Das Prinzip der Angemessenheit stellt den grundlegenden Rahmen für die Umsetzung sämtlicher Sorgfaltspflichten des LkSG dar. Bezüglich der Durchführung von Abhilfemaßnahmen bedeutet dies, dass die Unternehmen gefordert sind, angemessene und wirksame Maßnahmen zur Behebung menschenrechtsbezogener und umweltbezogener Pflichten im eigenen Geschäftsbereich, bei unmittelbaren oder auch anlassbezogen bei mittelbaren Zulieferern zu bestimmen und umzusetzen.

Im LkSG wird das Prinzip der Angemessenheit in § 3 Abs. 2 LkSG geregelt. Die angemessene Weise eines Handelns, das den Sorgfaltspflichten genügt, bestimmt sich nach:

  1. Art und Umfang der Geschäftstätigkeit des Unternehmens.
  2. Dem Einflussvermögen des Unternehmens auf den unmittelbaren Verursacher eines menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risikos oder der Verletzung einer menschenrechtsbezogenen oder einer umweltbezogenen Pflicht.
  3. Der typischerweise zu erwartenden Schwere der Verletzung, der Umkehrbarkeit der Verletzung und der Wahrscheinlichkeit der Verletzung einer menschenrechtsbezogenen oder einer umweltbezogenen Pflicht.
  4. Der Art des Verursachungsbeitrages des Unternehmens zu dem menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risiko oder zu der Verletzung einer menschenrechtsbezogenen oder einer umweltbezogenen Pflicht.
 
Praxis-Tipp

Hilfskriterien zur Anwendung der Angemessenheitskriterien[1]

1) Art und Umfang der Geschäftstätigkeit

Art:

  • Komplexe Beschaffenheit bzw. Art der Produkte oder Dienstleistungen.
  • Vielfalt der Leistungen und Geschäftsbeziehungen.
  • Überregionale oder internationale Ausrichtung.
  • Faktoren für länder-, branchen- und warengruppenspezifische Risiken.

Umfang:

  • Unternehmensgröße (Anzahl Beschäftigte und deren Funktion, Umsatz, Anlage- und Betriebskapital, Produktionskapazität).
  • Anfälligkeit (Häufigkeit länder-, branchen- und warengruppenspezifischer Risiken).

2) Einflussvermögen des Unternehmens auf den unmittelbaren Verursacher eines Risikos oder der Verletzung einer Pflicht:

  • Größe des Unternehmens (im Vergleich zu seinen Wettbewerbern und zum Verursacher).
  • Auftragsvolumen des Unternehmens im Verhältnis zum gesamten Umsatz des Verursachers.
  • Nähe zum Risiko (Wo und durch wen entsteht das Risiko: beim Unternehmen selbst, bei einem unmittelbaren oder bei einem mittelbaren Zulieferer?).

3) Typischerweise zu erwartende Schwere und Wahrscheinlichkeit der Verletzung einer Pflicht

Schwere:

  • Grad (Intensität/Tiefe) der Beeinträchtigung.
  • Anzahl betroffener Personen/Größe betroffener Umweltbereiche.
  • Unmöglichkeit, die negativen Auswirkungen zu beheben (Unumkehrbarkeit).
  • Erforderlicher Aufwand (Ressourcen, Zeit), um die negativen, aber (noch) umkehrbaren Auswirkungen zu beheben.

Wahrscheinlichkeit:

  • Ob und wann das Risiko in eine Verletzung mündet (bspw. falls es bereits Informationen zur mangelhaften Performance des Zulieferers oder effektiven Präventionsmaßnahmen gibt).

4) Art des Verursachungsbeitrags des Unternehmens zu dem Risiko oder der Verletzung

  • Das Unternehmen trägt ganz überwiegend zum Risiko bei oder verursacht es unmittelbar (allein).
  • Beitragen/(mit-)verursachen bedeutet, dass die Auswirkung das Ergebnis einer Handlung eines Dritten ist. Das Unternehmen leistet einen Beitrag, wenn die Handlung oder auch Unterlassung des Unternehmens in irgendeiner Weise die Verletzung einer konkreten Pflicht erlaubt, ermöglicht oder motiviert.

Mit dem Prinzip der Angemessenheit wird jedem Unternehmen der notwendige Ermessens- und Handlungsspielraum in Bezug auf das "Wie "der Umsetzung von Sorgfaltspflichten zugestanden. Der jeweils individuellen Unternehmens- und Risikosituation wird somit Rechnung getragen. Dies ermöglicht den Unternehmen, ihre Risiken so effektiv wie möglich zu adressieren. Gleichzeitig wird aber auch sichergestellt, dass von Unternehmen nichts Unzumutbares erwartet wird. Die Intensität und die Art und Weise der jeweiligen Bemühungen kann und darf daher gemäß der Angemessenheitskriterien unterschiedlich ausfallen.

Wichtig ist hierbei auch hervorzuheben, dass die Sorgfaltspflichten des LkSG grundsätzlich nur Bemühungspflichten darstellen, menschenrechtliche und umweltbezogene Verletzungen zu verhindern, zu beenden oder in ihrer Wirksamkeit zu mildern. Solange betroffene Unternehmen daher ihren Sorgfaltspflichten angemessen und wirksam nachkommen, führt eine menschenrechtsbezogene oder umweltbezogene Pflichtverletzung nicht automatisch zu einem Verstoß gegen das LkSG. Eine Ausnahme stellt der eigene Geschäftsbereich im Inland dar. Im Unterschied zu Pflichtverletzungen bei Zulieferern oder auch im eigenen Geschäftsbereich im Ausland bzw. bei verbundenen Unternehmen fordert das LkSG dort den sicheren Eintritt eines Erfolges.

 
Hinweis

Handreichung des BAFA zur Angemessenheit sehr hilfreich

Eine weiterführende Diskussion zum Thema Angemessenheit von Abhilfemaßnahmen im LkSG liefert die Handreichung des BAFA.[2]

[1] Vgl. Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (2022): Angemessenheit. Handreichung zum Prinzip der Angemessenheit nach den Vorgaben des LkSG, S. 1...

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