Kabinett bringt Gesetz zur Betriebsratsvergütung auf den Weg

Nachdem die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) eingesetzte Expertenkommission "Rechtssicherheit in der Betriebsratsvergütung" einen Gesetzesvorschlag vorgelegt hat, der Rechtssicherheit bei der Festlegung der Bezahlung von Mitgliedern des Betriebsrates schaffen soll, liegt nun ein Gesetzesentwurf vor. Darin greift die Bundesregierung die Kommissionsvorschläge auf.

Die Bemessung der Vergütung - insbesondere freigestellter - Mitglieder des Betriebsrats ist im Betriebsverfassungsgesetz nur rudimentär geregelt. Das Bundesarbeitsgericht hat in mehreren Entscheidungen Grundsätze zur Vergütung von Betriebsratsmitgliedern aufgestellt. Der Bundesgerichtshof hat mit seinem vielbeachteten Urteil zur Verwirklichung des Untreuetatbestands bei der Gewährung einer zu hohen Vergütung an Betriebsräte für viel Unsicherheit gesorgt. Unternehmen sahen sich aufgrund dieser Entscheidung gezwungen, die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern herabzusetzen. Nun liegt auf der Basis des Vorschlags der Expertenkommission ein Gesetzentwurf zur Ergänzung der gesetzlichen Regelungen vor.

Mindestvergütung für Mitglieder des Betriebsrates

Zunächst sagt § 37 Abs. 4 BetrVG, dass das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats nicht geringer bemessen werden darf als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Eine Erhöhung des Entgelts orientiert sich gemäß § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG an betriebsüblichen Karrieren. Ein betriebsüblicher Aufstieg ist dann anzunehmen, wenn die Mehrzahl vergleichbarer Arbeitnehmer diesen Aufstieg erreicht hat (BAG, Urteil vom 21. Februar 2018, Az. 7 AZR 496/16). Als Vergleichsgruppe kommen dabei grundsätzlich nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Betracht, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme (nicht der Freistel­lung) ähnliche Tätigkeiten wie das jeweilige Betriebsratsmitglied ausgeübt haben und dafür in gleicher Weise fachlich und persönlich qualifiziert waren. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann sich die Vergleichsgruppe aber auch ändern, insbesondere im Falle einer Beförderung oder bei Vereinbarung einer hierarchisch niedriger angesiedelten Tätigkeit (BAG, Urteil vom 23. November 2022, Az. 7 AZR 122/22). All dies findet sich im Wortlaut von § 37 Abs. 4 BetrVG indessen nicht wieder. Ziel der Gesetzesänderung ist eine Klarstellung der aktuellen Rechtslage auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Die Regelungen in § 37 Abs. 4 BetrVG sollen um drei konkretisierende Sätze ergänzt werden, und zwar wie folgt:

"Zur Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer nach Satz 1 ist auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts abzustellen, soweit nicht ein sachlicher Grund für eine spätere Neubestimmung vorliegt. Arbeitgeber und Betriebsrat können in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer regeln. Die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in einer solchen Betriebsvereinbarung kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden; Gleiches gilt für die Festlegung der Vergleichspersonen, soweit sie einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgt und in Textform dokumentiert ist."

Diese Ergänzungen entsprechen inhaltlich den Vorschlägen der Expertenkommission. Die Bestimmung der Vergleichsgruppe soll ausdrücklich geregelt werden. Der zweite Teilsatz des vorgeschlagenen Satz 3 eröffnet die Möglichkeit einer abweichenden Festlegung, soweit ein sachlicher Grund eine spätere Neubestimmung verlangt. Eine weitergehende Konkretisierung, in welchen Fällen eine Neubestimmung aus sachlichen Gründen erforderlich ist, soll auch in der künftigen gesetzlichen Regelung nicht vorgesehen sein. In der Gesetzesbegründung wird - unter Bezugnahme auf das BAG (Urteil vom 23. November 2022, Az. 7 AZR 122/22) auf die Beispielskonstellation verwiesen, wonach bei einem beruflichen Aufstieg eines Betriebsratsmitglieds, das die Anforderungen einer höherdotierten Stelle erfüllt und mit dem Arbeitgeber einen entsprechenden Änderungsvertrag schließt, im Anschluss daran die Vergleichsgruppe aus sachlichem Grund neu zu bestimmen sein kann.

Das BAG hat bereits entschieden, dass es den Betriebsparteien erlaubt ist, konkretisierende betriebliche Vereinbarungen zu § 37 Abs. 4 BetrVG zu treffen, beispielsweise zur Ermittlung vergleichbarer Arbeitnehmer. Solche Regelungen müssen sich allerdings im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben bewegen (BAG, Urteil vom 18. Januar 2017, Az. 7 AZR 205/15). Der Gesetzentwurf sieht nun eine Kodifizierung dieser Möglichkeit in den Sätzen 4 und 5 vor. Für die Betriebsparteien soll diese Ergänzungen Anreize setzen, die Vergleichbarkeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern transparent im Voraus festzulegen (Begründung Gesetzentwurf, S. 8). Eine gerichtliche Überprüfung soll auf Fälle der groben Fehlerhaftigkeit beschränkt sein. Die von der Rechtsprechung gesetzten Grenzen blieben durch die gesetzlichen Ergänzungen unberührt. Angesichts der Vielfalt betrieblicher Stellenanforderungen und -bewertungen sollen den Betriebsparteien über die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hinaus keine konkreten Kriterien zur Bestimmung der jeweiligen Vergleichsvorgaben gemacht werden, so die Begründung des Gesetzesentwurfs. Hinzu kommt, dass die Betriebsparteien konkrete Vergleichspersonen benennen können. Erfolgt dies mindestens in Textform (also auch außerhalb einer Betriebsvereinbarung) soll sich die gerichtliche Überprüfbarkeit auch insoweit auf grobe Fehlerhaftigkeit beschränken.

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Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot für den Betriebsrat

Die zweite wesentliche Vorschrift ist § 78 S. 2 BetrVG. Die Regelung zur Mindestvergütung des Betriebsratsmitglieds in § 37 Abs. 4 BetrVG ist nicht abschließend. So soll sich nach Ansicht des BAG ein unmittelbarer Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf eine bestimmte Vergütung auch aus § 611a Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 78 S. 2 BetrVG ergeben, wenn sich die Zahlung einer geringeren Vergütung als Benachteiligung wegen der Betriebsratstätigkeit darstellt (BAG, Urteil vom 23. November 2022, Az. 7 AZR 122/22). So kann sich für das Betriebsratsmitglied ein Anspruch auf Gewährung einer höheren Vergütung ergeben, wenn eine Beförderung des Betriebsratsmitglieds auf eine ausgeschriebene höher dotierte Stelle vom Arbeitgeber wegen der Betriebsratstätigkeit abgelehnt wurde. Für das Vorliegen einer unzulässigen Benachteiligung trägt das Betriebsratsmitglied grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast. Das Gericht muss aufgrund der vorgetragenen Tatsachen und Hilfstatsachen zu der Überzeugung gelangen können, dass dem Betriebsratsmitglied ohne das Betriebsratsamt die höherwertige Tätigkeit tatsächlich übertragen worden wäre (BAG, Urteil vom 20. Januar 2021, Az. 7 AZR 52/20).

Der Gesetzesentwurf sieht - wie bereits der Kommissionsentwurf - eine Ergänzung des § 78 BetrVG um einen Satz 3 vor:

"Eine Begünstigung oder Benachteiligung liegt im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt nicht vor, wenn das Mitglied einer in Satz 1 genannten Vertretung in seiner Person die für die Gewährung des Arbeitsentgelts erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt. "

Der Entwurf greift wiederum die Rechtsprechung des BAG auf, wonach eine Begünstigung oder Benachteiligung im Hinblick auf das gezahlte Entgelt nicht vorliegt, wenn der jeweilige Amtsträger in seiner Person bezogen auf im Betrieb konkret vorhandene Arbeitsplätze, die für die Gewährung des Entgelts erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt. Die vorgeschlagene Ergänzung dient der Konkretisierung der Verbotsnorm in Bezug auf den beruflichen Aufstieg zur Vermeidung von beruflichen Nachteilen (beziehungsweise sachwidrigen Begünstigungen).

Auch weiterhin soll es unerheblich bleiben, ob das Betriebsratsmitglied mit der Geschäftsleitung "auf Augenhöhe verhandelt". Ebenso wenig von Relevanz bliebe, ob sich das freigestellte Betriebsratsmitglied während der Betriebsratstätigkeit besondere Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat, soweit sie nicht im Zusammenhang mit der bisherigen Arbeitstätigkeit stehen. Es könne sachlich jedoch gerechtfertigt sein, bei einer Stellenbesetzung auch die durch und während der Amtstätigkeitstätigkeit erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Qualifikationen zu berücksichtigen, soweit sie im Unternehmen auch außerhalb des Betriebsratsamts für die jeweilige Stelle karriere- und vergütungsrelevant sind. Sie seien das Ergebnis eines individuellen persönlichen Lernprozesses des Betriebsratsmitglieds und nicht ohne weiteres durch eine Funktion im Betriebsrat oder einem seiner Ausschüsse oder Gremien vorgegeben.

Fazit: Gesetzentwurf setzt BAG-Rechtsprechung um

Der Gesetzentwurf setzt die Vorschläge der Kommission um und beschränken sich - wie diese - auf eine teilweise Kodifizierung der bisherigen Rechtsprechung des BAG. Die vorgeschlagene Ergänzung in § 78 BetrVG sollte auch klar genug machen, dass sich die Frage der Vergütungshöhe von Betriebsratsmitgliedern nicht nur nach § 37 Abs. 4 BetrVG richtet. In diesem Sinne wurden zum Teil die Ausführungen des Bundesgerichtshofs verstanden. Das Gesetz soll zeitnah in Kraft treten.


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