Entscheidungsstichwort (Thema)

Übergangsgeld. Krankengeld. Bemessung. Zeitraum. Bemessungszeitraum. Referenzzeitraum. Referenzperiode. Leistung. Höhe. Leistungshöhe. Lohn. Stunde. Stundenlohn. Zahl. Stundenzahl. Lohnfaktor. Zeitfaktor. Arbeitszeit. Arbeitsstunde. regelmäßig. wöchentlich. Woche. Arbeitsverhältnis. Inhalt. Überarbeit. Überstunde. Mehrarbeit. Mehrarbeitsstunde. Grundarbeitszeit. Unterbrechung. Schwankung

 

Leitsatz (amtlich)

  • Bei der Berechnung des Regelentgelts für die Bemessung des Übergangsgeldes (§ 59 Abs 3 S 1 und 2 AFG) sind Überstunden einzubeziehen, wenn sie nach dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses regelmäßig erbracht worden sind. Die Regelmäßigkeit ist zu bejahen, wenn in den letzten abgerechneten 3 Monaten oder 13 Wochen (Referenzzeitraum) in jedem Monat mindestens 1 Überstunde geleistet worden ist.
  • Beruht das Fehlen von Überstunden in einem Monat des dreimonatigen Referenzzeitraumes auf Umständen, die nicht durch die Art der Tätigkeit bedingt worden sind, bleibt dieser Monat außer Betracht. Der Zeitraum ist zu erweitern, bis er wieder 3 abgerechnete Monate umfaßt (Fortführung von BSGE 35, 126 = SozR Nr 57 zu § 182 RVO; BSG SozR 2200 § 182 Nr 59).
  • Ein weiterer Ausnahmefall kann gegeben sein, wenn der Inhalt des Arbeitsverhältnisses in besonderer Weise auf die Erbringung von Überstunden hingezielt hat und es aufgrund der Art der Tätigkeit zu erheblichen Überstundenballungen und – nicht wesentlichen – Überstundenausfällen gekommen ist. In einem solchen Fall kann je nach den Erfordernissen des Einzelfalles ein Referenzzeitraum von mindestens 6, höchstens aber 12 Monaten zugrundegelegt werden (Fortführung von BSGE 35, 126 = SozR Nr 57 zu § 182 RVO; BSG SozR 2200 § 182 Nr 59).
 

Normenkette

SGG § 153 Abs. 1, § 96 Abs. 1; AFG § 56 Abs. 1, § 59 Abs. 1, 2 Sätze 1-2, Abs. 3 Sätze 1-3, § 112 Abs. 2 Sätze 1, 3; RVO § 182 Abs. 5 (Fassung: 12.7.1961, 24.8.1965 und 7.8.1974); SGB V § 47 Abs. 2; ArbKrankhG § 2 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 11.12.1992; Aktenzeichen L 10/Ar 205/91)

SG Darmstadt (Urteil vom 21.01.1991; Aktenzeichen S 9/Ar 620/90)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 11. Dezember 1992 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Hessische Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Der Kläger begehrt von der Beklagten unter Berücksichtigung von Über- bzw Mehrarbeitsstunden höheres Übergangsgeld (Übg).

Der im Jahre 1965 geborene Kläger war vom 21. April 1988 bis 30. Juni 1989 bei der Firma M.…, H.… KG in D.… als Kraftfahrer beschäftigt. Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) hatte er mit Ausnahme der Monate Februar und April 1989 von Mai 1988 bis Juni 1989 in jeweils unterschiedlichem Umfang Überstunden geleistet.

Auf Antrag “bewilligte” die Beklagte dem Kläger im Rahmen der Arbeits- und Berufsförderung Behinderter mit Bescheid vom 5. Oktober 1989 eine Umschulung zum Kommunikationselektroniker, Fachrichtung Informationstechnik, für die Zeit vom 6. Dezember 1989 bis voraussichtlich Dezember 1991. Über Voraussetzungen, Höhe und Dauer des Übg werde er einen gesonderten Bescheid erhalten. In dem weiteren Bescheid vom 14. Februar 1990 wurde ein tägliches Übg von 36,46 DM für die Zeit vom 6. Dezember 1989 bis 30. Juni 1990 und von 37,55 DM für die Zeit vom 1. Juli 1990 bis 30. November 1991 zuerkannt. Den Widerspruch, mit dem der Kläger ein höheres Übg begehrte, wies die Beklagte mit der Begründung zurück, daß die von ihm geleisteten Mehrarbeitsstunden für die Bemessung des Übg nicht als regelmäßige wöchentliche Arbeitsstunden zu berücksichtigen seien. An einer regelmäßigen Verrichtung während der letzten drei Monate fehle es, weil er im April 1989 keine Mehrarbeitsstunden geleistet habe. Damit sei von einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden auszugehen (Widerspruchsbescheid vom 30. März 1990).

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger Übg auf der Basis einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 50 Stunden in gesetzlichem Umfang zu gewähren (Urteil vom 21. Januar 1991). Zur Begründung hat es darauf verwiesen, daß der Kläger die tarifliche Arbeitszeit von 40 Stunden über die Dauer des gesamten Arbeitsverhältnisses überschriften habe. Da er bis auf die Monate Februar und April 1989 in nicht unerheblichem Umfang Mehrarbeit geleistet habe, sei es unbillig, diese Stunden bei der Berechnung des Übg nicht zu berücksichtigen. Innerhalb eines Jahreszeitraumes (Juli 1988 bis Juni 1989) seien im Durchschnitt zehn Überstunden pro Woche erbracht worden.

Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte den Bescheid vom 14. Februar 1990 mit Wirkung vom 21. April 1991 in Höhe eines Teilbetrages von monatlich 54,60 DM aufgehoben, weil in dem für die Berechnung des Übg maßgeblichen Arbeitsentgeltes ein Urlaubsgeld enthalten gewesen sei. Eine Überzahlung iHv 18,20 DM wurde zurückgefordert (Bescheid vom 16. Mai 1991).

Das LSG hat die zugelassene Berufung der Beklagten zurückgewiesen und sich dabei im wesentlichen der Rechtsauffassung des SG angeschlossen (Urteil vom 11. Dezember 1992).

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 153 Abs 1, 96 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und des § 59 Abs 3 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Sie macht geltend, das LSG habe versäumt, den Bescheid vom 16. Mai 1991 in das Berufungsverfahren einzubeziehen. Im übrigen sei bei der Ermittlung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit (§ 59 Abs 3 Satz 2 AFG) nicht auf einen Jahreszeitraum zurückzugreifen. Aus § 59 Abs 3 Satz 1 AFG folge, daß das Regelentgelt nach möglichst aktuellen Verhältnissen zu bemessen sei. Daher sei auf die vergleichbare Regelung des § 112 AFG zurückzugreifen, wonach im Normalfall der Bemessungszeitraum drei Monate betrage. Eine ggf unbillige Härte sei allein nach § 59a AFG zu berücksichtigen. Mehrarbeitsstunden seien nur dann einzubeziehen, wenn in dem dreimonatigen Referenzzeitraum in jedem Monat mindestens eine Mehrarbeitsstunde geleistet worden sei.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 11. Dezember 1992 und des Sozialgerichts Darmstadt vom 21. Januar 1991 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, der Referenzzeitraum könne nicht starr festgelegt werden. Er sei vielmehr so zu bemessen, daß auf seiner Grundlage unter Berücksichtigung des Einzelfalles ein Einkommen ermittelt werden könne, aus dem sich ein verläßlicher Rückschluß auf die Lebensverhältnisse des Behinderten ziehen lasse.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist zum einen der Bewilligungsbescheid vom 14. Februar 1990 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 1990. Gegen ihn wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage, soweit ihm ein höheres Übg versagt worden ist. Zum anderen ist der während des Berufungsverfahrens ergangene Bescheid vom 16. Mai 1991 Gegenstand des Verfahrens geworden.

Verfahrenshindernisse, die bei zulässiger Revision von Amts wegen zu berücksichtigen sind, stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Aufgrund der von der Beklagten erhobenen Rüge hat der Senat allerdings zu beachten, daß das LSG entgegen den §§ 153 Abs 1, 96 Abs 1 SGG und damit verfahrensfehlerhaft nicht über den Abänderungs- und Erstattungsbescheid vom 16. Mai 1991 entschieden hat (vgl BSG SozR 1500 § 53 Nr 2). In diesem Bescheid hat die Beklagte die Höhe des Übg für die Zeit ab 21. April 1991 neu festgesetzt und damit den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 14. Februar 1990 abgeändert. Er ist kraft Gesetzes Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Das LSG hat den Bescheid vom 16. Mai 1991 zwar im Tatbestand seines Urteils vom 11. Dezember 1992 erwähnt, in den Entscheidungsgründen fehlen aber jegliche Ausführungen zur Frage seiner Rechtmäßigkeit. Das LSG hat damit nicht über diesen Bescheid entschieden. Bereits aus diesem Grund ist das angefochtene Urteil aufzubeben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (BSG SozR 1500 § 96 Nr 18).

Unabhängig hiervon kann der Senat aufgrund der vom LSG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob dem Kläger ein höheres Übg zusteht. Auch wenn der Kläger seine Einwendungen auf die Nichtberücksichtigung geleisteter Über- bzw Mehrarbeitsstunden beschränkt hat, ist sein Anspruch auf höheres Übg unter jeglichem rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkt zu prüfen. An das tatsächliche oder rechtliche Vorbringen des Klägers ist das Gericht nicht gebunden. Vielmehr hat es alle für den Anspruch maßgeblichen Tatsachen zu ermitteln und alle rechtlich relevanten Aspekte einzubeziehen. Nur so kann beurteilt werden, ob und ggf in welchem Umfang die Klage begründet ist (BSGE 67, 20, 21 = SozR 3-4100 § 138 Nr 3; BSG SozR 4100 § 136 Nr 5; BSG, Urteile vom 10. März 1994 – 7 RAr 56/93 und 7 RAr 38/93 –, jeweils zur Veröffentlichung vorgesehen).

Betrifft die Klage – wie hier – höhere Leistungen als bewilligt, ist sie ua nur begründet, wenn die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach vorliegen. Fehlt eine solche Voraussetzung, kann zwar die bewilligte Leistung wegen des Verbotes einer reformatio in peius (Verböserungsverbot) nicht durch das Gericht entzogen werden, jedoch hätte dann die Klage auf eine höhere Leistung bereits aus diesem Grunde keinen Erfolg. Eine Einschränkung dieses gerichtlichen Prüfungsumfanges kann sich allenfalls ergeben, wenn eine bindende Entscheidung der Verwaltung über die Grundvoraussetzungen ergangen ist. Dies ist hier zum Teil geschehen.

Die Begründetheit des Klageanspruchs auf höheres Übg nach dem Rehabilitationsrecht des AFG setzt voraus, daß die allgemeinen Förderungsvoraussetzungen des § 56 Abs 1 AFG (ua Erforderlichkeit der Rehabilitation, Eingliederungsziel, Eignung und Neigung des Behinderten, arbeitsmarktliche Bedingungen) sowie die besonderen Anspruchsvoraussetzungen für das Übg gemäß § 59 Abs 1 AFG (ua beitragspflichtige Vorbeschäftigung oder Leistungsbezug von bestimmter Dauer) erfüllt sind. Hierzu hat das LSG keine Feststellungen getroffen. Diese waren allein bzgl der allgemeinen Förderungsvoraussetzungen des § 56 Abs 1 AFG entbehrlich. Über diese hat die Beklagte in dem Bescheid vom 5. Oktober 1989 bindend zu Gunsten des Klägers entschieden. Sie hat ihm die im einzelnen bezeichnete Umschulung “bewilligt”. Abgesehen davon, daß die Beklagte nicht eine bestimmte Bildungsmaßnahme, sondern Förderungsleistungen wegen der Teilnahme an einer solchen Maßnahme bewilligt, beinhaltet der Ausspruch in jenem Bescheid (Verfügungssatz), daß sie das Vorliegen der allgemeinen Förderungsvoraussetzungen des § 56 Abs 1 AFG bindend anerkennt (§ 77 SGG).

Dagegen hat sie dort keine bindende Entscheidung über die besonderen Voraussetzungen für die Gewährung von Übg getroffen. In dem Bescheid vom 5. Oktober 1989 hat sie ausdrücklich darauf hingewiesen, daß über Voraussetzungen, Höhe und Dauer des Übg ein gesonderter Bescheid ergehe. Auch wenn der Kläger “nur” ein höheres Übg begehrt, hat sich das Gericht nicht auf eine Überprüfung der für die Leistungshöhe maßgeblichen Regelung des § 59 Abs 2 und 3 AFG in der hier geltenden Fassung durch das Gesundheitsreformgesetz vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) zu beschränken. Es muß auch die Voraussetzungen des Abs 1 dieser Norm in der hier geltenden Fassung durch das 7. AFG-Änderungsgesetz vom 20. Dezember 1985 (BGBl I 2484) prüfen und deshalb die dafür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen treffen.

Aufgrund des Gesamtzusammenhanges der Feststellungen, insbesondere des Hinweises der Beklagten in dem Bescheid vom 5. Oktober 1989 auf die internatsmäßige Unterbringung, ist zwar davon auszugehen, daß der Kläger im Förderungszeitraum die Voraussetzungen des § 59 Abs 1 Satz 1 AFG erfüllt hat, also wegen der Teilnahme an der Förderungsmaßnahme keine ganztägige Erwerbstätigkeit ausüben konnte. Nicht entscheiden kann der Senat jedoch, ob die weiteren Voraussetzungen, insbesondere des § 59 Abs 1 Satz 3 AFG, gegeben sind. Maßgebend ist danach grundsätzlich, ob der Behinderte innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Maßnahme mindestens zwei Jahre lang eine Beitragspflicht begründende Beschäftigung ausgeübt oder Arbeitslosengeld (Alg) aufgrund eines Anspruchs von mindestens 156 Tagen oder im Anschluß daran Arbeitslosenhilfe (Alhi) bezogen hat. Das LSG wird hierzu die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben, ggf auch in bezug auf Ausnahmetatbestände.

Ferner läßt sich nicht beurteilen, ob dem Kläger ein höheres Übg zusteht. Gemäß § 59 Abs 2 Satz 1 und 2 AFG beträgt das Übg bei einem Behinderten, der die Voraussetzungen des § 111 Abs 1 Nr 1 AFG erfüllt oder der mit einem Ehegatten, bei dem bestimmte Voraussetzungen gegeben sein müssen, in häuslicher Gemeinschaft lebt, 80 vH des entgangenen regelmäßigen Arbeitsentgelts (Regelentgelt), bei allen anderen Behinderten 70 vH, jeweils begrenzt auf das entgangene regelmäßige Nettoarbeitsentgelt. Das LSG hat keine Feststellungen zum Familienstatus des Klägers getroffen. Damit läßt sich nicht beurteilen, nach welchem Vomhundertsatz des Regelentgelts sich das Übg bemißt. Auch das Nettoarbeitsentgelt ist nicht festgestellt worden, so daß sich nicht die Höchstbetragsgrenze bestimmen läßt.

Schließlich reichen die Feststellungen des LSG nicht aus, um das hier maßgebliche Regelentgelt gemäß § 59 Abs 3 AFG zu bestimmen. Dieses Regelentgelt ist Grundlage für die Bestimmung des je Kalendertag zustehenden Übg nach § 59 Abs 2 AFG. Seine Ermittlung erfolgt in unterschiedlicher Weise, nämlich danach, ob der Behinderte im Stunden- oder Monatslohn beschäftigt war. Es fehlt bereits die Feststellung, ob der Kläger einen Stunden- oder Monatslohn erhalten hat. Damit bleibt offen, ob die Berechnung des Regelentgelts nach § 59 Abs 3 Satz 1 und 2 AFG oder nach Satz 3 dieser Norm vorzunehmen ist. Eine solche Feststellung ist wegen der unterschiedlichen Berechnungsmethoden jedoch unerläßlich.

Bei einer Vergütung im Stundenlohn sind zwei Faktoren zu beachten. Zum einen ist das Arbeitsentgelt, das im letzten vor Maßnahmebeginn abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraum, mindestens aber während der letzten abgerechneten vier Wochen (Bemessungszeitraum) erzielt und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt (§ 227 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB V≫) vermindert worden ist, durch die Zahl der Stunden zu teilen, für die es gezahlt wurde (§ 59 Abs 3 Satz 1 AFG). Für die Errechnung dieses Stundenlohnes bzw Lohnfaktors ist auf den tatsächlich erzielten Verdienst und die ihm zugrunde liegenden Arbeitsstunden abzustellen. Ob im Bemessungszeitraum Über- oder Mehrarbeitsstunden regel- oder unregelmäßig geleistet wurden, ist unerheblich. Anders als beim Alg (§ 112 Abs 1 Satz 2 AFG) können also beim Übg die für Über- oder Mehrarbeit gezahlten Zuschläge den Lohnfaktor erhöhen.

Der ermittelte Lohnfaktor ist mit der Zahl der sich aus dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses ergebenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden (Zeitfaktor) zu vervielfachen und durch sieben zu teilen (§ 59 Abs 3 Satz 2 AFG). Allein bei der Errechnung des Zeitfaktors kann – wie noch darzulegen ist – die Einbeziehung von Über- oder Mehrarbeitsstunden problematisch sein. Hierbei verzichtet der Senat nachfolgend auf eine weitere Differenzierung zwischen Über- und Mehrarbeitsstunden (vgl zur Terminologie BAG AP Nr 4 zu § 87 BetrVG Stichwort Arbeitszeit). Vom Belang ist allein, ob die regelmäßige einzelvertragliche, tarifliche oder betriebliche Arbeitszeit, nicht aber die gesetzliche Arbeitszeit (48 Stunden in der Woche bzw 96 Stunden in der Doppelwoche, vgl §§ 3, 4 Abs 1 Arbeitszeitordnung ≪AZO≫) überschritten worden ist. Mehrarbeitsstunden gewinnen daher nur insoweit Bedeutung, als sie zugleich Überstunden sind (vgl Herschel Anm zu BAG AP Nr 28 zu § 2 ArbKrankhG). Damit kann nachfolgend allein auf den Begriff der Überstunde abgestellt werden (vgl auch Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd I, Stand Dezember 1993, § 47 SGB V Rz 100).

Bei Zahlung eines Monatslohnes ist das Regelentgelt nach einer anderen Methode zu ermitteln. In diesem Fall gilt der 30. Teil desjenigen Arbeitsentgelts als Regelentgelt, das im letzten vor Maßnahmebeginn abgerechneten Kalendermonat erzielt und um einmalig gezahltes Entgelt (§ 227 SGB V) vermindert worden ist (§ 59 Abs 3 Satz 3 AFG). Im Hinblick auf die unterschiedlichen Berechnungsmethoden (vgl dazu BSG SozR 3-2200 § 182 Nrn 7 und 8) durfte das LSG nicht auf die Feststellung verzichten, ob der Kläger in seinem letzten Beschäftigungsverhältnis einen Monats- oder Stundenlohn erhalten hat. Darüber hinaus ist (für beide Konstellationen) nicht der maßgebliche Bemessungszeitraum bzw Abrechnungsmonat festgestellt worden. Das LSG hat nicht angegeben, wann das letzte Arbeitsentgelt vor Maßnahmebeginn abgerechnet worden ist. Schließlich ist nicht ermittelt worden, welches Arbeitsentgelt der Kläger in dem jeweils maßgeblichen Zeitraum erzielt hat.

Sollte der Kläger – was naheliegt (vgl Arbeitsbescheinigung vom 10. Oktober 1989) – einen Stundenlohn erhalten haben, fehlen weitere wesentliche Feststellungen. Zum einen hat das LSG nicht die Arbeitsstunden angegeben, die dem im Bemessungszeitraum erzielten Verdienst zugrunde gelegen haben. Der Stundenlohn und damit der Lohnfaktor ist aber nur errechenbar, wenn Verdienst und Stundenzahl bekannt sind. Zum anderen läßt sich nicht nachvollziehen, wie das LSG den Zeitfaktor ermittelt hat, ob also – dem SG folgend – die angenommenen 50 Wochenstunden den regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden entsprachen. Auch wenn neben der “normalen” wöchentlichen Arbeitszeit Überstunden grundsätzlich berücksichtigungsfähig sind, reichen die bisherigen Feststellungen des LSG nicht für eine abschließende Entscheidung aus.

Das AFG definiert weder in § 59 AFG noch in anderen Vorschriften den in Abs 3 Satz 2 verwandten Begriff “der sich aus dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses ergebenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden”. Gleiches gilt für die Regelungen des Gesetzes zur Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) vom 7. August 1974 (BGBl I 1881), insbesondere in § 13 Abs 6 RehaAnglG, sowie für vergleichbare – noch darzustellende – Vorschriften des Sozialversicherungs- und Arbeitsrechts. Es ist daher Aufgabe der Rechtsprechung, Kriterien für eine Bestimmbarkeit des Begriffs “regelmäßig” zu entwickeln.

Schon nach dem Begriffsverständnis kann eine Regelmäßigkeit nur angenommen werden, wenn eine gewisse Gleichförmigkeit der tatsächlichen Gestaltung der individuellen Arbeitszeit gegeben ist. Dies schließt die mögliche Berücksichtigung von Überstunden mit ein. Auch sie können regelmäßig geleistet werden. Insoweit kann auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zum früheren § 2 Abs 2 des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfall (Arbeiterkrankheitsgesetz ≪ArbKrankhG≫ idF vom 12. Juli 1961 (BGBl I 913) Bezug genommen werden. Diese Norm sah ebenfalls eine Berechnung nach Lohn- und Zeitfaktoren vor und stellte in Satz 3 auf die sich “aus dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses ergebenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden” ab. Wie das BAG dargelegt hat, sind die regelmäßigen Arbeitsstunden nicht identisch mit der gesetzlichen, tariflich oder einzelvertraglich vorgesehenen Grundarbeitszeit. Vielmehr ist hierunter die in stetiger Wiederholung geleistete, wenn auch von der tariflichen oder vertraglichen abweichende und von Woche zu Woche nicht immer gleichbleibende Arbeitszeit zu verstehen, und zwar im Gegensatz zu einer nur vorübergehend verlängerten oder verkürzten Arbeitszeit (BAGE 15, 59 = AP Nr 18 zu § 2 ArbKrankhG). Werden somit Überstunden nicht nur vorübergehend geleistet, können sie durchaus als regelmäßige Arbeitsstunden berücksichtigt werden (Hennig/Kühl/Heuer/Henke, Komm zum AFG, Stand September 1993, § 59 Anm 16; Gagel, Komm zum AFG, Stand Mai 1994, § 59 Rz 10; Götze in Gemeinschaftskomm-AFG, Stand September 1993, § 59 Rz 17; Peters, aaO; Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Komm, Stand November 1993, § 47 SGB V Rz 47; Höfler in KassKomm, Stand Oktober 1993, § 47 SGB V Rz 24; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd II, Stand September 1989, S 394n; Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (Hrsg), Komm zum Recht der gesetzlichen Rentenversicherung – Sozialgesetzbuch Sechstes Buch –, Bd 1, Stand Juli 1993, § 21 Anm 6.1 ≪S 6≫; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung – SGB VI, 3. Aufl, Stand September 1993, § 21 Rz 16; Koch/Hartmann/von Altrock/Fürst, Komm zum AVG, Bd IV, Stand April 1989, § 18 Anm 1.1.4.3; Lauterbach, Komm zur Unfallversicherung, Bd 2, 3. Aufl, Stand September 1992, § 561 Anm 1.1.1.4.1; Rohr/Strässer, BVG mit Verfahrensrecht, Handkomm, Stand April 1993, § 16a Anm 2 zu 4.). Diesen Erwägungen schließt sich der Senat an.

Problematisch ist die Bestimmung der regelmäßigen Arbeitsstunden in den Fällen der Arbeitszeitschwankungen. Vorliegend kommt es auf die Behandlung solcher Schwankungen als Folge von Überstunden an. Ob Überstunden regelmäßig oder nur vorübergehend geleistet worden sind, kann nur unter Betrachtung einer bestimmten Zeitspanne des letzten Beschäftigungsverhältnisses beantwortet werden. Diese muß in jedem Fall länger sein als der – mindestens vierwöchige – Bemessungszeitraum. Ansonsten wären die tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden iS von § 59 Abs 3 Satz 1 AFG identisch mit den regelmäßigen Arbeitsstunden iS von Satz 2 dieser Norm. Dies entspricht offensichtlich nicht der Gesetzeslage, die einen von Fall zu Fall komplizierten Rechenvorgang unter Verwendung von Lohn- und Zeitfaktoren verlangt (BAG AP Nr 28 zu § 2 ArbKrankhG) und die ebenso offensichtlich auf der Erwägung beruht, daß in Arbeitsverhältnissen, in denen ein Stundenlohn gezahlt wird, Arbeitszeitschwankungen typischer sind und häufiger auftreten als in Arbeitsverhältnissen, in denen ein Monatslohn vereinbart worden ist. Um in Fällen der Leistungsbemessung, in denen – wie beim Übg – der (Stunden-)Lohnfaktor nach einem relativ kurzen Bemessungszeitraum ermittelt wird, die Gefahr von Zufallsergebnissen zu minimieren, ist korrigierend der Zeitfaktor als Multiplikator eingefügt worden. Diese Funktion kann er – wie dargelegt – nur erfüllen, wenn sich die Frage der Regelmäßigkeit nach einer Zeitspanne beantwortet, die die Dauer des Bemessungszeitraumes überschreitet.

Das BAG hat in ständiger Rechtsprechung zu § 2 Abs 2 ArbKrankhG Überstunden als regelmäßige Arbeitsstunden angesehen, wenn sie in einem Zeitraum von drei Monaten erbracht wurden, wobei in Ausnahmefällen auch auf einen längeren Zeitraum abgestellt wurde (BAG AP Nrn 18, 20, 21, 28 zu § 2 ArbKrankhG). Dieser Rechtsprechung hat sich der 3. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) für den Bereich der Krankenversicherung (KV) angeschlossen (vgl BSGE 35, 126, 127 ff = SozR Nr 57 zu § 182 Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫). Hierbei ist unter weiterer Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien zu § 182 Abs 5 RVO idF der Gesetze vom 12. Juli 1961 (BGBl I 913) und 24. August 1965 (BGBl I 912) und auf die Literatur dargelegt worden, daß es “im allgemeinen” erforderlich sei, Überstunden dann in die Regellohnberechnung einzubeziehen, wenn sie mindestens während der letzten abgerechneten drei Monate bzw dreizehn Wochen regelmäßig, dh ohne längere Unterbrechungen, geleistet worden seien. Habe die Zahl der auf die einzelnen Abrechnungszeiträume entfallenden Überstunden geschwankt, sei der wöchentliche Durchschnitt maßgebend (ebenso BSG SozR 2200 § 182 Nr 59 zu § 182 Abs 5 RVO idF des RehaAnglG).

Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung für den Anwendungsbereich des § 59 AFG an. § 182 Abs 5 Satz 4 RVO idF der Gesetze vom 12. Juli 1961 und 24. August 1965 hat eine damit inhaltlich übereinstimmende Formulierung (“der sich aus dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses ergebenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden”) verwendet. § 182 Abs 5 Satz 1 und 2 RVO idF des RehaAnglG und § 59 Abs 3 Satz 1 und 2 AFG stimmen – entsprechend den Vorgaben in § 13 Abs 6 Satz 1 und 2 RehaAnglG – im Wortlaut überein. Die Rechtsprechung des 3. Senats des BSG zu § 182 Abs 5 RVO aF (jetzt § 47 Abs 2 Satz 1 und 2 SGB V) trägt dem Gebot Rechnung, von einer längeren Zeitspanne als der des Bemessungszeitraumes ausgehen zu müssen. Andererseits ist eine zeitliche Begrenzung erforderlich. Insoweit bot sich für den Bereich der KV an, auf die Regelung für das Mutterschaftsgeld in § 200 Abs 2 RVO zurückzugreifen. Im Hinblick auf die durch das RehaAnglG herbeigeführte Vereinheitlichung der Leistungsberechnung von Krankengeld und Übg (vgl § 2 Nrn 1 und 6 sowie § 13 RehaAnglG) hat der Senat keine Bedenken, auch für den Bereich des § 59 Abs 3 Satz 2 AFG den Begriff der Regelmäßigkeit grundsätzlich – wie in der KV – nach den letzten abgerechneten Lohnabrechnungszeiträumen von drei Monaten zu bestimmen.

Zum gleichen Zeitraum kann man auch bei Heranziehung des Arbeitsförderungsrechts selbst gelangen, nämlich des § 112 Abs 2 Satz 1 AFG idF des 8. AFG-Änderungsgesetzes vom 14. Dezember 1987 (BGBl I 2602). Auch hier wurde, um Zufallsergebnisse zu vermeiden, bei der Ermittlung des Bemessungsentgeltes für die Berechnung des Alg auf einen abgerechneten Zeitraum von drei Monaten abgestellt. Der Senat läßt nicht außer acht, daß die Neufassung des § 112 Abs 2 Satz 1 AFG durch das Erste Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogrammes (1. SKWPG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 2353) mit Wirkung zum 1. Januar 1994 die zu berücksichtigenden Lohnabrechnungszeiträume auf sechs Monate erweitert hat. Dadurch sollen Manipulationsmöglichkeiten bei der Bemessung des Alg – stärker als nach dem bisherigen Recht – eingeschränkt werden (so die Begründung zum Reg-Entwurf, BT-Drucks 12/5502 S 33). Unabhängig davon, daß diese Gesetzesänderung den hier relevanten Zeitraum nicht betrifft, hält es der Senat im Hinblick auf die im Rehabilitationsrecht angestrebte Einheitlichkeit der Leistungsgewährung bzw -berechnung für geboten, im Regelfall an dem Drei-Monats-Zeitraum (Referenzzeitraum) festzuhalten. In Ausnahmefällen kann es dagegen – wie noch darzulegen – angemessen sein, den zeitlichen Rahmen auszudehnen.

Das LSG hat nicht festgestellt, welche letzten drei Monate des Beschäftigungsverhältnisses vor Maßnahmebeginn abgerechnet waren. Dies ist nachzuholen. Sollte es sich hierbei – wie das LSG offenbar unterstellt hat – um die Monate April, Mai und Juni 1989 gehandelt haben, wäre nach den nicht angegriffenen und deshalb für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) davon auszugehen, daß der Kläger im April 1989 keine Überstunden geleistet hat. Dies könnte sich auf ihre Anrechenbarkeit auswirken.

Der 3. Senat des BSG hat in den oa Urteilen betont, daß die Überstunden während der drei Monate regelmäßig, dh ohne längere Unterbrechungen geleistet worden sein müssen. Wann eine längere Unterbrechung anzunehmen ist, ist nicht dargelegt worden. Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des BAG zu den gleichlautenden Begriffen des § 2 Abs 2 ArbKrankhG. Danach sind Überstunden innerhalb der drei Monate nicht regelmäßig, dh nicht in laufender Wiederkehr, geleistet worden, wenn in einem Zeitraum von einem Monat keine Überstunde erbracht worden ist (BAG AP Nr 28 zu § 2 ArbKrankhG). Eine solche Unterbrechung bestand nach den Feststellungen des LSG im Monat April 1989. Da die Sache ohnedies zurückverwiesen werden muß, wird das LSG Veranlassung haben, sowohl diese Feststellungen als auch die bisherigen Schlußfolgerungen erneut zu überprüfen, und zwar aus folgenden Gründen:

Ob und ggf in welchem Umfang Überstunden geleistet worden sind, läßt sich nur beurteilen, wenn die Grundarbeitszeit bekannt ist. Die Grundarbeitszeit des Klägers hat das LSG nicht ausdrücklich festgestellt. Nach dem Gesamtzusammenhang seiner Ausführungen ist es jedoch von einer tariflichen Arbeitszeit von 40 Wochenstunden als Grundarbeitszeit ausgegangen. Im Tatbestand seines Urteils hat es nämlich wiedergegeben, daß nach den Ausführungen des SG “Mehrarbeitsstunden” (gemeint sind offensichtlich Überstunden in einem umfassenden Sinne) über die tarifliche Arbeitszeit von 40 Stunden hinaus geleistet worden seien. Zwar wäre dies für sich gesehen nur eine Wiedergabe des erstinstanzlichen Urteils und keine eigene Feststellung des LSG. Eine solche kann jedoch den Entscheidungsgründen entnommen werden. Dort ist ausgeführt worden, daß die vom SG berechnete Arbeitszeit von 50 Stunden korrekt sei. Da vom SG aber 10 Überstunden wöchentlich berücksichtigt worden sind, wollte das LSG offensichtlich in Übereinstimmung mit dem SG zum Ausdruck bringen, daß die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit des Klägers 40 Stunden betragen hat.

Wenn die tarifliche Arbeitszeit mit der wöchentlichen Grundarbeitszeit identisch sein sollte, läßt sich die Feststellung des LSG, im April 1989 seien keine Überstunden geleistet worden, nicht ohne weitere Erläuterungen in Einklang mit den Zeitangaben in den vom SG beigezogenen Lohnabrechnungen bringen. Danach hat der Kläger im April 1989 180 Stunden gearbeitet. Bei einer wöchentlichen Grundarbeitszeit von 40 Stunden würde die monatliche Arbeitszeit 173,33 Stunden (40 × 13 : 3) betragen. Demzufolge müßten Überstunden im Umfang der Differenz zu 180 Stunden erbracht worden sein. Es drängt sich somit auf, daß das LSG nochmals Feststellungen zur regelmäßigen einzelvertraglichen, tariflichen oder betrieblichen Arbeitszeit trifft. Erst danach könnte mit ausreichender Sicherheit beurteilt werden, ob der Kläger im Monat April 1989 Überstunden geleistet hat oder nicht.

Vorsorglich wird darauf hingewiesen, daß es für die Qualifizierung von Arbeitsstunden als Überstunden nicht darauf ankommt, ob der Kläger für solche Stunden über die Grundvergütung hinaus jeweils Anspruch auf Überstunden- oder Mehrarbeitszuschläge gehabt hat. Sollte der Arbeitgeber nur Über- oder Mehrarbeitsstunden angegeben haben, für die Zuschläge gezahlt worden sind, wäre dessen Auskunft schon aus diesem Grund nicht verwertbar. Zuschläge haben allein Bedeutung für den Lohn-, nicht aber für den Zeitfaktor.

In diesem Zusammenhang weist der Senat ferner darauf hin, daß für das LSG auch Anlaß bestehen könnte, seine Feststellungen bzgl der geleisteten Überstunden für die sonstigen Monate zu überprüfen. Dies gilt ua für die weiteren zwei Monate des möglichen Referenzzeitraumes. Nach den Lohnabrechnungen hat der Kläger im Mai 1989 insgesamt 236,75 und im Juni 1989 254 Stunden gearbeitet. Bei der vom LSG angenommenen Grundarbeitszeit von wöchentlich 40 bzw monatlich 173,33 Stunden läßt sich nicht nachvollziehen, warum von den geleisteten Stunden im Mai nur 52,75 Stunden und im Juni gar nur 22 Stunden Überstunden sein sollen.

Sollte der Kläger im April 1989 keine Überstunden erbracht haben und damit im möglichen dreimonatigen Referenzzeitraum ein Monat nicht mit Überstunden belegt sein, wäre damit nicht von vornherein die Einbeziehung von Überstunden in die Bemessung des Übg ausgeschlossen. Der 3. Senat des BSG hat in dem Urteil vom 23. Januar 1973 (aaO) betont, daß es “im allgemeinen” erforderlich sei, auf die letzten abgerechneten drei Monate bzw dreizehn Wochen abzustellen. Schon diese Formulierung zeigt, daß der Referenzzeitraum von drei Monaten nur den Regelfall betrifft. Darüber hinaus müssen Besonderheiten des Einzelfalles ggf berücksichtigt werden. Dies ergibt sich bereits aus dem Begriff der Regelmäßigkeit, der sich an der tatsächlichen Gestaltung der individuellen Arbeitsverhältnisse zu orientieren hat (BSG aaO) und keine Schematisierung in einem abschließenden Sinne erlaubt. Die Spanne von drei Monaten bzw dreizehn Wochen bildet keine starre Grenze (Peters, aaO, Rz 108).

Zudem gebieten Sinn und Zweck der Leistungsberechnung nach einem Zeitfaktor – wie in § 59 Abs 3 Satz 2 AFG – die Berücksichtigung von Ausnahmen. Das Übg soll – ausgehend von den bisherigen Einkommensverhältnissen – den weggefallenen Lohn ersetzen und die wirtschaftliche Sicherung des Behinderten und seiner Familie in Anlehnung an den bisherigen Lebensstandard gewährleisten (BSG SozR 3-4100 § 59 Nr 3; BSGE 53, 229, 232 = SozR 2200 § 1241 Nr 21; vgl auch die Begründung zu § 13 RehaAnglG in BT-Drucks 7/1237 S 58 f). Die Höhe der Leistung richtet sich nach dem entgangenen regelmäßigen Arbeitsentgelt und nicht nach dem von dem Behinderten während der Förderungsmaßnahme mutmaßlich erzielten Verdienst (Abweichung vom reinen Lohnausfallprinzip, vgl insoweit zum Krankengeld BSG SozR 3-2200 § 182 Nr 8; BSG SozR 2200 § 182 Nrn 59 und 92). Lohn- und Zeitfaktor sind Größen, die sich nach den zurückliegenden Gegebenheiten des Arbeitsverhältnisses bestimmen. Ob sie bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses weiter gegolten hätten, ist unerheblich. Den in der Vergangenheit liegenden individuellen Verhältnissen des Behinderten soll unter weitestgehender Ausschaltung von Zufallsergebnissen Rechnung getragen werden. Diese Zielsetzung kann die Heranziehung eines über drei Monate hinausreichenden Referenzzeitraumes erfordern.

Der 3. Senat des BSG (aaO) brauchte sich nicht damit auseinanderzusetzen, wann eine solche Abweichung vom Regelfall erforderlich erscheint. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist dies insbesondere in zwei Fallgestaltungen geboten. Zum einen ist dies anzunehmen, wenn die vorübergehende Nichtleistung von Überstunden im Drei-Monats-Zeitraum nicht durch die Art der Tätigkeit bedingt war, sondern durch davon unabhängige Faktoren, wie Arbeitsunfähigkeit, Kur oder Urlaub (vgl auch BAG AP Nr 4 zu § 2 LohnFG; Töns, Die wirtschaftliche Sicherung der Arbeitnehmer bei Arbeitsunfähigkeit, 1970, C § 2 IIIa; Zies, SozVers 1962, 247, 248; Jacob, BKK 1973, 308, 309; Gotzen, BlStSozRArbR 1969, 289, 291). In diesen Fällen ergibt sich die scheinbare Unregelmäßigkeit der Erbringung von Überstunden nicht aus dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses, so daß dem Arbeitnehmer daraus keine Nachteile erwachsen dürfen. In Anlehnung an die Regelung des § 112 Abs 2 Satz 3 AFG, und zwar sowohl in der bis zum 31. Dezember 1993 als auch in der ab 1. Januar 1994 geltenden Fassung, bietet es sich an, den Regelzeitraum auszudehnen, bis er wieder drei abgerechnete Monate umfaßt, in denen die Besonderheiten für eine Abkehr vom Regelfall nicht gegeben sind. Sind die dann zu berücksichtigenden drei Monate zumindest mit jeweils einer Überstunde belegt, müssen Überstunden in die Regellohnberechnung einbezogen werden. Bei Schwankungen ist ein Durchschnitt aus diesen drei Monaten zu bilden.

Das LSG wird somit aufzuklären haben, warum der Kläger im Monat April 1989 – sofern dieser Monat keine Überstunden ausweist – keine Überstunden erbracht hat. Ggf ist der vorhergehende Monat März 1989 in die Bewertung einzubeziehen.

Vorsorglich weist der Senat darauf hin, daß noch ein weiterer Ausnahmefall in Betracht gezogen werden könnte. Ein solcher könnte gegeben sein, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund bestimmter Vereinbarungen in besonderer Weise auf Überstunden zielte und diese dadurch zum wesentlichen Inhalt des Arbeitsverhältnisses gehörten, die Zahl der Überstunden aber gleichzeitig aufgrund der Art der Arbeit stark schwankte, es also zu erheblichen Überstundenballungen, aber auch zu Unterbrechungen kam (BAG AP Nr 21 zu § 2 ArbKrankhG; Meyer/Opitz, MittLVA Oberfr 1989, 90, 93; Jacob, aaO). Ein solcher Ausnahmefall ist durch die Erbringung von Überstunden “nach Bedarf” geprägt, zB weil der Arbeitnehmer gerade auch zur Ausführung von Arbeiten außerhalb der normalen Arbeitszeit eingestellt worden ist und erhebliche Schwankungen im Überstundenanfall auftreten (BAG aaO) oder es sich um Saisonbetriebe oder um saisonmäßig arbeitende Abteilungen handelt, nicht aber schon, wenn der Arbeitnehmer in der laufenden Produktion (vgl dazu BAG AP Nr 28 zu § 2 ArbKrankhG) oder zB im Dienstleistungsbereich tätig ist und hierbei Überstunden anfallen, ohne daß es speziell darauf hinzielende Vereinbarungen gibt. Allein die Tatsache, daß es sich um schwankende Überstundenleistungen handelt, rechtfertigt noch kein Abweichen vom allgemein maßgeblichen Drei-Monats-Zeitraum (Jacob, aaO; aA wohl LSG Nordrhein-Westfalen, Breithaupt 1989, 198, 201). Entgegen der Auffassung des LSG kommt es auch nicht darauf an, ob das Arbeitsverhältnis eine kurze oder lange Zeit bestanden hat. Maßgebend für die Einbeziehung von Überstunden ist der Inhalt des Arbeitsverhältnisses, nicht aber seine Dauer.

Nach Auffassung des Senats würde sich die ggf vorzunehmende Erweiterung des Referenzzeitraums nach den Erfordernissen des Einzelfalles bestimmen. Es muß ein solcher Zeitraum gewählt werden, daß die Regelmäßigkeit der Arbeitszeit ausreichend erfaßt wird. Hierbei kann auf einen Mindestzeitraum von sechs Monaten (insoweit in Anlehnung an die zum 1. Januar 1994 in Kraft getretenen Neufassung des § 112 Abs 2 Satz 1 AFG), höchstens aber auf einen Zeitraum von einem Jahr abgestellt werden (so BAG AP Nr 21 zu § 2 ArbKrankhG).

Diese Methode der Ermittlung regelmäßiger Überstunden käme allerdings nur in Betracht, wenn “nicht wesentliche” Unterbrechungen vorlägen. Anderenfalls kann eine Regelmäßigkeit von Überstunden nicht mehr angenommen werden. Das BAG (AP Nr 21 zu § 2 ArbKrankhG) hat den Ausfall eines Monats innerhalb eines Jahres nicht als Unterbrechung angesehen sowie im konkreten Fall auch den Ausfall von drei Monaten innerhalb des Jahreszeitraumes als unwesentlich gewertet und folglich Überstunden als regelmäßige Arbeitszeit berücksichtigt. Der erkennende Senat neigt der Auffassung zu, daß ein Ausfall von 1/6, bezogen auf den jeweiligen verlängerten Referenzzeitraum, unwesentlich sein dürfte, sofern die typischen Konstellationen (Überstundenballungen und Unterbrechungen) gegeben sind.

Von einer abschließenden Erörterung des aufgezeigten weiteren Ausnahmefalles kann der Senat absehen. Die bisherigen Feststellungen des LSG lassen nicht erkennen, ob ein solcher vorliegen könnte. Das LSG wird im Bedarfsfall die entsprechende Sachermittlung und Rechtsprüfung vorzunehmen haben.

Wegen der bislang fehlenden Feststellungen kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob im vorliegenden Rechtsstreit von einem Referenzzeitraum von drei Monaten als Regelfall auszugehen oder dieser Zeitraum ausnahmsweise wegen eines Monats ohne Überstunden auf einen vorhergehenden Monat auszudehnen oder ob als weiterer Ausnahmefall ein Referenzzeitraum von sechs oder zwölf Monaten zu berücksichtigen ist. Dies, aber auch die aufgezeigten weiteren fehlenden Feststellungen sowie die Nichteinbeziehung des Bescheides vom 16. Mai 1991 führen zur Zurückverweisung an das LSG (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

Das Berufungsgericht wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 911870

BSGE, 199

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