Rz. 24

Nach Abs. 2 besteht aufgrund der Verweisung auf § 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 KSchG und die §§ 10 bis 12 KSchG die Möglichkeit, dass das Arbeitsverhältnis durch gerichtliche Entscheidung aufgelöst und der Arbeitgeber zur Zahlung einer Abfindung verurteilt werden kann.

Auf das Berufsausbildungsverhältnis sind § 13 Abs. 1 Satz 3 und §§ 9, 10 KSchG nicht anzuwenden.[1]

[1] BAG, Urteil v. 16.7.2013, 9 AZR 784/11, BAGE 145, 371-380, Rz. 38 sowie BAG, Urteil v. 29.11.1984, 2 AZR 354/83, mit ausführlicher Begründung zu II der Gründe.

3.3.1 Anwendbarkeit des Abs. 2

 

Rz. 25

Voraussetzung für die Auflösung ist zunächst, dass die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit von Abs. 2 erfüllt sind. Dies ist dann nicht der Fall, wenn es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, auf das (auch) die Bestimmung des Abs. 2 wegen § 23 Abs. 1 Satz 2 oder 3 KSchG keine Anwendung findet. Dies bedeutet, dass die Auflösung des Arbeitsverhältnisses wegen einer sittenwidrigen Kündigung nicht – und zwar weder vom Arbeitnehmer noch vom Arbeitgeber – verlangt werden kann, wenn es sich um ein Arbeitsverhältnis im Kleinbetrieb handelt.[1]

 

Rz. 26

Ist lediglich die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG nicht erfüllt, entfällt nur das Erfordernis, dass die Kündigung zu ihrer Wirksamkeit sozial gerechtfertigt werden muss, nicht aber die Anwendbarkeit des § 13 Abs. 2 KSchG.[2] Danach steht dem Arbeitnehmer auch schon vor Vollendung der Wartezeit das Recht zu, nach § 13 Abs. 2 KSchG i. V. m. § 9 Abs. 1 Satz. 1 KSchG die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu verlangen. Andernfalls hätte § 13 Abs. 2 KSchG praktisch keinen Anwendungsbereich, weil eine sittenwidrige Kündigung regelmäßig auch sozialwidrig ist.[3]

Demgegenüber sah das BAG in seinen früheren Entscheidungen[4] die Erfüllung der Wartezeit als Voraussetzung für die Anwendung des 1. Abschnitts des KSchG an (vgl. o. Rz 8). Aus diesem Standpunkt (zur nun herrschenden Auffassung Rz. 8) folgte, dass der Arbeitnehmer, um über das Auflösungsrecht nach Abs. 2, § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG zu verfügen, die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG vollendet haben muss.

[1] So auch Schaub/Linck, 19. Aufl. 2021, § 141 Rz. 5.
[2] Dies dürfte nach dem Urteil des BAG v. 28.6.2007, 6 AZR 873/06, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 61, das zu der entsprechenden Frage bei § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG erging und die bisherige Rspr. des BAG aufgab, nunmehr der h. M. entsprechen; vgl. Rz. 8.
[3] Schaub/Linck, § 141 Rz. 5; ebenso HK-KSchG/Dorndorf, § 13 KSchG, Rz. 101.
[4] BAG, Urteil v. 17.8.1972, 2 AZR 415/71, AP BGB § 626 Nr. 65, DB 1973, 481; BAG, Urteil v. 15.9.1955, 2 AZR 475/54, AP KSchG § 11 Nr. 7; BAG, Urteil v. 27.1.1955, 2 AZR 418/54, AP KSchG § 11 Nr. 5.

3.3.2 Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG

 

Rz. 27

Des Weiteren müssen die Voraussetzungen erfüllt sein, die § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG an die Auflösung stellt:[1]

 

Rz. 28

Der Arbeitnehmer muss den Antrag stellen, das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer Abfindung zu verurteilen.

 

Rz. 29

Das Gericht muss feststellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Dies ist im Falle des § 13 Abs. 2 KSchG bei sittenwidriger Kündigung stets gegeben, aber auch bei einer gegen das Maßregelungsverbot verstoßenden Kündigung (siehe Rz. 20).

 

Rz. 30

Schließlich muss dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar sein. Dies kann bei einer sittenwidrigen Kündigung je nach den Umständen leicht der Fall sein[2], doch kann die Unzumutbarkeit nicht wegen der Sittenwidrigkeit bereits vermutet werden.

[1] Wegen der Einzelheiten des § 9 KSchG siehe § 9, Rz. 6 ff., 31 ff.
[2] KPK/Bengelsdorf, KSchG, 3. Aufl. 2004, § 13 KSchG, Rz. 102.

3.3.3 Auflösungsantrag (auch) des Arbeitgebers?

 

Rz. 31

Weil Abs. 2 nicht auf Satz 2 des § 9 Abs. 1 KSchG verweist, der den Auflösungsantrag des Arbeitgebers betrifft, kann nur der Arbeitnehmer, nicht aber der Arbeitgeber, die gerichtliche Auflösung gegen Verurteilung zur Abfindungszahlung beantragen. Dies entspricht der h. M.[1] Ein Auflösungsantrag des Arbeitgebers kann sich demnach nach § 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG nicht auf eine außerordentliche Kündigung beziehen; dies gilt auch für eine hilfsweise außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist im Falle der Unkündbarkeit.[2]

Das BAG bezieht sich zur Begründung auf den "eindeutigen Wortlaut". Dieser Standpunkt ist aber jedenfalls dann nicht selbstverständlich, wenn das Arbeitsverhältnis dem allgemeinen Kündigungsschutz unterfällt, denn dann gelten die §§ 1 bis 14 KSchG zunächst direkt und ohne Weiteres; mithin bestünde grds. auch die Möglichkeit eines arbeitgeberseitigen Auflösungsantrags nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG.

 

Rz. 32

Gleichwohl ist dem Standpunkt der h. M. beizutreten. Die Bezugnahme lediglich auf Satz 1 des § 9 Abs. 1 KSchG wäre systematisch überflüssig, wenn die Sätze 1 und 2 des § 9 Abs. 2 KSchG ohnehin gälten. Die Nichtanwendbarkeit des Satzes 2 des § 9 Abs. 1 KSchG im Falle der sittenwidrigen Kündigung hat den materiellen Sinn, dass nicht der Arbeitgeber die Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeiführen können soll, dessen Kündigung nicht nur sozialwidrig, sondern sogar sittenwidrig und damit ...

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