Rz. 7

Nur Versicherte, bei denen eine Kiefer- oder Zahnfehlstellung vorliegt, haben einen Anspruch auf kieferorthopädische Versorgung in Form der Sachleistung. Die Vorschrift begrenzt den Leistungsanspruch auf solche Fälle, in denen die im Einzelnen aufgezählten erheblichen Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen oder drohen.

 

Rz. 8

Die durch das GSG in § 28 Abs. 2 eingeführte Begrenzung der kieferorthopädischen Behandlung zulasten der Krankenkasse auf Versicherte, die bei Beginn der Behandlung (d. h. Aufstellung des kieferorthopädischen Behandlungsplanes) das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 28 Abs. 2 Satz 6), gilt nach wie vor unverändert. Die Behandlung muss innerhalb von 12 Monaten nach Aufstellung des Behandlungsplans tatsächlich umgesetzt werden (BSG, Urteil v. 25.3.2003, B 1 KR 17/01 R). Nach Vollendung des 18. Lebensjahres kommt weder die Fortsetzung einer zuvor abgebrochenen Behandlung noch eine Behandlung aus posttherapeutischen Gründen im Betracht (vgl. Knispel, in: BeckOK Sozialrecht SGB V, § 28 Rz. 26 m. w. N.).

 

Rz. 9

Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, haben Anspruch auf kieferorthopädische Behandlung nur bei Vorliegen schwerer Kieferanomalien. Diese sind in § 28 Abs. 2 Satz 7 näher beschrieben und in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses für die kieferorthopädische Behandlung präzisiert. Schwere Kieferanomalien in diesem Sinne liegen nach Maßgabe der Anlage zu diesen Richtlinien vor bei angeborenen Missbildungen des Gesichts und der Kiefer, skelettalen Dysgnathien und verletzungsbedingten Kieferfehlstellungen (vgl. näher § 28 Rz. 11).

 

Rz. 10

Eine von der ursprünglichen Regelung in der RVO abweichende Konzeption ist die Anknüpfung der kieferorthopädischen Versorgung an pauschale Voraussetzungen in Gestalt von medizinisch begründeten Indikationsgruppen (Kiefer- oder Zahnfehlstellung, die das Kauen, Beißen, Sprechen oder Atmen erheblich beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht), die vom Gemeinsamen Bundesausschuss festzulegen sind (vgl. Abs. 4). Diese Indikationsgruppen müssen befundbezogen definiert und objektiv überprüfbar sein. Nach Auffassung des Gesetzgebers war sicherzustellen, dass die Indikationen in den Kieferorthopädie-Richtlinien nicht therapiebezogen, sondern befundbezogen definiert werden. Eine verbindliche Indikationsrichtlinie gewährleistet, dass die medizinische Indikation genauer von der überwiegend ästhetischen Indikation abgegrenzt und objektiv überprüfbar gemacht wird (BT-Drs. 14/1245 S. 5, 65). Für eine (nur) therapiebezogene Indikation war ab 1.1.1999 kein Raum mehr.

Eine erhebliche Beeinträchtigung i. S. d. Abs. 1 Satz 1 liegt allerdings bei geringfügigen Dreh- und Engständen im Frontzahnbereich, kieferorthopädischen Maßnahmen bei Erwachsenen mit voll ausgebildetem Gebiss oder Maßnahmen zum Schließen einer Gebisslücke nicht vor (vgl. BT-Drs. 11/2237 S. 172).

 

Rz. 11

Die Einzelheiten sind in den entsprechend Abs. 4 und § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 erlassenen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses für die kieferorthopädische Behandlung geregelt (vgl. dazu https://www.g-ba.de/richtlinien/28/). In der Anlage 1 dieser Richtlinien hat der Gemeinsame Bundesausschuss folgende kieferorthopädische Indikationsgruppen festgelegt: Kraniofasziale Anomalie, Zahnunterzahl, Durchbruchstörungen, transversale Abweichung, Kontaktpunktabweichung/Engstand, Platzmangel. Durch die Richtlinien wird der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen gemäß § 91 Abs. 6 verbindlich gesetzlich festgelegt (vgl. zum Umfang der normativen Wirkung ausführlich Nolte, in: KassKomm. SGB V, § 29 Rz. 20 ff.).

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