Emotionale Intelligenz mit dem EQ messen und steigern

Zu lange seien Emotionen im Arbeitsalltag verdrängt und unterdrückt worden, meint die Dozentin Anna Rostoyman. Sie hat zum Thema "Linguo-kognitive Analyse von Emotionen" promoviert und plädiert dafür, Emotionen wieder mehr Raum zu geben im Job – und den Emotionalen Quotienten als messbare Größe zu verwenden, die sich steigern lässt.

Im Arbeitsumfeld haben wir sehr lange nicht auf unsere Emotionen geachtet. Das hat dazu geführt hat, dass uns über Jahrhunderte ein System begleitete, welches uns auf die Anerkennung durch Bewertungen von außen konditionierte und der Selbstachtung wenig bis keine Bedeutung beimaß. Die Illusion vom fehlerfrei funktionierenden Menschen wurde zu lange aufrechterhalten, sodass psychische Erkrankungen zunahmen.

In unserem täglichen Leben kooperieren wir auf der Grundlage unserer Kognition, die sich aus dem emotionalen und rationalen Verstand zusammensetzt. Diese beiden haben Einfluss auf unsere Entscheidungen, insbesondere in Führungspositionen. Ein entscheidender Faktor ist hierbei die emotionale Intelligenz, auch "empathische Intelligenz" genannt.

Emotionale Intelligenz: Definition

Der Begriff "Emotionale Intelligenz" (EI) wird heutzutage sehr oft als eine der Erfolgsvoraussetzungen für Führung verwendet. Er wurde von Peter Salovey und John Mayer in den 1990er Jahren  als die Fähigkeit definiert, die eigenen Emotionen sowie die Emotionen anderer Menschen zu überwachen, zwischen verschiedenen Emotionen zu unterscheiden, sie angemessen zu benennen und emotionale Informationen zu nutzen, um Denken und Verhalten zu lenken.

Diese Definition wurde später vom amerikanischen Psychologen Daniel Goleman in seinem Buch "Emotional Intelligence: Why it can matter more than IQ" von 1995 in vier vorgeschlagene Fähigkeiten der emotionalen Intelligenz heruntergebrochen und verfeinert, nämlich Emotionen wahrzunehmen, zu nutzen, zu verstehen und bei Aktivitäten des täglichen Lebens zu handhaben.

Vier Fähigkeiten emotional intelligenter Menschen

Betrachten wir nun diese unterschiedlichen, aber zusammenhängenden Prozesse etwas näher (nach Goleman, 1995):

  1. Emotionen wahrnehmen: die Fähigkeit, emotionale Botschaften von der Außenwelt zu empfangen und Emotionen in Gesichtern, Bildern, Stimmen und kulturellen Artefakten zu erkennen. Dazu gehört nicht nur, die Emotionen anderer wahrzunehmen, sondern auch die Fähigkeit, die eigenen Gefühle und Emotionen zu erkennen. Das Wahrnehmen von Emotionen stellt einen grundlegenden und erdenden Aspekt der emotionalen Intelligenz dar, da es alle anderen Verarbeitungen emotionaler Informationen ermöglicht.
      
  2. Emotionen nutzen: die Fähigkeit, Emotionen einzusetzen, um verschiedene kognitive Aktivitäten wie Denken und Problemlösungsaktivitäten zu erleichtern. Die emotional intelligente Person kann ihre wechselnden Stimmungen voll auszunutzen, um verschiedenen Aufgaben am besten zu lösen. Daneben kann sie auch eigene Emotionen nutzen, um durch Gestik, Mimik, und gefühlsbetonten Worte und Phrasen als positive und/oder negative Verstärker emotional auf andere einzuwirken.
      
  3. Emotionen verstehen: die Fähigkeit, emotionale Sprache zu verstehen und die Emotionen anderer zu verstehen, um gesunde Beziehungen aufrechtzuerhalten; zum Beispiel im Kommunikationsprozess, bei dem versucht wird, den Standpunkt der anderen Person, ihre Absichten, inneren Motivationen, Gefühle, Überzeugungen, Wünsche, Bestrebungen usw. zu verstehen. Es beinhaltet auch das Verständnis der leichten Variationen zwischen positiven und negativen Emotionen und die Fähigkeit zu erkennen und zu beschreiben, wie sich Emotionen im Laufe der Zeit in der zwischenmenschlichen Interaktion entwickeln.
      
  4. Mit Emotionen umgehen: die Fähigkeit, Emotionen sowohl bei sich selbst als auch bei anderen zu regulieren. Eine emotional intelligente Person kann sich auf die Emotionen einstellen – auch auf negative – und sie steuern, um die beabsichtigten Ziele in Übereinstimmung mit ihren Wünschen zu erreichen. Dazu gehört auch das Management von Emotionsäußerungen auf verbaler und nonverbaler Ebene.

Alle oben genannte Prozesse sind eng miteinander verflochten und existieren nicht getrennt, sodass wir sie in unserem täglichen Leben, während wir miteinander interagieren, ständig praktizieren, was die Grundlage unserer emotionalen Erfahrungen ist.

Den EQ erhöhen: zehn Strategien

Die emotionale Intelligenz lässt sich messen – mithilfe des Emotionalen Quotienten, EQ. Untersuchungen und verschiedene Studien haben gezeigt, dass der EQ – im Gegensatz zum IQ – kein festes Phänomen ist. Der EQ kann durch Übungen gesteigert werden. Auf Grundlage meiner Forschungsarbeiten zu Emotionen habe ich zehn Strategien zusammengestellt, die dazu beitragen können, das EQ-Niveau zu erhöhen (Erstveröffentlichung in "European Business Review", 2022).

  1. Achten Sie auf Ihre eigenen Emotionen sowie auf die Emotionen anderer um Sie herum.
    Tatsächlich können wir den ganzen Tag über sehr unterschiedliche Emotionen und Gefühle verspüren, derer wir uns oft nicht vollständig bewusst sind. Wenn Sie versuchen, genau diese Emotionen bei sich selbst und bei anderen zu verstehen, die ebenfalls versuchen, sie und ihre Gründe und Ursachen zu identifizieren, sind Sie besser in der Lage, angemessen mit ihnen umzugehen.
     
  2. Verwalten Sie Ihre Emotionen.
    Der Arbeitsplatz ist eine Quelle vieler hitziger Gespräche und emotional schwieriger Situationen, mit denen man umgehen soll. Von uns wird erwartet, dass wir unsere Wut nicht ständig dramatisch zur Schau stellen. Obwohl wir manchmal einen Teil davon zeigen können, wenn ein Kollege oder eine Kollegin etwas falsch macht, damit er oder sie  versteht, dass er oder sie schuld ist. Dies bringt uns zu der Erkenntnis, dass wir den Ausdruck unserer Emotionen am Arbeitsplatz nach einigen vordefinierten professionellen Darstellungsregeln steuern müssen.
     
  3. Versuchen Sie, sich in die Lage des anderen zu versetzen.
    Je mehr wir versuchen, die Perspektiven anderer zu verstehen, desto einfacher wird es für uns sein, etwaige Bedenken, Zweifel und/oder Probleme zu verstehen. Dies ist ein Schritt vorwärts in Richtung Empathiefähigkeiten, die uns hilft, uns harmonisch auf die Welt um uns herum einzustellen, was den höchsten Grad an emotionaler Intelligenz darstellt.
     
  4. Hören Sie zu, bevor Sie sprechen.
    Zuhören ist eine sehr wichtige Fähigkeit – sogar wichtiger als das Sprechen. Denn wenn wir zuhören, versuchen wir zu verstehen, was der oder die andere mitteilen möchte. Wir haben also einen Mund zum Sprechen, aber zwei Ohren zum Zuhören. Daher sollten wir mehr auf die Bedürfnisse unserer Mitarbeitenden hören, als dass wir sprechen und Anweisungen geben.
     
  5. Zählen Sie bis zehn, bevor Sie auf Wut reagieren.
    Wenn Sie sich in einer hitzigen emotionalen Situation befinden, verlieren Sie möglicherweise die Kontrolle über Ihre Emotionen und zeigen diese, manchmal in sehr übertriebener Weise, was Sie später möglicherweise bereuen. Versuchen Sie also, sich zu beruhigen, bevor Sie wütend reagieren, um daraus resultierende harte verbale Konflikte zu vermeiden.
     
  6. Antworten Sie, anstatt zu reagieren.
    Unter Reagieren versteht man, dass wir unbewusst einen emotionalen Auslöser erleben, der durch einen äußeren Reiz verursacht wird und uns dazu bringt, eine bestimmte Emotion oder ein bestimmtes Gefühl nach außen auszudrücken. Wenn wir stattdessen antworten, nehmen wir wahr, wie wir uns fühlen, und entscheiden bewusst darüber, wie wir angemessen, harmonisch und kooperativ auf diejenigen reagieren sollen, mit denen wir interagieren.
     
  7. Fragen Sie, wenn Sie etwas nicht wissen.
    Von Ihnen wird nicht erwartet, dass Sie ein "Besserwisser" sind. Wenn Sie also das Gefühl haben, dass Sie zusätzlichen Rat benötigen, fragen Sie danach. Denn wer sich des Fragens schämt, schämt sich auch des Lernens, was in der Tat ein nie endender Prozess ist.
     
  8. Entschuldigen Sie sich direkt, wenn Sie ein Verschulden begangen haben.
    Nichts hilft uns schneller, Vertrauen und Beziehungen aufzubauen, als zu unseren Fehlern zu stehen und sich zu entschuldigen. Denn dadurch entstehen unsere authentischen Bilder mit all unseren Fehlern und allem, da wir Menschen keine perfekten Geschöpfe sind.
     
  9. Schaffen Sie ein emotional sicheres und positives Arbeitsumfeld.
    Eine gesunde Arbeitsatmosphäre ist einer der Grundpfeiler für den Erfolg eines Unternehmens, in dem sich alle Mitarbeitenden mit ihren Zweifeln und Sorgen wertgeschätzt fühlen.
     
  10. Loben Sie mehr, wenn Ihre Mitarbeitenden gute Arbeit leisten.
    Tatsächlich streben wir alle nach Anerkennung, und wenn wir gelobt werden, fühlen wir uns wertvoller und verpflichten uns sogar, unsere Fähigkeiten und Leistungen zu verbessern. Üben Sie diese Maßnahmen an Ihrem Arbeitsplatz und Sie müssen nicht lange auf die Ergebnisse warten, da Sie von der Steigerung Ihrer emotionalen Intelligenz erheblich profitieren werden.


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