Rz. 894

Allgemeines: Eine ausgewogene Personalstruktur besteht in einer Belegschaft, in der nicht nur jede Altersstufe angemessen vertreten ist, sondern in der sowohl leistungsstarke als auch leistungsschwache Arbeitnehmer zu finden sind, in der der Anteil der Geschlechter ausgeglichen ist, in der eine angemessene Quote an Ausländern und Schwerbehinderten im Betrieb arbeitet und in der die Anzahl von Voll- und Teilzeitbeschäftigten in einem für den Betrieb sinnvollen Verhältnis stehen.[1] Auch das BAG tendiert zu einem weiten Verständnis, wie es in einem Urteil zu § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 InsO festgestellt hat. Der Begriff der Personalstruktur ist demnach nicht mit dem der Altersstruktur gleichzusetzen. Er ist unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung[2] in einem umfassenden Sinne zu verstehen, sodass als weitere Aspekte der Personalstruktur auch die Ausbildung und Qualifikation der Arbeitnehmer im Betrieb in Betracht kommen (BAG, Urteil v. 28.8.2003, 2 AZR 368/02[3]). Die Entscheidung des BAG bezieht sich zwar allein auf die Auslegung des § 125 InsO, die Wertung des Gerichts ist aber auf die kündigungsschutzrechtliche Norm zu übertragen.[4] Dafür spricht nicht nur der Wortlaut des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG, sondern auch dessen Entstehungsgeschichte. Denn der Gesetzgeber hatte Kenntnis von den unterschiedlichen Reichweiten der Begriffe Alters- und Personalstruktur und hat nichtsdestotrotz an der Gesetzesformulierung festgehalten. Insofern ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber neben der Sicherung einer ausgewogenen Altersstruktur auch andere Strukturen im Betrieb erfassen wollte. Es ist wahrscheinlich, dass sich auch das BAG dieser Sicht der Dinge anschließen wird: In der genannten Entscheidung zitiert das Gericht auch kündigungsschutzrechtliche Kommentare und legt so eine Parallelwertung nahe.[5]

 

Rz. 895

Anknüpfungsmerkmale: Geht man davon aus, dass eine Differenzierung nicht nur nach Alter, sondern auch nach anderen Kriterien möglich ist, fragt sich, an welche Merkmale die Ausgewogenheit der Personalstruktur anknüpfen kann. Die Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer wird dabei wohl das wichtigste Kriterium sein.[6] Durch die Herausnahme einzelner Leistungsträger wird der allgemeinen Tendenz der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG, dem Arbeitsmarkt vorrangig jüngere und damit meist leistungsstärkere Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen, entgegengewirkt. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG bietet dem Arbeitgeber somit die Möglichkeit, durch die Herausnahme einzelner, besonders leistungsfähiger Arbeitnehmer, das Leistungsniveau im Betrieb aufrechtzuerhalten.[7]

 

Rz. 896

Für die Sicherung der Leistungsstruktur gilt das zur Altersstruktur Festgestellte. Erst in Betrieben mit einer hinreichend großen Anzahl von in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmern[8] kann der Arbeitgeber die Erhaltung einer bestimmten Personalstruktur geltend machen. Ansonsten liefe die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG aufgrund der Privilegierung von Leistungsträgern[9] und des Erhalts einer ausgewogenen Leistungsstruktur auf eine reine Leistungsauswahl hinaus, die nicht der Intention des Gesetzgebers entspricht.

 

Rz. 897

Abgesehen von der Anknüpfung an das Alter und die Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer kommen weitere Kriterien in Betracht, an die der Arbeitgeber zur Sicherung der Personalstruktur anknüpfen kann. Zu nennen sind u. a. die Art des Vertragsverhältnisses (z. B. unbefristet bzw. befristet; Voll- bzw. Teilzeitbeschäftigung), die Staatsangehörigkeit, das Geschlecht und die Schwerbehinderung.[10] Nicht alle Kriterien sind jedoch von der Befugnis in § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG gedeckt. Bei der Grenzziehung ist der Normzweck zu beachten: § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG will der Gefahr entgegenwirken, dass aufgrund der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG überwiegend ältere Arbeitnehmer im Betrieb verbleiben und daher häufig die betriebliche Leistungsfähigkeit sinkt, nicht jedoch zufällig entstehende heterogene Strukturen korrigieren. Daraus folgt, dass nur diejenigen Kriterien im Rahmen des Erhalts einer ausgewogenen Personalstruktur Gewicht erlangen können, die für das Leistungsniveau des Betriebs von Bedeutung sind. Eine ausgewogene Geschlechterquote hat regelmäßig ebenso wenig Einfluss auf das Leistungsniveau wie eine gleichmäßige Vertretung verschiedener Nationalitäten oder politischer Gesinnungen im Betrieb.[11] Insofern genügt es auch nicht, dass der Arbeitgeber sich allgemein darauf beruft, weibliche Arbeitskräfte in Bereichen fördern zu wollen, in denen Frauen regelmäßig unterrepräsentiert sind (LAG Köln, Urteil v. 15.3.2017, 11 Sa 521/16[12]). Demgegenüber hat der Faktor Alter aufgrund der sinkenden Belastbarkeit und Ausdauer älterer Arbeitnehmer durchaus Auswirkungen auf das Leistungsniveau im Betrieb. Damit die jungen Arbeitnehmer von der Erfahrung der Älteren profitieren und sich die unterschiedlichen Altersgruppen gegenseitig ergänzen können, ist eine Überalterung des Betriebs zu verhindern. Eine am Zweck d...

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