ermächtigung zum Umgang mit Verschlusssachen im öffentlichen Dienst, die Bescheinigung des Gesundheitsamts für Köche u.s.w. 

Geht es um eine erforderliche Prüfungsleistung zur Aufrechterhaltung einer Lizenz, muss der Arbeitgeber dem Mitarbeiter einen zweiten Anlauf zugestehen, bevor er zum Mittel der Beendigungskündigung greift, jedenfalls dann, wenn das Bestehen realistisch erscheint (BAG, Urteil v. 26.11.2009, 2 AZR 272/08). 

Gewissens- oder Glaubenskonflikte als Kündigungsgrund

Die Arbeitsgerichtsbarkeit wurde des Öfteren mit Fällen beschäftigt, in denen sich Arbeitnehmer aufgrund ihrer persönlichen Einstellung zu bestimmten Themen oder wegen ihres Glaubens weigerten, Arbeiten zu erledigen, z.B. 

Verkäuferin in einem Schallplattengeschäft, die sich weigerte, CDs der als rechtsextrem geltenden Rockgruppe „Böhse Onkelz“ zu verkaufen (ArbG Hamburg, Urteil v. 22. 10. 2001, 21 Ca 187/01), 

Pharmakologin in der Forschungsabteilung eines Chemieunternehmens, die – auch militärisch nutzbare – Mittel gegen die Strahlenkrankheit testen soll (BAG, Urteil v. 24.05.1989, 2 AZR 285/88), 

Muslimischer Regalauffüller, der alkoholische Getränke einräumen sollte (BAG, Urteil v. 24.2.2011, 2 AZR 636/09). 

Der Konflikt, in dem sich der Arbeitnehmer befindet, muss ernsthaft sein. Dabei kommt es auf eine subjektive Sichtweise an. Hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber sein Problem offenbart, ist dieser gehalten für den Mitarbeiter eine andere Tätigkeit zu finden, bei dem der Gewissens-/Glaubenskonflikt nicht besteht. Erst wenn das nicht möglich ist, kommt eine personenbedingte Kündigung in Betracht, weil dem Arbeitnehmer dann die Eignung für die arbeitsvertragliche Leistung fehlt. 

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