Mitarbeiter, die zu Recht rechtswidrige Zustände oder drohende Schäden melden, sind bislang über die allgemeinen Gesetze zum Schutz vor Arbeitgebermaßregelungen gemäß § 612a BGB und §§ 1 ff. Kündigungsschutzgesetz (KSchG) geschützt. Seit Juli 2023 greift zudem unter bestimmten Voraussetzungen der Schutz des HinSchG.

Insbesondere werden die Treue- und Loyalitätspflichten des Arbeitnehmers auch durch die Grundrechte, die über §§ 241 Abs. 2, 242 BGB mittelbar auf das Arbeitsverhältnis einwirken, näher ausgestaltet. Eine rechtmäßige Grundrechtsausübung kann keine arbeitsvertragliche Nebenpflichtverletzung darstellen. Insoweit kann sich der Arbeitnehmer regelmäßig auf seine Meinungsfreiheit bzw. seine allgemeine Handlungsfreiheit in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip berufen. Diese Rechte sind grundsätzlich mit den Grundrechten des Arbeitgebers auf seine unternehmerische Freiheit und den Schutz seiner wirtschaftlichen Reputation im wirtschaftlichen Verkehr abzuwägen.

3.1 Gesetzliche Regelungen

Spezielle Schutznormen für hinweisgebende Personen waren in Deutschland außerhalb des allgemeinen § 612a BGB sowie der Kündigungsschutzvorschriften gemäß §§ 1 ff. KSchG – bis zum Inkrafttreten des HinSchG – rar. Dies hat sich mit dem HinSchG geändert.[1] Neben dem HinSchG gelten zudem weitere gesetzliche Regelungen.

  • Die Vorschrift des § 5 GeschGehG (Geschäftsgeheimnisschutzgesetz) gestattet die Erlangung, Nutzung und Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses, wenn dies zum Schutz eines berechtigten Interesses erfolgt. Eine Abmahnung, Kündigung oder sonstige Maßregelung aufgrund eines solchen gesetzlich gestatteten Verhaltens ist folglich grundsätzlich unwirksam.[2]
  • § 17 Abs. 2 ArbSchG sieht vor, dass Beschäftigte die zuständige Behörde informieren dürfen, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass die vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen und bereitgestellten Mittel für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit nicht ausreichen. Dies kann etwa auch Fragen des betrieblichen Infektionsschutzes betreffen. Voraussetzung ist, dass sie sich zuvor vergeblich beim Arbeitgeber hierüber beschwert haben. Nachteile dürfen ihnen deswegen nicht entstehen.
  • Gemäß § 16 AGG dürfen Beschäftigte wegen der Inanspruchnahme von Rechten aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz nicht benachteiligt werden.
  • Auch nach § 4d FinDAG besteht ein ausdrücklicher Maßregelungsschutz. Absatz 6 der Vorschrift sieht vor, dass Mitarbeiter, die das BaFin-Hinweisgebersystem nutzen, weder arbeitsrechtlich noch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden dürfen und nicht schadensersatzpflichtig sind. Anders liegt dies allerdings, wenn die Meldung vorsätzlich oder grob fahrlässig unwahr abgegeben wurde. Eine vorherige interne Meldung ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht erforderlich. Arbeitsvertraglich darf außerdem die Möglichkeit der Meldung nach § 4d FinDAG nicht eingeschränkt werden. Entgegenstehende Vereinbarungen sind unwirksam.[3]
  • Gemäß § 37 Abs. 2 Nr. 3 BeamtStG und § 67 Abs. 2 Nr. 3 BBG sind zudem Bundes- und Landesbeamte bei einem durch Tatsachen begründeten Verdacht einer Korruptionsstraftat nach den §§ 331 bis 337 StGB von ihrer Verschwiegenheitspflicht befreit und dürfen Entsprechendes melden.

Besonderen Kündigungsschutz genießen zudem auch bei Vornahme von Hinweisgebermeldungen

  • der Immissionsschutzbeauftragte[4],
  • der Gewässerschutzbeauftragte[5],
  • der Strahlenschutzbeauftragte[6] sowie
  • der Abfallbeauftragte.[7]

3.2 Bisherige Rechtsprechung

Auch die Rechtsprechung hat sich vor Inkrafttreten des HinSchG mit der Zulässigkeit von Hinweisgebermeldungen und einem etwaigen Schutz der hinweisgebenden Personen befasst. Der Umgang mit und die Auslegung der Vorschriften des HinSchG durch die zuständigen (Bußgeld-)Behörden bleiben abzuwarten:

  • Das BAG[1] nimmt eine gewisse Treue-, Loyalitäs-, Rücksichts- und Verschwiegenheitspflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber an. Eine Anzeige des Arbeitgebers aus Rache oder Missgunst könne daher eine kündigungsrelevante Pflichtverletzung darstellen. Im Einzelfall kann auch die Androhung einer Strafanzeige durch den Arbeitnehmer einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen.[2]
  • Nach dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG)[3] darf eine Sanktion im Regelfall nicht verhängt werden, wenn der Mitarbeiter seine staatsbürgerlichen Rechte im Strafverfahren wahrgenommen hat. Aussagen eines Arbeitnehmers in einem Ermittlungsverfahren gegen seinen Arbeitgeber berechtigten diesen im Regelfall nicht zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
  • Für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ist die Strafanzeige einer Pflegekraft gegen ihren Beschäftigungsgeber wegen Missständen in der kommunalen Pflegeeinrichtung Ausfluss ihrer Meinungsfreiheit. Die Arbeitnehmerin d...

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