Entscheidungsstichwort (Thema)

Abmahnung kein Rechtfertigungsgrund für anschließende Verschleierung von weiteren Pflichtverletzungen. Differenz von wenigen Minuten zwischen tatsächlicher und aufgeschriebener Arbeitszeit als ausschlaggebender Grund für Pflichtverletzung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine vom Arbeitgeber berechtigterweise ausgesprochene Abmahnung ist nicht geeignet, die Verschleierung des nächsten Vertragspflichtverstoßes zu rechtfertigen.

 

Normenkette

BGB § 626; KSchG § 15 Abs. 3; ZPO § 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Entscheidung vom 28.05.2020; Aktenzeichen 3 Ca 3947/19)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 28.05.2020 - 3 Ca 3947/19 - wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung.

Der Kläger ist 30 Jahre alt. Er war seit dem 29.06.2017 bei der Beklagten als Zerspanungsmechaniker / Betriebsmittelbauer beschäftigt. Vereinbarungsgemäß erhielt er zuletzt ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 2.785,00 EUR. Bei der Beklagten sind mehr als 200 Beschäftigte tätig, ein Betriebsrat ist gewählt.

Der Kläger war am 21.05.2019 zur Frühschicht eingeteilt, die um 6:00 Uhr beginnt. Erst um 6:40 Uhr betrat der Kläger das Betriebsgelände. Dabei unterließ er es, sich in das Zeiterfassungssystem einzustempeln. Später beantragte er mit einem dafür vorgesehenen Formular eine Arbeitszeitkorrektur. Auf dem besagten Formular gab er an, von 6:00 Uhr bis 14:45 Uhr gearbeitet zu haben. Nachdem dieses Verhalten offenkundig geworden war, sprach die Beklagte dem Kläger gegenüber eine Abmahnung aus.

Im Herbst des Jahres 2019 wurde im Betrieb der Beklagten eine außerordentliche Betriebsratswahl eingeleitet, im Rahmen derer der Kläger als Wahlbewerber auftrat. Für zwei Tage, nämlich für den 31.10.2019 und den 04.11.2019, stellte der Kläger erneut fehlerhafte - also von der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit abweichende - Anträge auf Arbeitszeitkorrekturen. Diese begründete er auf den Korrekturformularen unzutreffend mit "Karte vergessen" bzw. "Stempelfehler". Am 11.11.2019 wurde der Kläger durch die Beklagte zum Vorwurf angehört, er habe durch die fehlerhaften Korrekturanträge über den Umfang der von ihm geleisteten Arbeitszeit getäuscht. Am 12.11.2019 beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat die Zustimmung zu der von ihr beabsichtigten fristlosen Kündigung. Zwei Tage später stimmte der Betriebsrat antragsgemäß zu. Mit Schreiben vom 18.11.2019, am selben Tage beim Kläger zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos.

Mit der seit dem 09.12.2019 beim Arbeitsgericht Aachen anhängigen Klage hat sich der Kläger gegen die ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung gewandt und die Verurteilung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung beantragt. Zur Begründung der Klage hat er vorgetragen, er habe sich in einer schwierigen Lebensphase befunden und deshalb unter Schlafstörungen gelitten. Er habe einige Male verschlafen und sei dann zu spät zur Arbeit erschienen. Nach seiner Auffassung sei die Kündigung unverhältnismäßig.

Zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages hat die Beklagte vorgetragen, mit der erneuten Falscheintragung der Arbeitszeiten habe der Kläger das Vertrauensverhältnis endgültig zerstört. Der Kläger habe sich beharrlich schwerer Vertragspflichtverstöße schuldig gemacht und sein Verhalten trotz einschlägiger Abmahnung fortgesetzt.

Das Arbeitsgericht Aachen, hat die Klage insgesamt abgewiesen mit der Begründung, mit der fehlerhaften Arbeitszeiteintragung nach einschlägiger Abmahnung liege ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vor, der die vom Kläger angegriffene fristlose Kündigung rechtfertige. Der Schwerpunkt des die Kündigung rechtfertigenden Vertrauensverstoßes liege weniger in der Tatsache, dass der Kläger wiederholt verschlafen habe, sondern vielmehr in der Vertuschung des Zuspätkommens durch die fehlerhaften Eintragungen der Arbeitszeiten in den Korrekturformularen. Angesichts des geringen Lebensalters und der nur kurzen Betriebszugehörigkeit einerseits und des durch die heimliche Vertuschung vertieften Vertrauensverstoßes andererseits, falle die Interessenabwägung zu Ungunsten des Klägers aus. Eine zum Schutz ihrer Vermögensinteressen gleich geeignete und erforderliche Maßnahme, die weniger in die Interessen des Klägers eingreife, sei nicht ersichtlich, die Kündigung damit auch verhältnismäßig.

Gegen dieses ihm am 19.06.2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.07.2020 Berufung eingelegt und er hat diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 18.09.2020 begründet.

Der Kläger trägt zur Begründung seiner Berufung vor, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht die Vertuschung des Zuspätkommens in den Vordergrund gestellt. Ihm sei nicht vermittelt worden, er habe eine Kündigung nicht befürchten müssen, wenn er seine Verspätungen nur offen zugebe. Das Gegenteil sei der Fall gewesen. Von seinem Vorges...

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