Kolumne Talent Management: Was die Generation Y antreibt

Was motiviert Arbeitnehmer? Dieser schwierigen Frage geht unser Kolumnist Martin Claßen heute nach - und findet wesentlich mehr Anhaltspunkte als Macht und Geld. Vor allem die viel zitierte "Generation Y" scheint anders zu ticken.

Früher war die Welt einfach zu verstehen, die Erde war ihr Mittelpunkt, die Götter hatten das Sagen und der kleine Mensch kämpfte um sein Dasein. Inzwischen ist alles etwas vertrackter: Der blaue Planet verliert sich im unendlichen Weltall. Medien wie spiegel.de und bild.de rangeln um Deutungshoheit. Jedes Individuum erspürt Tag für Tag seine ganz persönliche Befindlichkeit.

Auch die Business-Welt ist komplizierter geworden. In der Vergangenheit waren die Antreiber der allermeisten Führungskräfte noch eindeutig: Geld – Macht – Status. Ein Manager ließ sich durch mehr Money, mehr Einfluss und mehr Ansehen motivieren. Es war die Zeit, in der samstags ein Daimler vom Fahrer vor der Villa gewaschen wurde und zwar so, dass dies von den Nachbarn gesehen werden musste. Das war natürlich nicht ganz einfach, weniger wegen Daimler, Fahrer und Villa, als den Nachbarn die Sichtbezüge zu ermöglichen, wegen der von Sonntag bis Freitag zur Abschottung geschätzten Thujahecken.

Andere Motivatoren lösen Geld und Macht ab

Die Zeiten haben sich geändert, gerade bei den Motivatoren. In einer individuellen und entgrenzten Welt geht es den Menschen um andere Werte, wie der Trendforscher Peter Wippermann und das Meinungsforschungsinstitut Infratest mit ihrem Werteindex 2014 belegen. Dazu haben sie die sozialen Medien textanalytisch untersucht. Da "Social Media" das Tummelfeld der Generation Y ist, bildet dieser Werteindex folglich die Antreiber von jüngeren Talenten ab.

Zum Wert Nummer Eins wird "Gesundheit" gekürt. Nummer Zwei ist "Freiheit" (was unseren Bundespräsidenten freuen wird). Auf dem dritten Platz steht "Erfolg". "Anerkennung" verharrt auf einem mäßigen Platz acht. Die auch von mir vielbeschworene Wertschätzung scheint im Vergleich mit anderen Werten beim Nachwuchs eher zweitrangig zu sein. Was ich erstaunlich finde, wenn ich mir bekannte Vertreter der Generation Y anschaue, die allesamt ein tiefes Bedürfnis nach Anerkennung aufweisen.

Maslow’sche Bedürfnisse 2.0

Vermutlich handelt es sich dabei um eine Weiterentwicklung der bekannten Maslow´schen Bedürfnishierarchie, die von Inglehart zur Postmaterialismusthese genutzt wurde. Wenn die materialistischen Basiswerte weitgehend erfüllt sind, sagten beide, kommen höhere Werte in den Blick.

Also rufe ich hier und jetzt meine Postanerkennungsthese aus. Denn die Generation Y hat in ihrem Leben genügend Anerkennung erfahren: Papa und Mama sagten stets "Du bist toll" und ihre Lehrer und Vorgesetzten trauten sich allenfalls an eine kaum mehr spürbare Kritik, aus Angst vor den Rechtsanwälten der Eltern oder der Marktmacht von Talenten. Wenn Anerkennung mithin als tägliche Ration verabreicht wird, geraten erneut höhere Werte in den Fokus, eben Gesundheit und Freiheit und Erfolg.

Heute geht es nicht mehr um das Auto vor der Garage. Heute – das haben die Forscher ebenfalls herausgefunden – sind die Werte Gesundheit, Freiheit und Erfolg zu einem großen Knäuel verwoben. Ein fitter Körper, meinen die nämlich, gelte als Nachweis von Erfolg. Dafür bräuchte es Freiheit samt Freizeit, denn Gesundheit basiert im Verständnis der von den Forschern als "Selbstoptimierer" getauften Fitnesshungrigen auf sportlicher Bewegung.

Nun weiß ich endlich, warum samstags rund um die Alster, im Englischen Garten oder am Frankfurter Mainufer immer größere Horden von schicken Joggern unterwegs sind. Eigentlich ist die Welt heute auch einfach zu verstehen.

Martin Claßen hat 2010 das Beratungsunternehmen People Consulting gegründet. Talentmanagement gehört zu einem seiner fünf Fokusbereiche in der HR-Beratung.