HinSchG: Vermittlungsausschuss erzielt Einigung

Nun ist es offiziell: Beschäftigungsgeber müssen in Kürze interne Meldestellen einrichten. Diese Pflicht ergibt sich aus dem neuen Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG), welches bald verkündet und voraussichtlich Mitte Juni 2023 in Kraft treten wird.

Im Dezember 2022 hat der Bundestag das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) beschlossen. Im Bundesrat erzielte der zustimmungspflichtige Gesetzentwurf Anfang 2023 jedoch keine Mehrheit, woraufhin die Bundesregierung schließlich den Vermittlungsausschuss anrief. Bundestag und Bundesrat einigten sich im Vermittlungsausschuss auf Änderungen am bisher umstrittenen HinSchG. Der Kompromiss umfasst insbesondere Änderungen zu den Meldewegen für anonyme Hinweise, zu Bußgeldern und zum Anwendungsbereich des Gesetzes. Das überarbeitete HinSchG hat der Bundestag am 11. Mai 2023 verabschiedet – ihm stimmte nun auch der Bundesrat zu.

Damit tritt das Gesetz einen Monat nach Verkündigung im Bundesgesetzblatt in Kraft – voraussichtlich Mitte Juni 2023.

Welche Pflichten sich aus dem HinSchG für Beschäftigungsgeber ergeben, lesen Sie hier.

Ziel des HinSchG

Ziel ist unverändert, dass Hinweisgeber (sog. Whistleblower) in Unternehmen und Behörden einfacher und ohne Angst vor Repressalien auf Missstände (Rechts- und Regelverstöße) aufmerksam machen können. Kern des HinSchG ist die Einrichtung von Meldestellen in Unternehmen, Behörden und Organisationen, an die sich Whistleblower wenden können.

Welche Änderungen sieht das HinSchG im Gegensatz zu dem ursprünglichen Gesetzentwurf vor?

  • Externe und interne Meldestellen sind nicht mehr dazu verpflichtet, Meldekanäle so zu gestalten, dass auch anonyme Meldungen abgegeben werden können. Jedoch wird vorgegeben, dass die Stellen auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten sollten.
  • Hinweisgebende Personen sollen die Meldung bei einer internen Meldestelle bevorzugen, wenn „intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann“ und keine Repressalien befürchtet werden.
  • Informationen über Verstöße fallen nur noch dann in den Anwendungsbereich des Gesetzes, wenn sie sich auf den Beschäftigungsgeber oder eine andere Stelle, mit der die hinweisgebende Person beruflich im Kontakt stand, beziehen.
  • Der Bußgeldrahmen beträgt in Fällen, in denen eine Meldung behindert oder Repressalien ergriffen werden, nur noch EUR 50.000 statt EUR 100.000.

Zusammenfassung der Regelungen für die Beschäftigungsgeber

Das HinSchG verpflichtet alle „Beschäftigungsgeber“

Die Beschäftigungsgeber sind laut HinSchG u. a. natürliche Personen sowie juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, rechtsfähige Personengesellschaften und sonstige rechtsfähige Personenvereinigungen. Davon sind Unternehmen, Vereine, Behörden, eingetragene Genossenschaften und Stiftungen erfasst.

Einrichtung einer internen Meldestelle

  • Jeder Beschäftigungsgeber mit mehr als 50 Mitarbeitern muss eine interne Meldestelle und Meldekanäle einrichten, über die Beschäftigte und Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit die Möglichkeit der Kenntnisnahme über Verstöße haben können, Informationen über Verstöße melden können.
  • Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden müssen eine eigene interne Meldestelle einrichten. Es ist aber erlaubt, einen Dritten mit der Aufgabe einer internen Meldestelle zu beauftragen (wie z. B. eine externe Kanzlei). Unternehmen mit bis zu 249 Mitarbeitenden können gemeinsame Meldestellen mit anderen Unternehmen einrichten.
  • Meldungen müssen sowohl mündlich (per Telefon oder mittels einer anderen Art der Sprachübermittlung) als auch in Textform ermöglicht werden.
  • Auch anonym eingehende Meldungen sollen von der Meldestelle bearbeitet werden, es besteht aber keine Verpflichtung, die Meldekanäle so zu gestalten, dass sie die Abgabe anonymer Meldungen ermöglichen.
  • Die Meldestellen müssen die Vertraulichkeit der Identität der hinweisgebenden Person und der Personen, die Gegenstand der Meldung sind, wahren. Die Identität darf grds. ausschließlich den Personen, die für die Entgegennahme von Meldungen oder für das Ergreifen von Folgemaßnahmen zuständig sind, sowie den sie bei der Erfüllung dieser Aufgaben unterstützenden Personen bekannt werden. Ausnahmen von dem Vertraulichkeitsgrundsatz liegen vor, wenn z. B. Strafverfolgungsbehörden Informationen verlangen.
  • Die für die Entgegennahme der Meldungen zuständigen Mitarbeiter der Meldestelle müssen unabhängig sein, dürfen aber neben ihrer Tätigkeit für die interne Meldestelle auch andere Aufgaben und Pflichten wahrnehmen (die jedoch nicht zu Interessenkonflikten führen dürfen), sie müssen darüber hinaus über die notwendige Fachkunde verfügen.
  • Der Beschäftigungsgeber muss den Beschäftigten gegenüber die Einrichtung der internen Meldestelle bekannt machen und klare und leicht zugängliche Informationen über die Nutzung der internen Meldestelle und Meldekanäle bereitstellen. Diese Informationen können insbesondere auf der Website des Unternehmens, über Aushänge oder über das Intranet bereitgestellt werden.

Meldefähige Verstöße

Zu meldefähigen Verstößen gehören u. a. Verstöße, die straf- oder bußgeldbewehrt sind (dazu zählen neben den Straftatbeständen der Beleidigung, des Betrugs oder der Steuerhinterziehung, insbesondere Verstöße gegen Gesetze aus dem Gebiet des Arbeitsrechts) sowie Verstöße gegen diverse Rechtsvorschriften (z. B. Umweltschutz, Datenschutz oder Geldwäsche). Die Verstöße müssen durch den Beschäftigungsgeber oder eine andere Stelle, mit der die hinweisgebende Person beruflich im Kontakt stand, begangen worden sein.

Schutzmaßnahmen, insbesondere Schutz vor Repressalien

Das HinSchG enthält eine Reihe von Schutzmaßnahmen in Bezug auf hinweisgebende Personen, aber auch Haftung, Schadensersatz und Bußgelder im Falle bewusst falscher Angaben.

Voraussetzung für das Eingreifen von Schutzmaßnahmen ist, dass die hinweisgebende Person (intern oder extern) Meldung erstattet oder eine Offenlegung vorgenommen hat, die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die von ihr gemeldeten oder offengelegten Informationen der Wahrheit entsprechen, und die Informationen Verstöße betreffen, die in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, oder die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass Letzteres der Fall sei. Gleiches gilt für dritte mit den Hinweisgebern in Verbindung stehende Personen („Unterstützer“).

Insbesondere sieht das Gesetz ein Repressalienverbot sowie ein Verbot der Androhung und des Versuchs, Repressalien gegenüber hinweisgebenden Personen auszuüben, vor. Der Begriff „Repressalie“ ist weit auszulegen und umfasst jede benachteiligende Handlung oder Unterlassung im beruflichen Kontext. Das HinSchG soll hinweisgebende Personen damit vor Repressalien bewahren, durch die ihnen ein „ungerechtfertigter Nachteil entsteht oder entstehen kann“.

Weiter stellt das Gesetz eine Vermutung dahingehend auf, dass eine Benachteiligung eine Repressalie ist, wenn eine hinweisgebende Person nach einer Meldung oder Offenlegung eine Benachteiligung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit erleidet und dies entsprechend geltend macht. Rechtsdogmatisch stellt dies als Beweislastumkehr eine Erleichterung für hinweisgebende Personen dar, sofern sich diese im Prozess auf die Kausalität beruft.

Das Gesetz sieht bei einem Verstoß gegen das Verbot von Repressalien einen Anspruch auf Schadensersatz vor. Gleichzeitig ist die hinweisgebende Person bei einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Falschmeldung selbst zum Schadensersatz verpflichtet.

Beteiligungsrechte des Betriebsrats

Dem Betriebsrat stehen bei der Einführung eines Hinweisgebersystems im Unternehmen Mitbestimmungsrechte nach § 87 BetrVG zu. Werden bei Implementierung eines Hinweisgebersystems die bestehenden, arbeitsvertraglichen Hinweispflichten erweitert oder Regelungen bezüglich des konkreten Meldeverfahrens eingeführt, ist etwa das Ordnungsverhalten der Beschäftigten betroffen, § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.

Einzuhaltendes Verfahren bei Eingang einer Meldung

  1. Eingangsbestätigung an die hinweisgebende Person spätestens nach sieben Tagen
  2. Prüfung, ob der gemeldete Verstoß in den sachlichen Anwendungsbereich des HinSchG fällt
  3. Kontakt mit der hinweisgebenden Person
  4. Überprüfung der Stichhaltigkeit der eingegangenen Meldung
  5. Ergreifen angemessener Folgemaßnahmen
  6. Rückmeldung an die hinweisgebende Person innerhalb von drei Monaten nach der Eingangsbestätigung
  7. Die Rückmeldung enthält die Mitteilung geplanter sowie bereits ergriffener Folgemaßnahmen sowie die Gründe für diese, sofern dadurch interne Nachforschungen oder Ermittlungen nicht berührt und die Rechte der Personen, die Gegenstand einer Meldung sind oder die in der Meldung genannt werden, nicht beeinträchtigt werden
  8. Dokumentation der Hinweise unter Beachtung des Vertraulichkeitsgebots
  9. Löschung dieser Dokumentation nach zwei Jahren nach Abschluss des Verfahrens

Ausblick

Mit der Zustimmung des Bundesrats am 12. Mai 2023 ist das parlamentarische Verfahren für das Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) nun abgeschlossen. Das Gesetz tritt voraussichtlich Mitte Juni 2023 in Kraft.

Unternehmen sollten sich daher umgehend mit der Ausgestaltung und Umsetzung eines Hinweisgebersystems beschäftigen. Ausschließlich für Unternehmen mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten sieht das Gesetz eine „Schonfrist“ bis zum 17. Dezember 2023 für die Einrichtung von internen Meldestellen vor. Unternehmen, die mindestens 250 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen, müssen unverzüglich tätig werden. Denn wer nicht dafür sorgt, dass eine interne Meldestelle eingerichtet ist und betrieben wird, riskiert nach dem Gesetz ein Bußgeld.

Schlagworte zum Thema:  Whistleblowing, Gesetz, EU-Richtlinie, Compliance