1 Allgemeines

 

Rz. 1

Das "Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend", das JArbSchG, ist Ausdruck der öffentlich-rechtlichen Sorge um die Arbeitsbedingungen noch nicht volljähriger Beschäftigter. Es erweitert den sonstigen Arbeitsschutz um Bestimmungen, die notwendig sind, um jungen Arbeitnehmern einen Schutz zukommen zu lassen, dessen sie im Hinblick auf körperliche Beschaffenheit und seelische Lage vor Vollendung des 18. Lebensjahres bedürfen.

Das JArbSchG unterscheidet in seinem Anwendungsbereich zwischen der Beschäftigung von Kindern (wer noch nicht 15 Jahre alt ist, § 2 Abs. 1 JArbSchG) und jener von Jugendlichen (wer 15, aber noch nicht 18 Jahre alt ist, § 2 Abs. 2 JArbSchG) und stellt Regeln auf, die insbesondere die Vereinbarkeit der Beschäftigung mit der geltenden Schulpflicht absichern. So statuiert etwa § 2 Abs. 3 JArbSchG, dass auf Jugendliche, die der Vollzeitschulpflicht unterliegen, die für Kinder geltenden Vorschriften Anwendung finden. Für Kinder gilt ein grundsätzliches Verbot ihrer Beschäftigung[1], das lediglich in engen Grenzen aufgehoben wird[2].

Für die Beschäftigung Jugendlicher (vgl. Dritter Abschnitt, §§ 8 ff. JArbSchG) sind in den §§ 28-31 JArbSchG besondere Pflichten des Arbeitgebers beschrieben, die der besonderen Schutzbedürftigkeit dieses Beschäftigtenkreises Rechnung tragen. So konkretisiert § 30 JArbSchG die Fürsorgepflichten eines Arbeitgebers, der einen Jugendlichen[3] in die häusliche Gemeinschaft aufgenommen hat. Im vorliegenden Zusammenhang ist der Anspruch des Jugendlichen auf Krankenfürsorge von Interesse (§ 30 Abs. 1 Nr. 2 JArbSchG), der entsteht, wenn der Jugendliche in die häusliche Gemeinschaft des Arbeitgebers aufgenommen worden ist.

[3] Für Kinder gilt der Schutz im Rahmen des § 5 Abs. 2 JArbSchG entsprechend, vgl. § 5 Abs. 2 Satz 2 JArbSchG.

2 Anspruch auf Krankenfürsorge (Abs. 1 Nr. 2)

2.1 Anspruchsvoraussetzungen

 

Rz. 2

Eine häusliche Gemeinschaft im Sinne des Gesetzes liegt zunächst dann vor, wenn der Arbeitgeber den Jugendlichen derart in seinen Familienhaushalt aufnimmt, dass dieser zum persönlichen Lebensmittelpunkt des Jugendlichen wird.[1] Darüber hinaus zählt zur häuslichen Gemeinschaft auch jede andere vom Arbeitgeber selbst oder über einen Dritten geschaffene Gemeinschaft mehrerer Arbeitnehmer, wie etwa Wohn- bzw. Schwesternheime, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber an einer solchen persönlich teilnimmt.[2]

 

Rz. 3

Die Verpflichtungen des § 30 JArbSchG bei Aufnahme in die häusliche Gemeinschaft gehen über das Maß an Fürsorge hinaus, das einem Arbeitgeber oder Ausbildenden bereits nach den §§ 617, 618 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auferlegt ist.[3]

 

Rz. 4

Der Arbeitgeber muss seiner Fürsorgepflicht im Rahmen des § 30 JArbSchG auch dann nachkommen, wenn die Erkrankung des Jugendlichen von diesem selbst verschuldet, also grob fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführt wurde.[4] Ob im Falle schuldhaft herbeigeführter Erkrankungen ein Anspruchsausschluss unter dem Aspekt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) in Betracht kommt, muss im Einzelfall beurteilt werden; er sollte jedoch auf Extremfälle beschränkt bleiben.[5]

[1] ErfK/Schlachter, 23. Aufl. 2023, § 30 JArbSchG, Rz. 1.
[2] BAG, Urteil v. 8.6.1955, 2 AZR 200/54, BB 1956, 692; vgl. auch ErfK/Roloff, 23. Aufl. 2023, § 618 BGB, Rz. 14.
[3] Vgl. im Einzelnen Rambach, § 616 BGB, Rz. 1; Rambach, § 617 BGB, Rz. 1; vgl. konkret zu § 30 JArbSchG ErfK/Schlachter, 23. Aufl. 2023, § 30 JArbSchG, Rz. 1f.
[4] ErfK/Schlachter, 23. Aufl. 2023, § 30 JArbSchG, Rz. 2.
[5] So Schmitt/Schmitt, EFZG, 9. Aufl. 2023, § 30 JArbSchG, Rz. 8.

2.2 Anspruchsumfang

 

Rz. 5

§ 30 Abs. 1 Nr. 2 JArbSchG bestimmt, dass der Arbeitgeber einem in die häusliche Gemeinschaft aufgenommenen Jugendlichen bei einer Erkrankung die erforderliche Pflege und ärztliche Behandlung zuteil werden lassen muss. Dies gilt jedoch zum einen grundsätzlich nicht über die Beendigung der Beschäftigung hinaus; zum anderen tritt der Arbeitgeber lediglich dann ein, wenn Pflege und Behandlung nicht von einem Sozialversicherungsträger geleistet werden.

 
Hinweis

Die Krankenfürsorgepflicht des Arbeitgebers nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 JArbSchG tritt neben seine Entgeltfortzahlungsverpflichtung nach den allgemeinen Regeln des § 3 EFZG (vgl. auch § 19 Abs. 1 Nr. 2 BBiG[1]). Die Frage, ob während der Erkrankung das Entgelt fortzuzahlen ist, wird demnach von § 30 JArbSchG nicht geregelt.

 

Rz. 6

Ärztliche Behandlung umfasst die Behandlung durch einen approbierten Arzt, ggf. durch einen Facharzt, ebenso wie einen Krankenhausaufenthalt. Pflege bedeutet zum einen die Gewährung von Verpflegung, umfasst darüber hinaus aber auch alle Leistungen, die bei Vorliegen eines Krankenversicherungsverhältnisses von der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht würden (vgl. § 617 BGB).

Für den Anspruch nach § 30 JArbSchG ist nicht von Bedeutung, ob der Jugendliche arbeitsunfähig ist.[2]

 

Rz. 7

Art und Umfang der erforderlichen Pflege bzw. ärztlichen Behandlung hängen von der jeweiligen Erkrankung des Jugendlichen ab. So kann neben der ambulanten Behandlung du...

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