Eine rechtliche Verpflichtung zur Einführung von Whistleblowing-Verfahren gibt es in Deutschland schon länger für Beschäftigungsgeber, die in speziellen Branchen tätig sind, im Übrigen aber erst seit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Hinweisgeberschutzrichtlinie im Jahr 2019 bzw. des HinSchG am 2.7.2023. Zu diesem Zeitpunkt mussten private Beschäftigungsgeber mit 250 oder mehr Beschäftigen interne Meldestellen eingerichtet haben. Für Unternehmen mit i. d. R. 50–249 Beschäftigten[1] galt eine längere Frist bis zum 17.12.2023. Seit dem 1.12.2023 gelten diesbezüglich auch die Bußgeldregelungen, wenn keine interne Meldestelle eingerichtet und betrieben wird.

[1] Ausnahmen gelten für die in § 12 Abs. 3 HinSchG genannten Beschäftigungsgeber.

1.1 Unmittelbare (Direkt-)Wirkung der HinSch-RL in Deutschland

Am 16.12.2019 ist die Hinweisgeberschutzrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1937) in Kraft getreten. Diese verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, die darin enthaltenen Vorgaben, insbesondere den Schutz von hinweisgebenden Personen und die Einrichtung von Meldestellen, bis zum vergangenen 17.12.2021 in nationales Recht umzusetzen. Diese Umsetzung erfolgte in Deutschland nicht rechtzeitig, weshalb die EU ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet hat.

Grundsätzlich können auch Richtlinien, die durch die Mitgliedstaaten nicht rechtzeitig umgesetzt werden, in den Mitgliedstaaten unmittelbare Wirkung entfalten. In Bezug auf die HinSch-RL ist mit der herrschenden Meinung davon auszugehen, dass insbesondere die Pflicht der Kommunen und juristischen Personen des öffentlichen Sektors zur Einrichtung interner Meldestellen seit dem 18.12.2021 unmittelbare Wirkung entfaltet. Beispielsweise können sich hinweisgebende Personen somit im Rahmen (arbeits-)gerichtlicher Auseinandersetzungen gegenüber Beschäftigungsgebern des öffentlichen Sektors auf das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung der Normen des nationalen Rechts berufen[1], Behörden und Gerichte müssen diese auch von Amts wegen berücksichtigen.[2] Gegenüber privaten Beschäftigungsgebern ist dies allerdings nicht möglich.

[2] König/Kleinlein, in Schulze/Janssen/Kadelbach, Europarecht, 4. Aufl. 2020, § 2 Rzn. 57 f., 61.

1.2 Das neue Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG)

Eine rechtliche Verpflichtung zur Einführung von Hinweisgeber-Verfahren bestand in Deutschland in speziellen Branchen bereits in der Vergangenheit, im Übrigen aber erst seit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Hinweisgeberschutzrichtlinie im Jahr 2019 bzw. des HinSchG am 2.7.2023.

Ziel des Gesetzes

Insgesamt ist Ziel des Gesetzes, den Hinweisgeberschutz in Deutschland in Einklang mit den europäischen Vorgaben, insbesondere gemäß den Anforderungen der HinSch-RL, wirksam und nachhaltig auszubauen und zu verbessern. Wer im Zusammenhang mit seiner (zukünftigen) beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt hat und diese an die vorgesehenen Meldestellen meldet oder offenlegt, soll in Zukunft besser geschützt werden. Benachteiligungen von Hinweisgebern sollen ausgeschlossen und betroffenen Personen (sowohl hinweisgebenden Personen als auch Mitarbeitern von Hinweisgeberstellen und von Hinweisen betroffenen Personen) Schutz und Rechtssicherheit gegeben werden.

Einrichtung von internen Meldestellen

Vor diesem Hintergrund verpflichtet das HinSchG auch die Mehrzahl der Unternehmen und Behörden in Deutschland zur Einrichtung von sog. internen Meldestellen: Alle Beschäftigungsgeber (das heißt natürliche und juristische Personen des privaten Rechts, rechtsfähige Personengesellschaften und sonstige rechtsfähige Personenvereinigungen, die regelmäßig mindestens 50 Beschäftigte beschäftigen) sind seit Inkrafttreten des Gesetzes verpflichtet, eigene Meldestellen einzurichten und zu betreiben, an die sich (zumindest) Beschäftigte mit Informationen über Verstöße wenden können.

Kleinere private Beschäftigungsgeber mit regelmäßig 50 bis zu 249 Beschäftigten mussten nicht sofort tätig werden, für sie gilt die Pflicht zur Einrichtung und zum Betreiben einer internen Meldestelle seit dem 17.12.2023. Dabei versucht der Gesetzgeber gemäß der Gesetzesbegründung, den Beschäftigungsgebern größtmögliche Freiräume bei der Erfüllung der an sie gestellten Anforderungen zu belassen.

Z. B. kann der interne Meldekanal (optional) so gestaltet werden, dass er – über den genannten Personenkreis der Beschäftigten und Leiharbeitnehmer hinaus – auch natürlichen dritten Personen offensteht, die (wie z. B. Geschäftspartner) mit dem jeweiligen Beschäftigungsgeber oder mit der jeweiligen Organisationseinheit lediglich in beruflichem Kontakt stehen. Auch sieht die Begründung des HinSchG die Möglichkeit der gemeinsamen Betreibung von Hinweisgeberstellen durch mehrere kleine private Beschäftigungsgeber oder auch eine zentrale Meldestelle bei einer Konzerngesellschaft, wie der Konzernmutter, vor. Damit stellt sich das Gesetz allerdings gegen die Auslegung der EU-Kommission, die getrennte Meldestellen für jedes einzelne Konzernunternehmen verlangt. Insoweit bleibt abzuwarten, wie die EU au...

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