Der Mentor ist immer dabei
Viele Unternehmen, vor allem größere, haben Mentoring-Programme aufgesetzt. In manchen Branchen – wie dem Gesundheitswesen – steht sogar dem Großteil der Führungskräfte ein Mentor zur Seite. Doch ob Unternehmen damit wirklich erreichen, was sie sich vorstellen – nämlich Bewerber anzuziehen, Mitarbeiter zu binden, deren Karriere zu fördern und den Wissenstransfer zwischen älteren und jüngeren Mitarbeitern zu verbessern?
Mentoring-Programme: attraktiv oder abschreckend?
Diesen Frage wurden bereits mehrere Studien gewidmet. Eine aktuelle Studie der Wirtschaftshochschule International School of Management (ISM) gibt nun Aufschluss über die Wahrnehmung von Mentoring-Programmen in Stellenanzeigen. Die beiden Studienautoren Professor Ulrike Weber und Professor Ute Rademacher, Hochschullehrerinnen an der ISM in Hamburg, untersuchten, wie die Zielgruppe der 18- bis 35-Jährigen, die manche als "Generation Y" bezeichnen, darauf reagiert, wenn Unternehmen in Stellenausschreibungen mit ihrem Mentoring-Programm werben. An der Studie nahmen 113 Studenten und Absolventen teil.
Die Wissenschaftler stellten dabei fest, dass Stellenausschreibungen in Kombination mit einem Mentoren-Programm generell zu positiven Erwartungen hinsichtlich des Unternehmens, der Unternehmenskultur und der eigentlichen Tätigkeit führen: Denn die Bewerber erwarten dann von ihrem potenziellen Arbeitsplatz eher vielfältige, abwechslungsreiche und wichtige Aufgaben.
Bewerber fürchten Kontrolle durch den Mentor
Allerdings beobachteten die Forscher auch einen negativen Effekt: "Die Bewerber verbinden mit einem Mentoring-Angebot auch ein stärkeres Maß an sozialer Kontrolle und den Verlust von Selbstständigkeit", sagt Co-Studienautorin Weber. Die Bewerber befürchteten, die Erwartungen der Mentoren nicht erfüllen zu können oder zu wollen.
Aus dieser Beobachtung schlussfolgern die beiden Wissenschaftlerinnen, dass bei den jungen Bewerbern das Streben nach Autonomie im Konflikt mit der Orientierungsfunktion der Mentoren steht. Unternehmen sollten diesen Punkt durchaus ernst nehmen, raten sie. Denn kaum etwas sei der "Generation Y" so wichtig wie Selbstbestimmung, so ihre Überzeugung.
Lösungen: Mentoren sensibilisieren, Peer-Mentoring einsetzen
Was können Unternehmen tun, damit ihre Investitionen in die organisationsintensiven Mentoring-Programme auch der Arbeitgeberattraktivität zugutekommen und die Erwähnung solcher Programme potenzielle Bewerber nicht im schlimmsten Fall sogar abschreckt?
Die Studienautoren glauben, dass die Sensibilisierung potenzieller Mentoren für die Wünsche und Befürchtungen der Mentees eine hilfreiche Maßnahme oder Vorbereitung auf die Treffen darstellen könnte. Auch Mentoring unter Peers – also zwischen Mitarbeitern der gleichen Ebene – könnte ein Lösungsansatz sein, schreiben die ISM-Professorinnen. "Wie sich die Unternehmen auch entscheiden werden – sie kommen nicht umher, das Erfolgsrezept Mentoring individuell auf ihre Zielgruppe und organisatorischen Ziele abzustimmen", lautet ihr Resümee.
Vielleicht müssten Personaler aber auch in den Stellenauschreibungen einfach kurz erklären, was Mentoring eigentlich ist: Wenn viele Kandidaten Mentoring als Kontrollinstrument einschätzen, könnte das auch einfach ein Indiz dafür sein, dass ihnen das Konzept nicht bekannt ist.
Mentoring zur Mitarbeiterbindung: wenig verbreitet
Dass Unternehmen sich dabei schwer tun, Mentoring-Programmen zur Mitarbeiterbindung einzusetzen, hat eine Studie im Auftrag des Personaldienstleisters Office Team aus dem Jahr 2015 gezeigt: Damals setzten nur 14 Prozent der Unternehmen auf interne Mentoring-Programme zwischen erfahrenen und weniger erfahrenen Mitarbeitern.
Einige HR-Manager hatten das Potenzial der Methode allerdings schon damals erkannt: Immerhin 13 Prozent gaben an, künftig ein solches Programm entwickeln zu wollen.
Effektivität von Mentoring: in allen Bereich schwach
Wie es um die Effektivität von Mentoring bestellt ist, haben die Professoren Torsten Biemann, der an der Universität Mannheim Personalmanagement und Führung lehrt, und Heiko Weckmüller von der FOM-Hochschule für Ökonomie und Management in Bonn im Jahr 2014 auf Basis von verschiedenen Metanalysen untersucht. Sie stellten fest: Mentoring kommt nachweislich sowohl dem Geförderten, dem Mentee oder Protégé zugute, als auch dem eigentlich Fördernden, dem Mentor.
Die positiven Effekte auf den subjektiv empfundenen Karriereerfolg und die Arbeitszufriedenheit seien jedoch nur schwach, folgerten die beiden Professoren. Die Bindung an den Arbeitgeber werde kaum gestärkt.
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