0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

§ 92 wurde mit Wirkung zum 1.7.1983 durch das Gesetz v. 4.11.1982 (BGBl. I S. 1450) in das SGB X eingefügt und erfuhr seither keine Änderungen. Mit der Neufassung des SGB X v. 18.1.2001 (BGBl. I S. 130) wurde die Vorschrift neu bekanntgemacht. Zu § 92 gab es keine Vorgängervorschrift. Bis zu seinem Inkraftreten wurde § 671 BGB entsprechend angewandt.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

§ 92 regelt die Voraussetzungen, unter denen Auftragsverhältnisse durch Kündigung des Auftraggebers oder des Auftragnehmers mittels Abgabe von Kündigungserklärungen beendet werden können. Als zivilrechtliches Pendant regelt § 671 BGB den Widerruf des Auftrags. Der Gesetzgeber hat in § 92 die Bezeichnung "Kündigung" gewählt, um Begrifflichkeiten zu wahren und eine Abgrenzung zu den §§ 44 ff., insbesondere zum Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsaktes, sprachlich zum Ausdruck zu bringen.

Andere Arten der Beendigung von Auftragsverhältnissen sind Erledigung durch Erfüllung, vertragliche Aufhebung, Zeitablauf und Anfechtung.

2 Rechtspraxis

2.1 Kündigung (Satz 1)

 

Rz. 3

Die Kündigung ist eine einseitige rechtsgestaltende Willenserklärung, die mit ihrem Zugang beim Adressaten (Aufraggeber oder Beauftragter) bei Vorliegen der übrigen Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Willenserklärung wirksam wird. Auf die Kündigung sind die zivilrechtlichen Vorschriften (§§ 116 ff. BGB) entsprechend anwendbar. Die Kündigung muss schriftlich erfolgen (§ 59 Abs. 2) und sie soll begründet werden. Eine mündliche Kündigung, die nicht schriftlich innerhalb der Kündigungsfrist bestätigt wird, ist unwirksam. Das Fehlen einer Begründung ist aber nicht schädlich; es handelt sich bei § 59 Abs. 2 Satz 2 um eine bloße Soll-Vorschrift.

 

Rz. 4

Fraglich ist, ob das Kündigungsrecht nach § 92 abbedungen werden kann. Die Möglichkeit eines Verzichts auf das Kündigungsrecht nach § 92 wird teilweise abgelehnt (Hochheim, in: Hauck/Noftz, SGB X, Stand: 11/2014, § 92 Rz. 7). Nach der hier vertretenen Ansicht kann die Möglichkeit einer Kündigung aus wichtigem Grund, die auch nach zivilrechtlichen Grundsätzen nicht abdingbar ist, nicht ausgeschlossen werden. Eine vertraglich geregelte Beschränkung des Kündigungsrechts auf eine Kündigung aus wichtigem Grund ist jedoch möglich. Zulässig sind auch Vereinbarungen darüber, was als wichtiger Grund gelten soll. Dies gilt zumindest, solange die Kündigung aus einem wichtigen Grund nicht unangemessen erschwert wird.

Im Gegensatz zu der für die Kündigung öffentlich-rechtlicher Verträge geltenden Regelung des § 59 ist für die Kündigung nach § 92 nicht erforderlich, dass sich die Verhältnisse geändert haben. Bei einer Änderung der Verhältnisse ist jedoch vorrangig eine Anpassung des Auftrags an die veränderten Verhältnisse oder Rahmenbedingungen zu prüfen. Denn aus § 86 ergibt sich zwischen dem Auftraggeber und dem Beauftragten eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme (Dietmair, in: jurisPK-SGB X, Stand: 1.1.2017, § 92 Rz. 25).

2.2 Kündigungsberechtigte

 

Rz. 5

Kündigungsberechtigt sind sowohl der Beauftragte wie auch der Auftraggeber. Die Kündigung steht in ihrem Ermessen ("kann ... kündigen").

2.3 Zeitpunkt der Kündigung (Satz 2)

 

Rz. 6

Nach Satz 2 des § 92 besteht grundsätzlich keine Frist für die Kündigung. Das hat seinen Grund in den unterschiedlichen Materien, die einer Erledigung durch Auftrag zugänglich sind.

Der Auftraggeber muss den Zeitpunkt des Wirksamwerdens seiner Kündigung aber so wählen, dass sich der Beauftragte auf den Wegfall des Auftragsgeschäfts einstellen kann. Der Beauftragte muss bei einer Kündigung die Notwendigkeit der dem Auftraggeber obliegenden Vorsorge für die Erledigung der Aufgabe in angemessener Zeit durch den Auftraggeber selbst oder einen anderen Beauftragten berücksichtigen. Die Länge dieser Zeitspanne ergibt sich aus der Natur der Sache.

Die Rechtsfolge einer Kündigung zur Unzeit lässt sich § 92 nicht entnehmen. Die Kündigung ist in diesem Fall gleichwohl wirksam; entsprechend den zivilrechtlichen Vorschriften besteht bei einer Kündigung zur Unzeit aber eine Pflicht zur Leistung von Schadensersatz (Dietmair, in: jurisPK-SGB X, Stand: 1.1.2017, § 92 Rz. 24).

2.4 Sofortige Kündigung (Satz 3)

 

Rz. 7

Nach § 92 Satz 3 kann bei Vorliegen eines wichtigen Grundes mit sofortiger Wirkung gekündigt werden. Ein wichtiger Grund liegt immer dann vor, wenn dem Auftraggeber oder dem Beauftragten ein Festhalten am Auftrag, auch nicht bis zu dem sich aus § 92 Satz 2 ergebenden Zeitpunkt, nicht mehr zumutbar ist. Auch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ist eine Kündigung nicht zwingend vorgeschrieben. Die Entscheidung über die Kündigung muss unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens getroffen werden, wobei auch die Folgen für den Betroffenen abzuwägen sind.

 

Rz. 8

Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn der Beauftragte

  • Weisungen nicht beachtet; dies dürfte aber erst berücksichtigt werden, wenn bereits mindestens eine entsprechende Mahnung erfolgt ist;
  • mangels sachlicher und personeller Mittel zur Wahrnehmung der Aufgabe nicht fähig ist.

Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn der Auftraggeber

  • Anweisungen zu gesetzeswidrigem Verhalten gibt;
  • unzureichende Informationen ausgibt, aufgrund derer ein...

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