Rz. 12

Hat der arbeitsunfähige Versicherte erst kurze Zeit vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit ein neues Arbeitsverhältnis begonnen und kann er für die Berechnung des Krankengeldes

  • noch keinen 4-wöchigen Entgeltabrechnungszeitraum oder
  • keinen vom Arbeitgeber abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraum

nachweisen, ist das Arbeitsentgelt so gut wie möglich für die Berechnung des Regelentgelts heranzuziehen und zwecks Vermeidung von als ungerecht empfundenen Zufallsergebnissen im Bedarfsfalle sogar zu schätzen (BSG; Urteil v. 30.5.2006, B 1 KR 19/05 R). Ausgangspunkt für die Schätzung sind dabei in erster Linie die von den Arbeitsvertragsparteien getroffenen und praktizierten Vereinbarungen (z. B. Arbeits- oder Tarifvertrag) über die Höhe des Arbeitsentgelts.

 

Rz. 13

Hat z. B. ein Stundenlöhner erst z. B. 3 Wochen vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit seine Beschäftigung aufgenommen, sind bei der Ermittlung der zu berücksichtigenden Mehrarbeitsstunden die Verhältnisse zugrunde zu legen, die unter normalen Umständen vorgelegen hätten (BSG, Urteil v. 23.1.1973, 3 RK 22/70).

In diesem Fall ist das erzielte Arbeitsentgelt dieser 3 Wochen durch die Anzahl der Stunden, in den es erzielt wurde, zu teilen. Man erhält dann den Stundenlohn. Dieser Stundenlohn ist dann mit der Anzahl der vertraglich vereinbarten wöchentlichen Arbeitsstunden zu multiplizieren und durch 7 zu teilen.

Mehrarbeitsstunden erhöhen die wöchentlichen Arbeitsstunden nur dann, wenn sie bei einem "vergleichbar Beschäftigten" – also einem Beschäftigten, der schon 3 Monate vorher in das Beschäftigungsverhältnis eingestiegen wäre – regelmäßig alle 3 Monate angefallen wären. Bezüglich dieser Problematik "regelmäßig wöchentliche Arbeitszeit" wird auf die Komm. unter Rz. 31 ff. verwiesen.

 
Praxis-Beispiel

Ein Stundenlöhner nimmt am 1.4. seine Arbeit bei der Firma B auf und erkrankt bereits am 6.4. arbeitsunfähig. Nach Ablauf der Entgeltfortzahlung erhält er ab 18.5. Krankengeld.

In der Zeit vom 1.4. bis 5.4. wurden in 32 Arbeitsstunden 480,00 EUR verdient. Die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit beträgt 40 Stunden wöchentlich. Ein vergleichbar Beschäftigter hätte in den Monaten Januar und Februar jeweils 5 und im März keine Mehrarbeitsstunden geleistet (Monate Januar bis März = Bemessungszeitraum für die Beurteilung der Regelmäßigkeit der Mehrarbeitsstunden, wenn die Beschäftigung früher aufgenommen worden wäre).

Rechtsfolge:

Es gibt mangels fehlender Regelmäßigkeit keine Mehrarbeitsstunden, die die wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich erhöhen. Das Regelentgelt berechnet sich deshalb wie folgt:

480,00 EUR : 32 Arbeitsstunden = 15,00 EUR Stundenlohn

15,00 EUR Stundenlohn x 40 Stunden regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit = 600,00 EUR Wochenlohn

600,00 EUR Wochenlohn : 7 Tage = 85,71 EUR Regelentgelt

Von Interesse ist hier noch ein Urteil des LSG Baden-Württemberg v. 5.9.2018 (L 5 KR 4242/17). Bestand danach das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit noch nicht für den 3-monatigen Beobachtungszeitraum, ist die Regelmäßigkeit der Ableistung von Überstunden anhand objektiver Kriterien abzuschätzen. Hierbei kann insbesondere ein erhöhter Einarbeitungsaufwand maßgeblich dazu führen, dass in der ersten Phase der Tätigkeit vermehrte Überstunden anfallen, die im weiteren Fortgang der Tätigkeit nicht mehr zu erwarten stehen. Im Einzelnen führte das LSG in seiner Urteilsbegründung Folgendes aus: ... Es kommt mithin nicht auf die betriebsübliche Arbeitszeit an. Zu Grunde zu legen sind hierbei nur die Verhältnisse bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, nicht jedoch hypothetische Entwicklungen für sich anschließende Zeiten. Bei der Prüfung der Frage, welche Arbeitsstunden „regelmäßig“ geleistet worden sind, sind, um ein sicheres Urteil zu ermöglichen und Zufallsergebnisse zu vermeiden, als Beobachtungszeitraum mindestens die letzten abgerechneten 13 Wochen oder drei Monate zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 28.11.1971 – 3 RK 103/89 –, Urteil vom 23.01.1973, a. a. O.; Urteil vom 01.06.1994 – 7 RAr 40/93 –, beide in juris). Überstunden sind hiernach dann in die Berechnung der regelmäßigen Arbeitszeit einzustellen, wenn sie mindestens während der letzten abgerechneten drei Monate (13 Wochen) ohne längere Unterbrechungen geleistet worden sind. Durch den Beobachtungszeitraum soll an ein möglichst aktuelles, den tatsächlichen Verhältnissen nahe kommendes, von Zufälligkeiten bereinigtes und einfach feststellbares Lohnniveau angeknüpft werden (BSG, Urteil vom 30.05.2006 – B 1 KR 19/05 R –, in juris). Hat die Beschäftigung ... nicht ausreichend lange angedauert, so ist die Zahl der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden zu schätzen, hilfsweise nach den Verhältnissen eines im Betrieb tätigen gleichartigen Beschäftigten zu beurteilen (Schifferdecker in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Bd. 2, § 47 SGB V, Rn. 48). In die hiernach anzustellende objektivierte Schätzung sind die individuellen Verhältnisse des Versicherten und eine Hochrechnun...

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