Entscheidungsstichwort (Thema)

Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs bei gewährter Entschädigungsleistung und nicht eingehaltener Kündigungsfrist des Arbeitgebers

 

Orientierungssatz

1. Für das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld kommt es nach § 143 a Abs. 1 S. 1 SGB 3 darauf an, dass die Entschädigungsleistung wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Nichteinhaltung der Kündigungsfrist des Arbeitgebers gezahlt worden ist. Dazu muss zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Abfindung ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Ist in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich die Klausel enthalten, dass die Abfindung wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes gezahlt wird, so bestehen keinerlei Zweifel an der Kausalität zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Abfindung.

2. Die Vorschrift enthält die unwiderlegbare Vermutung, dass in den wegen vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährten Abfindungen, Entschädigungen und ähnlichen Leistungen in pauschaliertem Umfang auch Arbeitsentgelte enthalten sind. Eine Prüfung im Einzelfall, ob eine bestimmte Abfindung entgegen der Annahme des Gesetzgebers keinen Lohnausfall vergütet, ist dabei nicht vorgesehen.

3. Voraussetzung für das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs ist, dass die ordentliche Kündigungsfrist des Arbeitgebers nicht eingehalten worden ist. Unverschuldete krankheitsbedingte Fehlzeiten rechtfertigen nur eine ordentliche Kündigung. Dabei ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich.

4. Bei der Berechnung des Ruhenszeitraumes stellt § 143 a SGB 3 nur auf die Dauer der Betriebs- oder Unternehmenszugehörigkeit ab. Damit bleiben Vorbeschäftigungszeiten in demselben Betrieb außer Betracht, wenn zwischenzeitlich ein anderes Beschäftigungsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber bestanden hat.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 19. November 2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über das Ruhen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) wegen Erhalts einer Entlassungsentschädigung.

Der 1967 geborene Kläger stand zuletzt vom 1. Februar 1994 bis zum 8. August 2008 in einem Beschäftigungsverhältnis als Altenpfleger bei der S (Evangelische S K gemeinnützige GmbH). Zuvor hatte er ab 1992 bis August 1993 bei der S entgeltlich ein Anerkennungspraktikum im Zusammenhang mit seiner Umschulung zum Altenpfleger absolviert. Danach hat er zunächst bei der S und später vorübergehend - bis Januar 1994 - bei einem anderen Träger als Altenpfleger gearbeitet, bevor er ab 1. Februar 1994 wieder bei der S beschäftigt war. In diesem Beschäftigungsverhältnis betrug die maßgebende Kündigungsfrist des Arbeitgebers sechs Monate zum Monatsende; nach dem Inhalt der Arbeitsbescheinigung war die ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber nicht ausgeschlossen. Zuletzt war der Kläger seit dem 26. Februar 2007 arbeitsunfähig; vom 26. Februar 2006 bis 16. März 2008 sowie vom 11. Mai 2008 bis 14. Juli 2008 bezog er Krankengeld. Vom 17. März 2008 bis zum 10. Mai 2008 unterzog der Kläger sich einer stationären Heilbehandlung. In dem ärztlichen Entlassungsbericht der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 19. Mai 2008 finden sich die Diagnosen "Mittelgradige depressive Episode" und "Sonstige spezifische Persönlichkeitsstörungen". In der Beschreibung des Leistungsvermögens heißt es "Keine Tätigkeiten mit gehobenen Anforderungen an die Verantwortung für Personen und Sachen sowie an die Kontakt- und Konfliktfähigkeit. Keine Tätigkeiten in sozial-pflegerisch helfenden Berufen". In seinem bisherigen Beruf als Altenpfleger könne der Kläger nur noch weniger als drei Stunden tätig sein; im Übrigen sei für den allgemeinen Arbeitsmarkt ein vollschichtiges Leistungsvermögen bei bestimmten qualitativen Einschränkungen vorhanden.

In einem arbeitsgerichtlichen Verfahren (Az. 2 Sa 162/08), in dem der Kläger Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Mobbings geltend gemacht hatte, stellte das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein mit Beschluss vom 8. August 2008 das Zustandekommen folgenden Vergleichs zwischen den Parteien des Arbeitsverhältnisses fest:

1. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endet einvernehmlich mit dem 8. August 2008.

2. Für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt die Beklagte an den Kläger gemäß §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz eine Abfindung in Höhe von 5.000,00 EUR brutto.

3. Am 7. August 2008 meldete der Kläger sich mit Wirkung vom 8. August 2008 arbeitslos und beantragte Alg. Mit Bescheid vom 2. Oktober 2008 stellte die Beklagte das Ruhen des Leistungsanspruchs wegen Erhalts einer Entlassungsentschädigung nach § 143a Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bis zum 4. September 2008 fest. Ab dem 5. September 2008 bewilligte sie dem Kläger Alg bei einem Leistungsbetrag von täglich 40,80 EUR. Gegen den Ruhensbescheid erhob der Kläger am 27. Oktober 2008 Widerspruch und machte ...

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