Rz. 6

Abs. 1 betrifft die "außerordentliche Kündigung". Dies ist i. d. R. eine Kündigung aus wichtigem Grund (vgl. § 626 BGB, § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG, § 64 Abs. 1 SeemG), die das Arbeitsverhältnis ohne Rücksicht auf Kündigungsfristen, also meist – aber nichts stets (soziale Auslauffrist) – fristlos, beenden soll. Die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund muss für den Erklärungsempfänger zweifelsfrei den Willen des Erklärenden erkennen lassen, von einer besonderen Kündigungsbefugnis, wie etwa der nach § 626 BGB, Gebrauch zu machen.[1] Erfasst sind daher auch Kündigungen aus wichtigem Grund mit sozialer Auslauffrist.[2]

 

Rz. 7

Der Begriff der außerordentlichen Kündigung i. S. v. Abs. 1 meint nicht nur die Beendigungs-, sondern auch die außerordentliche Änderungskündigung.[3] Zwar verweist Abs. 1 Satz 2 lediglich auf § 4 Satz 1 KSchG und nicht (auch) auf dessen Satz 2, der die Änderungskündigung betrifft; andererseits nimmt Abs. 1 den § 7 KSchG insgesamt in Bezug, der in seinem 2. Halbsatz auch den Vorbehalt nach § 2 KSchG bei der Änderungskündigung betrifft. Bei dem Verweis in Abs. 1 Satz 2 lediglich auf Satz 1 des § 4 KSchG liegt eine planwidrige Regelungslücke vor[4], denn nach der gesetzgeberischen Absicht soll für alle Fälle der Rechtsunwirksamkeit einer Arbeitgeberkündigung eine einheitliche Klagefrist gelten[5], also auch im Fall einer Änderungskündigung.

Eine Kündigung nach § 113 InsO ist keine außerordentliche Kündigung, sondern eine ordentliche mit besonderer Kündigungsfrist[6], sodass § 13 KSchG auf die Kündigung nach § 113 InsO keine Anwendung findet[7].

Auch ist eine Kündigung nach § 22 Abs. 1 BBiG keine außerordentliche, sondern eine ordentliche Kündigung ohne Geltung einer Kündigungsfrist.[8] Allerdings finden die Regelungen im KSchG zur ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber auf Auszubildende keine Anwendung, denn nach Ablauf der Probezeit kann der Ausbildende das Ausbildungsverhältnis aufgrund der Spezialvorschrift des § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG nur aus wichtigem Grund kündigen, und auch § 628 Abs. 2 BGB ist auf Auszubildende nicht anwendbar, weil § 23 Abs. 1 BBiG die speziellere Vorschrift ist.[9] Gleichwohl findet über § 10 Abs. 2 BBiG die Vorschrift des § 13 KSchG auch auf den Berufsausbildungsvertrag Anwendung, sodass z. B. auch die Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses aus wichtigem Grund nach § 22 Abs. 3 BBiG i. d. R. innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG geltend zu machen ist.[10]

 

Rz. 8

Unterschiedlich wurde beurteilt, ob Abs. 1 bereits vor Vollendung der gesetzlichen Wartezeit (§ 1 Abs. 1 KSchG) gilt mit der Folge, dass der während der Wartezeit gekündigte Arbeitnehmer die Rechtsunwirksamkeit (auch) der außerordentlichen Kündigung innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG geltend zu machen hat. Die ältere Rechtsprechung verneinte dies.[11])

Dies ist durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt m.W.z. 1.1.2004, aber auch durch die Änderung des BAG[12] unter ausdrücklicher Aufgabe der früheren Rechtsprechung[13] überholt. Der Arbeitnehmer, der die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung geltend machen will, hat nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG Kündigungsschutzklage zu erheben, gleichgültig, ob das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate bestanden hat. § 1 Abs. 1 KSchG betrifft nur das Recht des Arbeitnehmers, sich auf die Sozialwidrigkeit zu berufen, und ist weder systematisch noch seinem Zweck nach Anwendungsvoraussetzung (auch) des § 13 KSchG. Dieser trägt dem gesetzgeberischen Anliegen Rechnung, die Klagefrist für Kündigungen möglichst zu vereinheitlichen.[14]

 

Rz. 9

Abs. 1 Satz 1 und 2 ist auch auf Arbeitsverhältnisse im Kleinbetrieb anzuwenden; § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 schließt die Vorschriften des ersten Abschnitts des KSchG (§§ 1 bis 14 KSchG) lediglich mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 KSchG und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 KSchG aus.

[1] BAG, Urteil v. 13.1.1982, 7 AZR 757/79, AP BGB § 620 Kündigungserklärung Nr. 2.
[2] HWK/Thies, Arbeitsrecht, § 13 KSchG Rz. 3; HaKo-KSchG/Gieseler, § 13 KSchG Rz. 7; ErfK/Kiel, 24. Aufl. 2024, § 13 KSchG Rz. 3.
[3] Vgl. BAG, Urteil v. 19.7.2012, 2 AZR 25/11, NZA 2012, 1038-1040.
[4] HaKo-KSchG/Gieseler, § 13 KSchG Rz. 10.
[5] Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks. 15/1204 S. 13.
[6] HWK/Thies, § 13 KSchG Rz. 3; HaKo-KSchG/Gieseler, § 13 KSchG Rz. 8.
[7] KR/Treber/Rennpferdt, 13. Aufl. 2022, § 13 KSchG Rz. 6.
[8] BAG, Urteil v. 10.11.1988, 2 AZR 26/88, AP BBiG § 15 Nr. 8, DB 1989, 584 f.; KR/Treber/Rennpferdt, § 13 KSchG Rz. 8: "entfristete ordentliche Kündigung".
[10] Vgl. BAG, Urteil v. 23.7.2015, 6 AZR 490/14, NZA-RR 2015, 628 ff., jedenfalls sofern kein Ausschuss nach § 111 ArbGG besteht, sowie Linck/Krause/Bayreuther/Bayreuther, KSchG, 16. Aufl. 2019, § 13 Rz. 9.
[11] BAG, Urteil v. 17.8.1972, 2 AZR 415/71, AP BGB § 626 Nr. 65; unter Bezugnahme auf die älteren Entscheidungen BAG, Ur...

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