Überblick

Unter dem Fachbegriff Whistleblowing, der wörtlich mit "Verpfeifen" übersetzt werden kann, wird allgemein der Hinweis auf Missstände, Fehlverhalten, Rechtsverletzungen oder drohende Schäden in einem Unternehmen oder in einer Behörde verstanden. Es kann sich um rein interne Warnungen handeln, aber auch um Mitteilungen an Dritte, insbesondere Anzeigen gegenüber den zuständigen Behörden oder externe Veröffentlichungen.

An der Aufdeckung von entsprechenden Missständen haben Unternehmen auch ein Interesse: Denn unethisches Verhalten kostet Unternehmen jedes Jahr hunderttausende Euro an Strafzahlungen, Reputationsschäden oder sanktionsbedingten Verluste. Jeder zweite Hinweis deckt unethisches Verhalten auf; ca. 31 % der Hinweisgebermeldungen decken nach öffentlich zugänglichen Informationen sogar finanzielle Schäden zwischen 10.000 EUR und 100.000 EUR auf, 27 % sogar über 100.000 EUR bis an Beträge im Millionenbereich.

Hinweisgebende Personen können somit einerseits – im Interesse des Unternehmens – wesentlich dazu beitragen, dass Rechtsverstöße und sonstige missbilligenswerte Verhaltensweisen erkannt und diese abgestellt werden. Es handelt sich somit um ein erwünschtes Verhalten, sodass die Rechtsordnung für einen angemessenen Schutz der hinweisgebenden Person Sorge zu tragen hat. Andererseits kann das Whistleblowing Unternehmen sehr empfindlich treffen und nachhaltig schädigen. Dies gilt insbesondere, wenn sich ein Hinweis als ganz oder teilweise unberechtigt erweist oder vertrauliche Informationen zu Unrecht in die Öffentlichkeit gelangt sind.

In der Praxis stellen sich in Zusammenhang mit der Einrichtung von Hinweisgebersystemen vor diesem Hintergrund diverse Fragen bezüglich der Einführung des Hinweisgebersystems selbst, zum Umgang mit Hinweisen sowie zum Umgang mit hinweisgebenden Personen.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Auf europäischer Ebene besteht seit 2019 die Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden[1], die bis zum 17.12.2021 in nationales Recht umzusetzen gewesen wäre. Dem ist der deutsche Gesetzgeber erst im Juni 2023 – mithin mit 1,5 Jahren Verspätung – nachgekommen. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass einzelne Vorschriften der Whistleblower-Richtlinie insbesondere in Hinblick auf die Pflichten der Kommunen und des öffentlichen Sektors bereits seit dem 18.12.2021 unmittelbare Wirkung entfaltet haben.

Das neue Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG), das die Vorschriften in nationales Recht umsetzt und entsprechende Pflichten für öffentliche und private Beschäftigungsgeber vorsieht, ist am 2.7.2023 in Kraft getreten. Übergangsregelungen mit Fristverlängerungen zum Einrichten einer internen Meldestelle sowie zur Anwendbarkeit der Bußgeldvorschriften sind seit Dezember 2023 ausgelaufen.

Die allgemeinen Rahmenbedingungen für eine Pflicht bzw. ein Recht zur Meldung und für die Zulässigkeit einer Maßregelung des Whistleblowers lassen sich den Entscheidungen des BAG vom 3.7.2003[2], des Bundesverfassungsgerichts vom 2.7.2001[3] und des EGMR vom 21.7.2011[4] entnehmen.

[1] Richtlinie (EU) 2019/1937 des europäischen Parlaments und des Rates v. 23.10.2019.
[2] BAG, Urteil v. 3.7.2003, 2 AZR 235/02, AP Nr. 45 zu § 1 KSchG 1969, Verhaltensbedingte Kündigung.

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