Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Voraussetzungen der Neufeststellung einer Leistung nach AVG § 79 (= RVO § 1300).

2. Die Zuwendung von Sachwerten, die zur Bestreitung des laufenden Lebensbedarfs nicht geeignet sind, ist keine tatsächliche Unterhaltsleistung iS der dritten Regelung des AVG § 42 (= RVO § 1265).

3. Die Ansicht, daß im Rahmen der dritten Regelung des AVG § 42 (= RVO § 1265) eigene Erwerbseinkünfte der geschiedenen Ehefrau ungeachtet dessen zu berücksichtigen sind, ob ihr die Erwerbstätigkeit zumutbar ist, ist im Rahmen eines Neufeststellungsverfahrens nach AVG § 79 (= RVO § 1300) nicht unvertretbar.

 

Normenkette

AVG § 42 S. 1 Alt. 3 Fassung: 1957-02-23, § 79 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1265 S. 1 Alt. 3 Fassung: 1957-02-23, § 1300 Fassung: 1957-02-23

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 23.05.1978; Aktenzeichen L 13/An 259/76)

SG München (Entscheidung vom 25.03.1976; Aktenzeichen S 13/An 2130/74)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. Mai 1978 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit wird um die Bewilligung einer sogen. "Geschiedenen-Witwenrente" im Wege der Neufeststellung nach § 79 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) geführt.

Die Klägerin war mit dem am 13. Januar 1966 verstorbenen C F (im folgenden: Versicherter) verheiratet. Aus der Ehe ging ein am 11. August 1959 geborenes Kind hervor. Durch Urteil des Landgerichts München I vom 3. August 1965 wurde die Ehe aus beiderseitigem gleichen Verschulden geschieden. In einer Unterhaltsvereinbarung vom 3. August 1965 verzichteten die Klägerin und der Versicherte wechselseitig auf Unterhalt. Der Versicherte verpflichtete sich zur Zahlung eines Unterhaltsbetrages von monatlich DM 130,- für das gemeinschaftliche Kind. In der Zeit zwischen der Scheidung und seinem Tod bezog der überwiegend in stationärer Krankenhausbehandlung befindliche Versicherte zunächst fortgezahltes Gehalt und sodann Krankengeld. Die Klägerin war bis etwa zum 20. August 1965 und erneut ab 20. September 1965 als Serviererin tätig. Sie unterhielt auch nach der Scheidung einen gemeinschaftlichen Haushalt mit dem Versicherten.

Ihren Antrag auf Bewilligung einer sogen. "Geschiedenen-Witwenrente" lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28. Juli 1966 ab, weil die Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden dritten Regelung des § 42 (jetzt § 42 Satz 1) AVG (tatsächliche Unterhaltsleistung im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten) nicht erfüllt seien. Die Klage wegen dieses Bescheides wies das Sozialgericht (SG) München ab (Urteil vom 17. Oktober 1968). Nach Ablehnung eines Antrages der Klägerin auf Gewährung der Rente im Wege der Neufeststellung nach § 79 AVG (Bescheid vom 26. September 1971) schlossen die Beteiligten im nachfolgenden Streitverfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht (LSG) am 26. Juni 1974 einen Vergleich. Darin verpflichtete sich die Beklagte, aufgrund neuen Vorbringens der Klägerin nochmals einen Bescheid nach § 79 AVG zu erteilen.

Mit Bescheid vom 7. August 1974 lehnte die Beklagte eine Neufeststellung zugunsten der Klägerin abermals ab. Widerspruch, Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 6. November 1974; Urteile des SG München vom 25. März 1976 und des Bayerischen LSG vom 23. Mai 1978). Das LSG hat die Berufung der Klägerin mit folgender Begründung zurückgewiesen:

Die Beklagte habe nicht als von der Unrichtigkeit ihrer früheren Entscheidung überzeugt zu gelten. Als Anspruchsgrundlage komme allein die dritte Regelung des § 42 Satz 1 AVG in Betracht. Der Versicherte habe jedoch in der Zeit zwischen der Ehescheidung und seinem Tode nicht einen Betrag zum gemeinsamen Haushalt geleistet, der den Wert des Beitrages der Versicherten überstiegen, 25 vH des ihr unter den zeitlichen und örtlichen Verhältnissen zustehenden Regelsatzes der Sozialhilfe erreicht und ihren Lebensbedarf wesentlich verbessert, dh ungefähr 10 vH ihres eigenen Einkommens ausgemacht habe. Das Ergebnis der Gegenüberstellung einerseits des vom Versicherten ab 1. Oktober 1965 bezogenen Krankengeldes abzüglich der Unterhaltsleistungen für das gemeinschaftliche Kind und andererseits der Nettoeinkünfte der Klägerin sei nicht offensichtlich rechtswidrig. Vertretbar sei auch die Auffassung der Beklagten, daß der Klägerin eine Erwerbstätigkeit zumutbar gewesen sei. Auch unter Berücksichtigung des neuen Vorbringens der Klägerin erweise sich der Bescheid vom 28. Juli 1966 nicht als rechtswidrig. Selbst wenn die neu geltend gemachten einmaligen Leistungen des Versicherten anrechenbar seien, ergebe sich keine überschießende, als Unterhalt anzusehende Leistung des Versicherten. In diesem Falle seien in einen Einkommensvergleich die der Klägerin in den Monaten Oktober bis Dezember 1965 zugeflossene Rückzahlung von DM 1.000,- aus einem von dem Versicherten gewährten Darlehen, die monatlichen Abschreibungsbeträge von DM 11,16 für einen Ölofen und von DM 191,66 für den vom Versicherten angeschafften Pkw unter Zugrundelegung eines vierjährigen Abschreibungszeitraums nach den Grundsätzen des Steuerrechts über die Abschreibung langlebiger Wirtschaftsgüter, von dem Weihnachtsgeld ein Betrag von DM 300,- und von der im Vergleichszeitraum gezahlten Miete von monatlich DM 180,- ein anteiliger Betrag für die Klägerin von DM 70,- einzubeziehen. Dann ergebe sich für die Zeit vom 3. August 1965 bis 13. Januar 1966 ein Betrag von monatlich DM 544,- als durchschnittliche Zuwendung des Versicherten an die Klägerin. Ihr habe das eigene Einkommen der Klägerin in der Zeit von Oktober bis Dezember 1965 sowie der Wert ihrer Haushaltsführung - berechnet nach dem Bruttoverdienst einer Haushälterin 1965 von DM 7.056,- in Leistungsgruppe 4 der Anlage 11 zum Fremdrentengesetz (FRG) - und somit ein Betrag von insgesamt DM 588,- monatlich gegenübergestanden. Hinzu komme als Einkommen nur der Klägerin der Wert ihrer Haushaltsführung während derjenigen Zeiträume, in denen sich der Versicherte nicht in stationärer Behandlung befunden habe. Der Versicherte habe somit nicht fortlaufend Unterhalt im Sinne der dritten Regelung des § 42 Satz 1 AVG geleistet.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 42 und 79 AVG sowie des § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Unter Berücksichtigung des § 2 Abs 2 des Sozialgesetzbuches, Allgemeiner Teil (SGB 1) hätte die Beklagte nicht nur bis zum Erlaß des erneuten Ablehnungsbescheides vom 7. August 1974, sondern bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 23. Mai 1978 prüfen müssen, ob die Geschiedenen-Witwenrente tatsächlich zu Unrecht abgelehnt worden sei. Das LSG habe zu Unrecht verlangt, daß während des Zeitraums zwischen der Ehescheidung und dem Tod des Versicherten dessen Unterhaltsleistungen in jedem Monat höher sein müßten. Da dieser Zeitraum nur wenige Monate betragen habe und sich deswegen ein wirtschaftlicher Dauerzustand in den Verhältnissen der geschiedenen Eheleute noch nicht habe entwickeln können, sei von dem wirtschaftlichen Dauerzustand auszugehen, der sich wahrscheinlich während eines längeren Zeitraumes entwickelt hätte. Das LSG habe ebenfalls zu Unrecht dahinstehen lassen, ob auch im Rahmen der dritten Regelung des § 42 Satz 1 AVG die Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit der geschiedenen Ehefrau zu prüfen sei. Unrichtig sei ferner die Ansicht des LSG, auch unter Berücksichtigung ihres - der Klägerin - neuen Vorbringens ergebe sich keine überschießende, als Unterhalt anzusehende Leistung des Versicherten. Die vom ihm erbrachten "einmaligen Leistungen" seien als Unterhaltsleistungen zu berücksichtigen. Dabei dürfte jedoch für die angeschafften Gegenstände (Ölofen, Pkw) nicht nur ein monatlicher Abschreibungsbetrag herangezogen werden. Vielmehr sei der volle Anschaffungswert anzusetzen. Von der Miete entfalle auf sie - die Klägerin - ein höherer Betrag. Insgesamt sei somit der Unterhaltsbeitrag des Versicherten wesentlich höher gewesen als DM 544,- monatlich. Dabei habe das LSG völlig außer Acht gelassen, daß der Versicherte in den Zeiträumen, während derer er sich nicht in stationärer Behandlung befunden habe, im Hinblick auf ihre - der Klägerin - Berufstätigkeit überwiegend den Haushalt versorgt und sich um die kranke Tochter gekümmert habe. Ein Wert der Haushaltsführung dürfe nicht nur als ihr - der Klägerin - Einkommen berücksichtigt werden.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. Mai 1978 zu verurteilen, ihr (Klägerin) die Rente einer geschiedenen Ehefrau zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, das LSG habe eine offensichtliche Unrichtigkeit des Ablehnungsbescheides vom 28. Juli 1966 aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen zu Recht verneint. Das Revisionsvorbringen der Klägerin sei nicht geeignet, Zweifel an der Rechtmäßigkeit der bisherigen Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen zu begründen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 SGG erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die durch Zulassung statthafte Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.

Von vornherein unbegründet ist die Revision insoweit, als die Klägerin neben einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und damit sinngemäß auch des Urteils des SG vom 25. März 1976 und des Bescheides der Beklagten vom 7. August 1974 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.November 1974 zugleich eine Verurteilung der Beklagten zur Gewährung der Rente einer geschiedenen Ehefrau beantragt hat. Hiermit verfolgt die Klägerin ihre beim SG erhobene kombinierte Aufhebungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) weiter. In der Sache begehrt sie die Bewilligung einer Geschiedenen-Witwenrente unter Abweichung von dem bindenden Ablehnungsbescheid vom 28. Juli 1966. Rechtsgrundlage hierfür ist § 79 AVG. Hiernach hat die Beklagte, wenn sie sich bei erneuter Prüfung davon überzeugt, daß eine Leistung zu Unrecht abgelehnt worden ist, die Leistung neu festzustellen. Ein darauf gerichtetes Begehren kann nur im Wege der kombinierten Aufhebungs- und Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs 1 Satz 1 SGG geltend gemacht werden. Eine Leistungsklage kommt nicht in Betracht, weil das prozessuale Ziel des Begehrens auf die Erteilung eines neuen Bescheides gerichtet ist (BSGE 19, 38, 41; 20, 199, 200 = SozR Nr 11 zu § 79 SGG; BSGE 28, 173, 175). Aber auch mit dem Ziel einer Verurteilung der Beklagten zur Erteilung eines neuen Bescheides kann die Revision der Klägerin nicht zum Erfolg führen. Das LSG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß die Beklagte nicht als von der Unrichtigkeit des ablehnenden Bescheides vom 28. Juli 1966 überzeugt zu gelten hat und deswegen nicht zur Erteilung eines neuen Bescheides verpflichtet ist.

Hat sich der Versicherungsträger nicht von der Unrichtigkeit des früheren Bescheides überzeugt und deswegen eine Neufeststellung der Leistung abgelehnt, so unterliegt diese Entscheidung, bei der es sich nicht lediglich um eine Ermessensentscheidung handelt (BSGE 19, 93, 95 = SozR Nr 1 zu § 1300 RVO; BSGE 33, 276, 278 = SozR Nr 13 zu § 1300 RVO; BSG SozR Nr 1 zu § 93 RKG), in vollem Umfange der gerichtlichen Nachprüfung. Die Bildung einer "Überzeugung" im Sinne des § 79 AVG ist nicht ein der gerichtlichen Nachprüfung entzogener, rein subjektiver Vorgang (BSGE 19, 38, 43 = SozR Nr 1 zu § 619 RVO aF; BSGE 20, 199, 201 = SozR Nr 11 zu § 79 SGG). Andererseits aber ist für die Beurteilung des eine Neufeststellung ablehnenden Bescheides nicht entscheidend, ob das Gericht von der Rechtswidrigkeit des früheren Bescheides überzeugt ist. Es muß das jeder Überzeugungsbildung immanente subjektive Element respektieren und darf nicht seine Überzeugung an die Stelle derjenigen des Versicherungsträgers setzen. Entscheidend ist, ob aufgrund nachprüfbarer objektiver Umstände tatsächlicher oder rechtlicher Art die Rechtswidrigkeit des früheren Bescheides so offensichtlich ist, daß bei erneuter Überprüfung auch der Versicherungsträger diese Rechtswidrigkeit hätte erkennen müssen und seine gegenteilige Überzeugung unter keinem tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt zu halten ist. Lediglich unter diesen Voraussetzungen ist der Versicherungsträger als von der Unrichtigkeit des früheren Bescheides überzeugt anzusehen und zur Erteilung eines neuen Bescheides zu verpflichten (vgl BSGE 19, 38, 43 f. = SozR Nr 1 zu § 619 RVO aF; BSGE 20, 199, 201; 28, 173, 175 = SozR Nr 7 zu § 1300 RVO; BSGE 28, 179, 182; BSG SozR Nr 1 zu § 93 RKG; Nrn 4 und 12 zu § 1300 RVO; SozR 7290 § 72 Nr 3). Dabei steht der gerichtlichen Nachprüfung nicht entgegen, daß der frühere Bescheid bereits durch ein rechtskräftiges sozialgerichtliches Urteil bestätigt worden ist (BSG SozR Nr 1 zu § 93 RKG; BSGE 33, 276, 277 = SozR Nr 13 zu § 1300 RVO mwN). Allerdings sind in diesem Fall besonders hohe Anforderungen an das Gewicht der Gründe für eine Rechtswidrigkeit des früheren Bescheides zu stellen (BSG SozR Nr 1 zu § 93 RKG). Die gerichtliche Überprüfung im Rahmen des § 79 AVG hat sich in zwei Schritten zu vollziehen. Der erste umfaßt die Anforderungen, die an den früheren Bescheid zu stellen waren. Der zweite Prüfungsvorgang ist darauf gerichtet, ob von einer etwaigen Auffassung des Gerichts, daß eine zustehende Leistung zu Unrecht versagt worden ist, auch der Versicherungsträger überzeugt zu sein bzw als überzeugt zu gelten hat (BSG SozR 2200 § 1300 Nr 15).

Schon der erste Prüfungsvorgang muß zu einer Verneinung des Anspruchs der Klägerin auf Erteilung eines neuen Bescheides führen. Auch bei Berücksichtigung der vom LSG festgestellten, im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 28. Juli 1966 noch nicht bekannten Tatsachen und der seit der Unanfechtbarkeit des Bescheides entwickelten höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl BSGE 33, 276, 278, 279 = SozR Nr 13 zu § 1300 RVO) ist der Bescheid nach dem im Zeitpunkt seines Erlasses maßgebenden Recht (BSGE 19, 38, 44) nicht rechtswidrig.

Maßgebendes Recht ist § 42 (später: § 42 Satz 1) AVG idF des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) vom 23. Februar 1957 (BGBl I S. 88). Hiernach wird einer früheren Ehefrau des Versicherten, deren Ehe mit dem Versicherten geschieden, für nichtig erklärt oder aufgehoben ist, nach dem Tode des Versicherten Rente gewährt, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des Ehegesetzes oder aus sonstigen Gründen zu leisten hatte oder wenn er im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat.

Eine Unterhaltsverpflichtung des Versicherten gegenüber der Klägerin nach den Vorschriften des Ehegesetzes oder aus sonstigen Gründen hat nicht bestanden. Das ist ebenso wie bei Erlaß des früheren Bescheides vom 28. Juli 1966 auch im Rahmen des nunmehr anhängigen Neufeststellungsverfahrens unter den Beteiligten nicht streitig. Nach zutreffender Ansicht des LSG kommt somit als Anspruchsgrundlage allein die dritte Regelung des § 42 AVG in Betracht.

Als Unterhalt im Sinne dieser Regelung sind nur solche Leistungen des Versicherten zu verstehen, die er in der allein maßgeblichen Zeit nach der Scheidung der Ehe (BSGE 14, 255, 259 = SozR Nr 8 zu § 1265 RVO; BSGE 38, 242, 244 = SozR 2200 § 1265 Nr 1 S. 4) freiwillig und unentgeltlich, also unabhängig von einer Gegenleistung erbracht hat (BSGE 12, 278, 279 = SozR Nr 6 zu § 1265 RVO; BSGE 12, 279, 281 = SozR Nr 7 zu § 1265 RVO; BSGE 19, 185, 187 = SozR Nr 13 zu § 1265 RVO; BSGE 46, 16, 17 = SozR 2200 § 1265 Nr 31; BSG SozR Nrn 9 und 19 zu § 1265 RVO). Die Leistungen des Versicherten müssen der Bestreitung der Lebensführung der Empfängerin und somit der Deckung ihres laufenden Lebensbedarfs gedient haben. Deswegen stellen Zahlungen zur Tilgung früherer Unterhaltsschulden oder zur Bestreitung der Aufwendungen für den Aufbau einer Alterssicherung der geschiedenen Ehefrau keine Unterhaltsleistung im Sinne der dritten Regelung des § 42 AVG dar (BSGE 30, 1, 2 f. = SozR Nr 51 zu § 1265 RVO; BSGE 46, 11, 12 = SozR 2200 § 1265 Nr 29). Ebensowenig kann die Überlassung von Gegenständen des Anlagekapitals oder von Mitteln zur Schaffung eines solchen Kapitals als Unterhalt angesehen werden, weil das Anlagekapital gerade nicht zur Bestreitung des laufenden Lebensbedarfs bestimmt ist. Das trifft allenfalls für die Nutzungen aus dem Anlagekapital zu. Diese sind jedoch nicht Leistungen des Versicherten; vielmehr stammen sie aus dem eigenen Vermögen der geschiedenen Ehefrau (BSG SozR Nr 19 zu § 1265 RVO; SozR 2200 § 1265 Nr 36 S. 113; vgl auch BSG SozR Nr 21 zu § 1265 RVO).

Fernerhin können tatsächliche Leistungen des Versicherten an seine geschiedene Ehefrau nur dann als Unterhalt angesehen werden, wenn sie wirtschaftlich ins Gewicht fallen und wenigstens 25 vH des nach Sozialhilfegrundsätzen zu bestimmenden zeitlich und örtlich notwendigen Mindestbedarfs der geschiedenen Ehefrau erreicht haben (BSGE 22, 44, 48 = SozR Nr 26 zu § 1265 RVO; BSGE 40, 79, 81 = SozR 2200 § 1265 Nr 5; BSGE 43, 221, 222 = SozR 2200 § 1265 Nr 24; jeweils mwN). Die Leistungen müssen in der allein maßgeblichen Zeit nach der Scheidung der Ehe grundsätzlich während der Dauer eines vollen Jahres vor dem Tode des Versicherten erbracht worden sein. Lediglich in Ausnahmefällen - insbesondere dann, wenn der Tod des Versicherten oder andere außergewöhnliche Umstände die Unterhaltsleistung für das volle letzte Jahr vor dem Tode des Versicherten verhindert haben - reichen Unterhaltsleistungen während weniger als eines Jahres aus (BSGE 12, 279, 282 = SozR Nr 7 zu § 1265 RVO; BSGE 14, 255, 258 f. = SozR Nr 8 zu § 1265 RVO; BSGE 20, 252, 253 = SozR Nr 18 zu § 1265 RVO; BSGE 25, 86, 87 f. = SozR Nr 34 zu § 1265 RVO; BSGE 40, 37, 38 = SozR 2200 § 1265 Nr 4; BSGE 43, 221, 222 = SozR 2200 § 1265 Nr 26). Während des maßgebenden Zeitraums vor seinem Tode muß der Versicherte mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Dauer Unterhaltsleistungen erbracht haben (BSG SozR Nr 55 zu § 1265 RVO). Sind zwar ununterbrochen fortlaufende, der Höhe nach aber unterschiedliche Zahlungen geleistet worden, so ist es zulässig, unter Einbeziehung der das Mindestmaß nicht erreichenden Monatszahlungen einen Durchschnitt zu bilden, so daß ein Rentenanspruch besteht, wenn nach dem Durchschnitt aller im Jahre vor dem Tode des Versicherten bewirkten Unterhaltsleistungen die Grenze von 25 vH des Mindestbedarfs überschritten worden ist (Urteil des erkennenden Senats in BSGE 43, 221, 222 f. = SozR 2200 § 1265 Nr 26; offengelassen vom 11. Senat in BSGE 40, 37, 39 = SozR 2200 § 1265 Nr 4). Ob der Versicherte im Erlebensfalle auch in der Zeit nach seinem Tode weiterhin Unterhalt geleistet hätte, ist im Rahmen der dritten Regelung des § 42 (Satz 1) AVG unerheblich (BSGE 20, 252, 253 = SozR Nr 18 zu § 1265 RVO; BSGE 25, 86, 88 f. = SozR Nr 34 zu § 1265 RVO). Eine einschränkende Interpretation ist jedoch insofern geboten, als tatsächliche Unterhaltsleistungen des Versicherten im letzten Jahr vor seinem Tode einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente dann nicht auszulösen vermögen, wenn bereits im Zeitpunkt des Todes festgestanden hat, daß die Unterhaltsleistung des Versicherten in naher Zukunft enden wird (BSGE 37, 50, 53 = SozR Nr 70 zu § 1265 RVO; BSG SozR 2200 § 1265 Nr 10).

Speziell für den Fall, daß die geschiedenen Eheleute nach der Scheidung wieder zusammenleben und zwischen ihnen eine Unterhaltsverpflichtung im Sinne der beiden ersten Regelungen des § 42 (Satz 1) AVG nicht besteht, ist zu berücksichtigen, daß hier vielfach die Leistungen des Versicherten mit Rücksicht auf die Leistungen der früheren Ehefrau etwa in Gestalt der Besorgung des Haushalts erbracht werden. Demzufolge kann nur in seltenen Ausnahmefällen angenommen werden, daß der Versicherte den Lebensbedarf seiner geschiedenen Ehefrau auch ohne Gegenleistung erbracht hätte (BSGE 19, 185, 187 = SozR Nr 13 zu § 1265 RVO). Im übrigen kann von Unterhalt, den der eine Partner dem anderen leistet, allenfalls dann gesprochen werden, wenn der Wert des Beitrages des einen Partners zum gemeinsamen Haushalt den Wert des Beitrages des anderen Partners übersteigt (BSG SozR Nr 16 zu § 1265 RVO).

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze läßt sich eine Unrichtigkeit des ablehnenden Bescheides der Beklagten vom 28. Juli 1966 nicht feststellen.

Zu Recht hat die Beklagte für die Frage, ob der Versicherte Unterhalt geleistet hat, allein auf die tatsächlichen Leistungen in der Zeit zwischen Scheidung und Tod des Versicherten abgestellt. Entgegen der Auffassung der Revision ist im Rahmen der dritten Regelung des § 42 (Satz 1) AVG die Frage der tatsächlichen Unterhaltsleistung nicht nach dem wirtschaftlichen Dauerzustand zu beurteilen, der sich unter den geschiedenen Eheleuten bei einem längeren Zeitraum zwischen Scheidung und Tod des Versicherten wahrscheinlich entwickelt hätte (vgl hierzu auch BSGE 29, 92, 93 f. = SozR Nr 48 zu § 1265 RVO).

Das Berufungsgericht hat unter Berücksichtigung des neuen Vorbringens der Klägerin über die ihr zugewendeten "einmaligen Leistungen" des Versicherten als dessen durchschnittlichen Unterhaltsbeitrag in der Zeit vom 3. August 1965 bis zum 13. Januar 1966 einen Betrag von monatlich DM 544,- ermittelt. Die dem zugrundeliegenden rechtlichen Erwägungen vermag der Senat nicht in allen Punkten zu teilen.

Das gilt zunächst insoweit, als das LSG den Betrag von DM 1.000,- aus Darlehensrückzahlung, von dem sogen. "Weihnachtsgeld" einen Teilbetrag von DM 300,- und einen auf die Klägerin entfallenden Anteil der monatlichen Miete in Höhe von DM 70,- berücksichtigt hat. Insofern läßt das angefochtene Urteil eine Auseinandersetzung mit der Frage vermissen, ob es sich hierbei tatsächlich um unentgeltliche Leistungen des Versicherten gehandelt oder ob die Klägerin sie nicht vielmehr als Gegenleistung für die Betreuung des Versicherten und die Führung des gemeinsamen Haushalts erhalten hat. Zwar hat das LSG bezüglich des zurückgezahlten Darlehens ausgeführt, die Klägerin habe den Betrag von DM 1.000,- zur Befriedigung ihres Lebensbedarfs verwenden können. Dieser Verwendungszweck besagt indes über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung nichts. Der Senat braucht jedoch diesen Bedenken nicht nachzugehen. Denn selbst wenn die genannten einmaligen Leistungen des Versicherten als Unterhalt zu qualifizieren wären, kann daraus, wie noch auszuführen sein wird, eine Unrichtigkeit des Bescheides vom 28. Juli 1966 nicht hergeleitet werden. Dabei kann allerdings nicht von einem höheren als dem vom LSG mit monatlich DM 70,- auf die Klägerin entfallenden Teilbetrag des Mietzinses ausgegangen werden. Zwar hat die Klägerin gegenüber dieser Feststellung geltend gemacht, man könne genauso gut die Ansicht vertreten, daß der auf das Kind der Klägerin entfallende Mietanteil von DM 40,- bereits in der vom Versicherten für das Kind erbrachten Unterhaltsrente enthalten sei und sich damit die Unterhaltsleistung des Versicherten an die Klägerin erhöhe. Diesem Vorbringen kann der Senat nicht nachgehen. Die Klägerin hat damit lediglich eine von den Feststellungen des LSG abweichende Beweiswürdigung vorgenommen. Hingegen hat sie eine zulässige Revisionsrüge gegen die Feststellungen nicht vorgebracht. Sie sind daher für den Senat bindend (§ 163 SGG).

Das LSG hat als einmalige Unterhaltsleistungen des Versicherten weiterhin die monatlichen Abschreibungsbeträge für den der Klägerin angeblich zugewendeten Ölofen und für das ihr vom Versicherten überlassene Kraftfahrzeug berücksichtigt. Das ist rechtsfehlerhaft. Weder der Anschaffungswert der genannten Gegenstände noch ein auf sie nach steuerrechtlichen Grundsätzen entfallender Abschreibungsbetrag können als Unterhaltsleistungen des Versicherten Berücksichtigung finden. Zweifelhaft ist bereits, ob die Gegenstände der Klägerin überhaupt zugewendet worden sind. Diese Zweifel ergeben sich daraus, daß die mit dem Ölofen ausgestattete Wohnung auch vom Versicherten bewohnt worden und er der Halter des Kraftfahrzeuges gewesen ist. Diese Zweifel können indes auf sich beruhen. Jedenfalls hat es sich sowohl bei dem Ölofen als auch bei dem Kraftfahrzeug um Gegenstände des Anlagevermögens gehandelt, deren Zuwendung zur Bestreitung des laufenden Lebensbedarfs von vornherein ungeeignet und allein aus diesem Grunde nicht als Unterhalt anzusehen ist. Daß die Klägerin aus den Gegenständen wirtschaftliche Nutzungen zur Deckung ihres laufenden Lebensbedarfs gezogen hat, ist vom LSG nicht festgestellt und von der Klägerin selbst jedenfalls bezüglich des Ölofens nicht behauptet worden. Allerdings hat sie bereits in den Tatsacheninstanzen vorgebracht, durch die Anschaffung des Kraftfahrzeugs habe ihr der Versicherte erst die Möglichkeit der Ausübung einer Erwerbstätigkeit eröffnet. Dieses Vorbringen ist jedoch rechtsunerheblich. Die Erträgnisse aus der Erwerbstätigkeit der Klägerin können nicht als Nutzungen aus dem Kraftfahrzeug und damit als Unterhaltsleistungen des Versicherten angesehen werden. Als Unterhalt kommen nur solche Nutzungen in Betracht, die aus dem Gebrauch oder der Verwertung des von dem Versicherten überlassenen Vermögensgegenstandes selbst gezogen werden. Die Erträgnisse aus der angeblich erst durch die Anschaffung des Kraftfahrzeugs ermöglichten Erwerbstätigkeit resultieren aber aus dieser und nicht aus der Nutzung des Fahrzeugs. In dessen Überlassung liegt somit keine Unterhaltsleistung des Versicherten.

Das LSG hat als durchschnittliche Unterhaltsleistung des Versicherten in der Zeit vom 3. August 1965 bis 13. Januar 1966 einschließlich der Abschreibungsbeträge für den Ölofen und das Kraftfahrzeug (zusammen monatlich ca. DM 203,-) einen Gesamtbetrag von monatlich DM 544,- ermittelt. Hiervon verbleiben ohne Berücksichtigung der Abschreibungsbeträge monatlich DM 341,-. Allenfalls in dieser Höhe kann demnach der Versicherte einen Beitrag zum Unterhalt geleistet haben.

Der Beitrag der Klägerin zu dem mit dem Versicherten auch nach der Scheidung weiterhin gemeinsam geführten Haushalt ist demgegenüber höher gewesen. Gegen die Richtigkeit der dem Bescheid vom 28. Juli 1966 zugrundegelegten Feststellung, daß sich der Wert des von der Klägerin beigesteuerten Beitrags zum gemeinsamen Haushalt ohne Berücksichtigung der Haushaltsführung auf monatlich DM 440,- belaufen habe, hat die Klägerin keine Einwendungen erhoben. Sie ist aber der Auffassung, eine Verweisung auf diese Einkünfte sei unbillig. Demgegenüber hat das LSG die Ansicht der Beklagten, der Klägerin sei in der Zeit vor dem Tode des Versicherten eine Erwerbstätigkeit zumutbar gewesen und deswegen das aus dieser Erwerbstätigkeit erzielte Einkommen den Unterhaltsleistungen des Versicherten gegenüberzustellen, ohne Rechtsfehler als vertretbar angesehen. Zwar hat das BSG wiederholt entschieden, daß die geschiedene Ehefrau billigerweise nicht auf Einkünfte verwiesen werden darf, die sie aus einer ihr nicht zumutbaren Erwerbstätigkeit erzielt (BSG SozR Nrn 16, 42, 45, 52, 68 zu § 1265 RVO). Dabei ist jedoch stets darauf hingewiesen worden, daß die Nichtberücksichtigung tatsächlich erzielter Einkünfte nur die Ausnahme sein kann und im allgemeinen eine tatsächlich ausgeübte Erwerbstätigkeit auch als zumutbar anzusehen ist. Im übrigen und vor allem aber sind diese Erwägungen ausschließlich im Rahmen der ersten Regelung des § 42 (Satz 1) AVG im Zusammenhang mit der Frage angestellt worden, ob der geschiedenen Ehefrau ein Unterhaltsanspruch nach § 58 des Ehegesetzes - der am 1. Juli 1977 seine Wirksamkeit verloren hat (Art 3 Nr 1, Art 12 Nr 13 Buchst a des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts - 1. EheRG - vom 14. Juni 1976, BGBl I S. 1421) - zusteht oder ob ein solcher Anspruch im Hinblick auf eigene Einkünfte der geschiedenen Ehefrau mangels der nach § 58 des EheG erforderlichen Bedürftigkeit zu verneinen ist. Hingegen ist die Frage der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit der geschiedenen Ehefrau und damit der Anrechenbarkeit der aus dieser Erwerbstätigkeit erzielten Einkünfte im Rahmen der dritten Regelung des § 42 (Satz 1) AVG bisher nicht erörtert worden. Wohl aber hat das BSG wiederholt hervorgehoben, daß für einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach dieser Vorschrift in erster Linie die tatsächlichen Verhältnisse während des Jahres vor dem Tode des Versicherten maßgebend sind (vgl zB BSGE 43, 221, 223 = SozR 2200 § 1265 Nr 26; BSGE 46, 16, 19 f. = SozR 2200 § 1265 Nr 31). Angesichts dessen ist die Überzeugung der Beklagten, daß auch hinsichtlich der eigenen Einkünfte der geschiedenen Ehefrau auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen ist und Gesichtspunkte der Zumutbarkeit keine Berücksichtigung finden können, nicht unhaltbar und damit der Bescheid vom 28. Juli 1966 insofern nicht unrichtig.

Nach alledem ergibt sich bereits aus einer Gegenüberstellung des finanziellen Beitrages des Versicherten einerseits und der Klägerin andererseits zum gemeinsamen Haushalt, daß der Wert des Beitrages des Versicherten denjenigen der Klägerin nicht überstiegen hat. Das gilt selbst dann, wenn dem Unterhaltsbeitrag der Klägerin ein weiterer Betrag für den Wert der Haushaltsführung nicht hinzugerechnet wird. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Urteil (S. 9) und die dagegen von der Revision vorgebrachten Einwendungen (S. 5 f. der Revisionsbegründung vom 28. September 1978) braucht daher nicht mehr eingegangen zu werden.

Eine Unrichtigkeit des Bescheides vom 28. Juli 1966 ist nicht festzustellen. Schon deswegen hat die Beklagte nicht von der Unrichtigkeit des Bescheides überzeugt zu sein. Sie hat eine Neufeststellung zu Recht abgelehnt. Dies muß zur Zurückweisung der Revision der Klägerin führen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1654848

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