Entscheidungsstichwort (Thema)

Begünstigung eines Betriebsratmitglieds bei objektiver Besserstellung gegenüber einem Nichtbetriebsratsmitglied. Ausschließliche Überlassung eines Dienstwagens für Betriebsratstätigkeit für Teamleiter nichtig

 

Leitsatz (amtlich)

Die Überlassung eines Dienstwagens an ein freigestelltes Betriebsratsmitglied auch zur privaten Nutzung verstößt gegen das Begünstigungsverbot des § 78 BetrVG, wenn dem Betriebsratsmitglied ohne diese Funktion ein Dienstwagen nicht zugestanden hätte.

 

Normenkette

BetrVG §§ 78, 37; BGB §§ 134, 611 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 30.04.2019; Aktenzeichen 8 Ca 10030/18)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 30.04.2019 - 8 Ca 10030/18 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers als freigestelltem Mitglied des Betriebsrats auf Überlassung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung.

Bei der Beklagten handelt es sich um eine hundertprozentige Tochter der D. AG, die in ihrer Niederlassung in Berlin Kraftfahrzeuge verkauft und Serviceleistungen rund um diese Fahrzeuge anbietet. Der Kläger wurde im Dezember 1992 von ihr als Kfz-Mechaniker eingestellt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge des mitteldeutschen Kraftfahrzeuggewerbes Anwendung. Der Kläger erhält mittlerweile Vergütung eines Teamleiters.

Der Kläger wurde bereits kurz nach Beginn seines Arbeitsverhältnisses in den Betriebsrat gewählt und war mit Unterbrechungen bis März 2018 freigestellter Betriebsratsvorsitzender und Mitglied des Gesamtbetriebsrats, seit März 2018 ist er freigestelltes Mitglied des für die Vertriebsregion Berlin gewählten Betriebsrats. Der Betrieb Vertriebsregion Berlin ist auf verschiedene Standorte verteilt.

Die Beklagte überließ dem Kläger 2001 zur Ausübung seines Betriebsratsamtes einen Dienstwagen, den er auch privat nutzen durfte und dessen geldwerten Vorteil der Kläger mit etwa 400 Euro monatlich versteuert. Dazu schlossen die Parteien einen Überlassungsvertrag, der für die Nutzungsberechtigung auf die jeweils neueste Fassung der "Bedingungen für die Überlassung der Nutzung persönlicher Dienstwagen" Bezug nahm und der die Rückgabe des Fahrzeugs u.a. in den Fällen vorsah, in denen der "dienstliche Grund für die Überlassung entfallen ist". Für die Einzelheiten des Überlassungsvertrages wird auf Bl. 7-9 d.A Bezug genommen.

Die aktuellen Dienstwagenrichtlinien der Beklagten für Deutschland bestimmen den Kreis der Dienstwagenberechtigten Mitarbeitergruppen wie folgt:

....

• Mitarbeiter der EOD Ebenen 1-3 als Bestandteil der Vergütung

• Mitarbeiter der EOD Ebene 4 mit variabler Vergütung als Bestandteil der Vergütung

• Mitarbeitern, die aufgrund ihrer Funktion und zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben ständig einen Dienstwagen benötigen (z.B. Außendienstmitarbeiter), kann ein persönlich zugeordneter Dienstwagen zur dienstlichen und privaten Nutzung genehmigt werden.

Voraussetzungen für die funktionsbedingte Überlassung eines persönlich zugeordneten Dienstwagens sind folgende:

• Der Reiseaufwand muss mehr als 50 % der Tätigkeit einnehmen und regelmäßig ganztägig an verschiedenen Arbeitsstätten außerhalb der ersten Tätigkeitsstätte ausgeführt werden

oder

• aufgrund von Mitgliedschaften in gesetzlich vorgesehenen überörtlichen Gremien im Unternehmen entstehen

• der Bedarf ist nicht sinnvoll durch andere Fahrzeuge abdeckbar (z.B. Fuhrpark von Fahrzeug).

Wegen der weiteren Einzelheiten der Dienstwagenrichtlinien wird auf Bl. 12 ff. d.A. Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 24.04.2018 (Bl. 10 d.A.) forderte die Beklagte den Kläger zur Rückgabe des Dienstwagens bis zum 30.06.2018 auf, mit der Begründung, in seiner aktuellen Funktion als freigestelltes Betriebsratsmitglied, nicht Betriebsratsvorsitzender, würden die Voraussetzungen der Dienstwagenrichtlinien für die funktionsbedingte Überlassung eines persönlich zugeordneten Dienstwagens nicht mehr vorliegen. Der Kläger gab daraufhin in Absprache mit der Beklagten das ihm überlassene Fahrzeug am 31.08.2018 zurück. Seither nutzt er für seine Betriebsratstätigkeit ein ihm persönlich zugewiesenes Fahrzeug aus dem Fuhrpark der Beklagten. Dieses Fahrzeug steht ihm nicht zur privaten Nutzung zur Verfügung.

Mit der vorliegenden, beim Arbeitsgericht am 25.07.2018 eingegangenen Klage verlangt der Kläger auf der Grundlage des Überlassungsvertrages die weitere Bereitstellung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung ab dem 01.09.2018 und behauptet unter Bezugnahme auf die von ihm erstellten Arbeitszeitnachweise für die Monate April 2017 bis Juni 2018 (Bl. 32-45 d.A.), sein Reiseaufwand als Betriebsratsmitglied übersteige 50 % seiner Arbeitszeit, die Voraussetzungen der Dienstwagenrichtlinie seien damit erfüllt.

Der Kläger hat beantragt,

Die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab dem 01.09.2018 einen persönlich ...

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