HR-Trends 2016: Work-Life-Blending

Damit ständige Erreichbarkeit nicht zum Stress-Faktor wird, sondern sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer ein Gewinn ist, sind ein gezieltes Erwartungsmanagement und klare Absprachen nötig. Dies zeigen erste Ergebnisse einer Studie der Technischen Universität Darmstadt. 

In Zeiten der Digitalisierung verschwimmen die Grenzen zwischen Job und Freizeit. Wie Arbeitnehmer diese Durchlässigkeit, im Fachjargon auch als "Work-Life-Blending" bezeichnet,  als Konsequenz der ständigen Erreichbarkeit durch Smartphone und Co erleben, untersucht das Fachgebiet Marketing und Personalmanagement der Technischen Universität Darmstadt derzeit in einer Studie. Bisher wurden mehr als 550 Personen interviewt oder über mehrere Wochen hinweg regelmäßig per Fragebogen befragt.

Neben Arbeit und Familie braucht es „Me-Time“

Nach den ersten Ergebnissen sehen die Macher der Studie die bisherige Definition von Work-Life-Balance als überholt an. Der Begriff steht weitestgehend für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das allein reicht aber nicht aus. Wichtig ist nach Ansicht der Wissenschaftler, nicht nur Rollen wie die der fürsorglichen Eltern oder des kompetenten Arbeitnehmers zu erfüllen, sondern auch Zeit nur für sich zu haben. „Frei von den Erwartungen anderer", sagt Prof. Dr. Ruth Stock-Homburg, die die Studie leitet und spricht daher von „Life-Balance“ statt von „Work-Life Balance“. Verzichten Menschen zu lange auf „Me-Time“, verschlechtert sich die Life-Balance.

Mobile Kommunikation bringt Flexibilität

Die Studie zeigt, dass Work-Life-Blending längst Realität ist. Die Mehrheit der Befragten (74 Prozent) gestaltet die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben durchlässig. Möglich gemacht wird dies durch mobile Kommunikationstechnologien, wie Smartphone, Tablet oder Laptop. Das hat zur Folge, dass Arbeitnehmer einerseits zum Beispiel in ihrer Freizeit berufliche E-Mails lesen, sich andererseits aber auch in einem Meeting mal eben mit den Handwerkern zuhause abstimmen können. Diese Flexibilität, die es früher nicht gab, bewerten die Befragten als äußerst positiv. Sicher hat die ständige Erreichbarkeit auch Nachteile, wie schon umfassend untersucht wurde: ständige Unterbrechungen oder Stress. Daneben belegt die Studie aber auch diverse Vorteile: Beschäftigte können Leerlaufzeiten effizient nutzen, unkompliziert zwischen beruflichen und privaten Themen wechseln und so Arbeit und Privatleben letztlich besser vereinbaren.

Es kommt auf die Rahmenbedingungen an

Mobile Kommunikation ist also nicht per se gut oder schlecht – die Studie zeigt vielmehr, dass es auf die Rahmenbedingungen der Nutzung ankommt. Wichtig ist, dass der Nutzer frei darüber entscheiden kann, wann, wie lange und wie häufig kommuniziert wird. In diesem Fall überwiegen die Vorteile. Festgestellt wurde in der Studie auch, dass für die Life-Balance und den gefühlten Stresslevel nicht das Ausmaß der Erreichbarkeit an sich entscheidend ist, sondern die persönliche Zufriedenheit mit der Erreichbarkeit. „Daher ist eine hohe Erreichbarkeit nicht immer ein Problem und generelles Abschalten von E-Mail-Servern, wie derzeit vereinzelt in Unternehmen praktiziert, keine Lösung“, so Dr. Gisela Bieling, Mitarbeiterin der Studie.

Unzureichendes Erwartungsmanagement

Weshalb gelingt es vielen Menschen nicht Smartphone und Co. auf eine Art und Weise zu nutzen, die gewährleistet, dass sie persönlich mit ihrer Erreichbarkeit zufrieden sind? Ursache für die Diskrepanz zwischen gewünschter und tatsächlicher Erreichbarkeit könnte ein unzureichendes Erwartungsmanagement sein. Die Befragung von Führungskräften und Kolleginnen und Kollegen der Studienteilnehmer zeigt: 36 Prozent der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer schätzen die Erwartungen ihrer Führungskraft an ihre Erreichbarkeit außerhalb der Arbeit höher ein als die Führungskraft selbst; 47 Prozent unterschätzen dagegen die Erwartungen ihrer Kollegen.

Unternehmen sollten Absprachen zur Erreichbarkeit treffen

Ein möglicher Grund für diese Fehleinschätzungen: 85 Prozent der Befragten haben weder mit ihrer Führungskraft noch mit Kollegen Absprachen zur Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeiten getroffen. "Unternehmen sollten solche Absprachen fördern, damit die tatsächlichen Erwartungen transparent werden. So können Mitarbeiter wirklich abschalten, ohne unsicher zu sein, ob jemand erwartet, dass sie erreichbar sind", so Stock-Homburg.