Entscheidungsstichwort (Thema)

Personenbedingte Kündigung. Minderleister. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Kündigung wegen personenbedingter Minderleistungen ist nur berechtigt, wenn auch zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass keine Besserung der Arbeitsleistung erwartet werden kann; hierfür kann der erfolglose Ausspruch einer Abmahnung Indiz sein.

2. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert es, dass der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung alles Zumutbare unternimmt, um die Ursache der Minderleistung zu erforschen und entsprechende Hilfestellungen zu versuchen. Daher kann der Arbeitgeber nicht offen lassen, ob beim Fahrer Lade-, Lese- oder Orientierungsprobleme für die regelmäßigen Verspätungen ursächlich sind.

3. Der Arbeitgeber muss schließlich nachvollziehbar darstellen und gegebenenfalls beweisen, dass und warum zumutbare Organisations- und Abhilfemaßnahmen nicht versucht worden sind oder erfolglos geblieben wären.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Urteil vom 19.10.2006; Aktenzeichen 8 Ca 7269/05 A)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg, Gerichtstag Ansbach, vom 19.10.2006, Az. 8 Ca 7269/05 A, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer personenbedingten Arbeitgeberkündigung.

Der am 05.10.1944 geborene Kläger ist seit 15.06.1992 als Kraftfahrer im Betrieb der Beklagten, in der etwa 15 Arbeitnehmer tätig sind, beschäftigt. Sein Monatsentgelt beträgt etwa 2.400,– EUR brutto. Bis Ende 2004 fuhr er Heizöl aus. Nachdem der Bereich „Heizöl” zum 31.12.2004 an eine andere Firma übergeben worden war und der Kläger einen Wechsel zu dieser Firma abgelehnt hatte, wurde er ab 01.01.2005 mit dem Ausfahren von Farben und Materialien betraut. Zur Einarbeitung fuhr er – Einzelheiten sind zwischen den Parteien streitig – mehrere Wochen oder gar Monate als Beifahrer bei einem anderen Fahrer mit. Bei diesen Fahrten, bei denen auf wechselnden Touren verschiedene Kunden anzufahren und Materialien auszuliefern sind, wird das Fahrzeug jeweils morgens im Betrieb beladen, wobei der Bruder des Komplementärs der Beklagten die Fahrzeuge – es handelt sich in der Regel um drei Fahrzeuge – abfertigt. Der Arbeitnehmer holt die Ware aus dem Lager; er erhält vor der Fahrt die Lieferscheine ausgehändigt. Der Kläger benötigte für die von ihm gefahrenen Touren erheblich mehr Zeit als die anderen bei der Beklagten beschäftigten Fahrer für ähnliche Touren. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 08.09.2005 mit Wirkung zum 28.02.2006 aus personenbedingten Gründen.

Mit seiner am 14.09.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage selben Datums hat der Kläger die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Er sei im Gegenteil in den letzten Monaten zu erheblichen Überstundenleistungen gezwungen gewesen. Er sei zudem gemobbt und sogar körperlich bedroht worden. Da die Kündigung unwirksam sei, sei die Beklagte im Falle der entsprechenden Feststellung des Arbeitsgerichts erster Instanz zur Weiterbeschäftigung während des Kündigungsprozesses verpflichtet.

Der Kläger hat im Verfahren vor dem Arbeitsgericht – nach Rücknahme des zunächst gesondert gestellten allgemeinen Fortbestehensantrages – daher zuletzt folgende Anträge gestellt:

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten durch die Kündigung vom 06.09.2005 nicht zum 28.02.2006 beendet worden ist.
  2. Für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1.) wird die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Kraftfahrer weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat eingewandt, die Klage sei unbegründet. Die Kündigung sei aus personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Dem Kläger mangele es offensichtlich an Orientierungssinn, so dass er die ab 2005 zu fahrende Tour viel zu umständlich zurücklege und dabei viel zu viel Zeit benötige. Er komme mit dem im Verhältnis zur Ölauslieferung erheblich größeren Liefergebiet und dem großen Sortiment der nunmehr zuzustellenden Artikel offenbar nicht zurecht. Der Kläger habe wie die anderen Fahrer sein Fahrzeug zwischen 7.30 Uhr und 9.30 Uhr zu beladen gehabt. Schon hierfür habe er im Verhältnis zu den anderen Fahrern viel länger gebraucht. Obwohl ihm die Lieferscheine in der Reihenfolge der Zustelladressen übergeben worden seien, sei er offenbar nicht in der Lage gewesen, sein Fahrzeug in dieser Reihenfolge zu beladen. So sei er etwa am 12.08.2005 erst um 10.56 Uhr abgefahren, am 15.08. erst um 11.30 Uhr und am 16.08.2005 erst um 11.55 Uhr. Am 12.08.2005 habe er für die Anfahrt zu den an diesem Tag zu beliefernden 23 Stellen – Anlage K 4 zum Schriftsatz vom 29.12.2005, Bl....

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