Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitszeitbetrug, fristlose Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein (versuchter) Arbeitszeitbetrug dergestalt, dass zunächst korrekt verbuchte Arbeitszeiten, die Verspätungen enthalten, durch Korrekturbelege an den an sich geschuldeten Arbeitsbeginn angepasst weden sollen, ist ein an sich für eine fristlose Kündigung geeigneter Grund.

2. Dies gilt auch und gerade dann, wenn es sich um relativ geringfügige Verspätungen handelte, die der Arbeitgeber voraussichtlich nicht einmal sanktioniert hätte. Eine Abmahnung ist im konkreten Fall nicht erforderlich.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Aktenzeichen 6 Sa 494/20)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Streitwert: 8.355,– EUR.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung.

Die Beklagte beschäftigt in ihrem Betrieb etwas mehr als 200 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat ist vorhanden.

Der Kläger ist 29 Jahre alt und seit dem 29.06.2017 bei der Beklagten als Zerspanungsmechaniker/Betriebsmittelbauer zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 2.785,– EUR beschäftigt. Auf den Arbeitsvertrag der Parteien (Bl. 41 ff. d.A.) wird Bezug genommen.

Am 21.05.2019 war der Kläger zur Frühschicht eingeteilt, die um 06:00 Uhr begann. Der Kläger betrat um 06:40 Uhr das Betriebsgelände. Er stempelte sich daraufhin nicht ein, sondern reichte in der Folgezeit einen Antrag auf Arbeitszeitkorrektur ein, in welchem er angab, von 06:00 bis 14:45 Uhr seine Schicht verrichtet zu haben.

In einem Gespräch vom 27.05.2019 gab der Kläger diesen Sachverhalt nach anfänglichem Bestreiten zu. Auf das Protokoll des Gesprächs (Bl. 44 d.A.) wird Bezug genommen.

Die Beklagte erteilte dem Kläger eine Abmahnung wegen Arbeitszeitbetrugs, auf die ebenfalls Bezug genommen wird (Bl. 44R d.A.).

Im Herbst 2019 wurde eine außerordentliche Betriebsratswahl eingeleitet, bei der sich der Kläger zur Wahl stellte.

Am 31.10.2019 und 04.11.2019 war der Kläger wiederum jeweils zur Frühschicht eingeteilt. Er betrat das Gebäude am 31.10.2019 um 06:05 Uhr und am 04.11.2019 um 06:03 Uhr. Mit Korrekturanträgen vom 04.11.2019 (bezüglich des 31.10.2019) und 11.11.2019 (bezüglich des 04.11.2019) begehrte er die Korrektur der Arbeitszeit jeweils auf Arbeitsbeginn 06:00 Uhr. Auf die Korrekturanträge (Bl. 45 bzw. Bl. 45R), die mit „Karte vergessen” bzw. „Stempelfehler” begründet wurden, wird Bezug genommen.

Am 11.11.2019 kam es zu einem weiteren Gespräch, in welchem der Kläger die vorstehenden Umstände zugab.

Mit Schreiben vom 12.11.2019 beantragte die Beklagte beim Betriebsrat die Zustimmung zur fristlosen Kündigung des Klägers. Auf das Schreiben (Bl. 46–47 d.A.) wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 14.11.2019, auf das Bezug genommen wird (Bl. 47R d.A.) stimmte der Betriebsrat der fristlosen Kündigung zu.

Mit Schrieben vom 18.11.2019 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgemäß. Auf das Schreiben (Bl. 48 d.A.) wird Bezug genommen. Die Kündigung ging dem Kläger am 18.11.2019 zu.

Der Kläger hat sich mit am 09.12.2019 beim Arbeitsgericht eingegangener Kündigungsschutzklage gegen diese Kündigung gewandt.

Der Kläger trägt vor, er habe sich in einer schwierigen Phase befunden und unter Schlafstörungen gelitten. Die Kündigung sei insgesamt unverhältnismäßig, was sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ergebe.

Der Kläger beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 18.11.2019 nicht beendet wird;
  2. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Zerspanungsmechaniker weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, das Verhalten des Klägers, trotz einschlägiger Abmahnung dieselben schweren Verstöße wieder zu begehen, zeige, dass eine Wiederholungsgefahr bestehe, sodass eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses unumgänglich sei. Das Vertrauen sei unwiederbringlich zerstört.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die Sitzungsniederschriften vom 21.01.2020 und 28.05.2020 sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage hatte keinen Erfolg.

A. Die Kündigungsschutzklage ist unbegründet.

I. Zwar hat der Kläger die Klage gem. § 13 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 4 S. 1 KSchG rechtzeitig erhoben.

II. Die Kündigung der Beklagten begegnet jedoch keinen Bedenken.

1. Ein Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung liegt vor.

a) Ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn Tatsachen gegeben sind, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für...

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