Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung des unterhaltsberechtigten Ehepartners bei der Berechnung der Pfändungsfreigrenzen. Schadensersatz wegen entgangener Privatnutzung des Firmenwagens

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Berechnung der Pfändungsfreigrenzen ist als unterhaltsberechtigt auch der Ehepartner mit eigenem Einkommen zu berücksichtigen. Das gilt auch dann, wenn dieser ein gleich hohes oder höheres Einkommen erzielt. Eine abweichende Entscheidung hierzu kann nur vom Vollstreckungsgericht getroffen werden (§ 850 c Abs. 4 ZPO). Eine Festsetzung nach Billigkeitsgesichtspunkten durch das Prozessgericht kann im Arbeitsverhältnis auch dann nicht getroffen werden, wenn ein Vollstreckungsverfahren nicht vorliegt.

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Arbeitnehmer hat Anspruch auf Schadensersatz wegen entgangener Privatnutzung des Dienstwagens, wenn der Arbeitgeber seiner Vertragspflicht, dem Arbeitnehmer die Nutzung des Dienstwagens zu Privatzwecken zu ermöglichen, nicht nachkommt. Die Leistung (Überlassung des Pkw) wird wegen Zeitablaufs unmöglich, sie kann nicht nachgeholt werden.

 

Normenkette

BGB § 1360; GewO § 107 Abs. 2 Nr. 5; ZPO § 350c Abs. 1, § 350e Nr. 3; BGB §§ 249, 280 Abs. 1 S. 1, §§ 283, 611, 615; ZPO § 850c Abs. 1, 4, § 850e Nr. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Osnabrück (Entscheidung vom 22.04.2021; Aktenzeichen 5 Ca 197/20)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 31.05.2023; Aktenzeichen 5 AZR 273/22)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück 5 Ca 197/20 vom 22.04.2021 abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 29.639,14 € netto zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz auf 15.210,30 € seit 10.12.2020 und auf 14.428,84 € seit 26.01.2022 zu zahlen. Im Übrigen werden die Berufungen des Klägers und der Beklagten zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte zu 65 % und der Kläger zu 35 % zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Nutzungsausfall für einen zur privaten Nutzung überlassenen PKW und Nachzahlung von Nettovergütung seit Januar 2017.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 04.06.2013 in der Marketing-Abteilung beschäftigt. Am 01.03.2014 schlossen die Parteien einen Vertrag über die private Nutzung eines PKWs durch den Kläger. Das Bruttoentgelt des Klägers betrug zuletzt 5.477,60 Euro und setzte sich aus dem Jahresgehalt anteilig in Höhe von 4.285,00 Euro, dem Pkw-Wert geldwerter Vorteil in Höhe von 445,00 Euro und dem Pkw-KM geldwerter Vorteil in Höhe von 747,60 Euro zusammen. Der Kläger ist verheiratet und hat zwei Kinder. Die Ehefrau des Klägers ist berufstätig und bezieht ein eigenes Einkommen.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28.02.2020 zum 30.04.2020. Mit der Übergabe der Kündigung erhielt der Kläger ein vorbereitetes "Übergabeprotokoll bei Austritt" mit der handschriftlichen Ergänzung der Rückgabe des Dienstfahrzeugs und der Tankkarte am Ende des Arbeitsverhältnisses zum 30.04.2020 (vgl. Bl. 15 d.A.). Am 30.04.2020 gab der Kläger sein Fahrzeug und die Tankkarte zurück. Nachdem die Beklagte in dem vom Kläger eingeleiteten Kündigungsschutzverfahren erklärte, dass sie aus der Kündigung keine Rechte mehr herleite, rechnete sie die Monate April bis September 2020 auf der Basis eines Jahresgehaltes anteilig in Höhe von 4.285,00 Euro brutto ab und zahlte den sich hieraus ergebenden Betrag unter Berücksichtigung des vom Kläger erhaltenen Arbeitslosengeldes und Abführung der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 6.319,95 Euro an den Kläger aus.

Mit seiner am 06.10.2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger Vergütung für die Monate April bis September 2020 auf der Basis einer monatlichen Vergütung in Höhe von 5.477,60 Euro brutto verlangt. Hilfsweise hat er Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von 4.070,00 Euro brutto wegen des Entzugs des Pkw auf der Grundlage der ADAC-Tabelle in Höhe von monatlich 814,-- € verlangt.

Außerdem hat der Kläger die Nettodifferenz für die Zeit von Januar 2017 bis April 2020 zunächst in Höhe von 15.210,30 € verlangt, die sich aus der Nichtberücksichtigung von § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO ergebe.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, für die Zeit von April bis September 2020 habe er Anspruch auf Zahlung des Bruttolohns in Höhe von 5.477,60 Euro, auch wenn ihm in dieser Zeit der Pkw nicht zur Verfügung stand. Hilfsweise stehe ihm zumindest ein Schadensersatz wegen des vertragswidrigen Entzugs des Pkws zu. Wegen der fast ausschließlichen privaten Nutzung könne bei der Vorteilsermittlung die Tabelle des A. Autokosten Herbst/Winter 2019/2020 herangezogen werden, aus der sich für einen VW Passat Variant 2.0 DTI SCR Business DSG ein monatlicher Betrag in Höhe von 814,00 Euro ergebe. Des Weiteren habe die Beklagte bei der Auszahlung des Lohnes § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO, § 850 c Abs. 1, § 850 e Nr. 3 ZPO nicht beachtet. Der Kläger habe mit seiner Frau und 2 minderjährigen Kindern 3 Unterhaltsberechtigte. Dass sein...

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