Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschlußfrist. Unzulässige Rechtsausübung

 

Normenkette

BAT-O § 70; BGB § 812 Abs. 1 S. 1, § 242; ZPO § 554 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b

 

Verfahrensgang

LAG Brandenburg (Urteil vom 08.11.1996; Aktenzeichen 5 Sa 454/96)

ArbG Potsdam (Urteil vom 25.04.1996; Aktenzeichen 8 (4) (1) Sa 2106/94)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 8. November 1996 – 5 Sa 454/96 – aufgehoben.

2. Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger zur Rückzahlung einer pauschalierten Aufwandsentschädigung an die Beklagte verpflichtet ist.

Der Kläger, der vorher beim Bezirksamt B. tätig war, ist seit September 1991 bei der Beklagten als technischer Angestellter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) Anwendung.

Die Beklagte zahlte an die Beschäftigten, für die sie vom Bundesverwaltungsamt einen Personalkostenzuschuß nach Maßgabe der Richtlinie für die Gewährung von Personalkostenzuschüssen an Gemeinden und andere öffentliche Einrichtungen in den neuen Bundesländern vom 26. März 1991 erhielt, u.a. eine pauschalierte Aufwandsentschädigung. Nach Ziff. 3.5 der Richtlinie wurde bei Mitarbeitern aus dem bisherigen Bundesgebiet zusätzlich erstattet „eine vom neuen Dienstherrn entsprechend den Richtlinien des Bundesministers des Innern – D II 4-221170/36 – in der jeweils geltenden Fassung gewährte pauschalierte Aufwandsentschädigung bis zur Höhe der darin vorgesehenen Sätze und die sonstigen damit verbundenen Nebenleistungen für Bundesbedienstete und Bundesbedienstete im Ruhestand”. Danach stand eine Aufwandsentschädigung nicht zu, wenn dem Mitarbeiter die tägliche Rückkehr zum bisherigen, vor Aufnahme der Beschäftigung innegehabten Wohnort nach Reisekostenrecht zumutbar war. In den Hinweisen zur Richtlinie vom 26. März 1991 heißt es unter Ziff. 4.2:

„Eine tägliche Rückkehr ist nicht zumutbar, wenn die gesamte Fahrzeit für Hin- und Rückreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln länger als drei Stunden dauert. Bei einer zumutbaren täglichen Rückkehr muß davon abgesehen werden, dem Mitarbeiter die Aufwandsentschädigung zu zahlen. Wird die tägliche Rückkehr mit dem PKW in kürzerer Zeit zurückgelegt, ist dies für die Zahlung der Aufwandsentschädigung unerheblich.”

Die Beklagte informierte ihre Arbeitnehmer über diese Voraussetzungen mit einem Formschreiben und wies außerdem auf folgendes hin:

„… Aus den bisherigen Erfahrungen hat sich ergeben, daß die Anforderungen von „Persönlichen Fahrplänen” der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) für diejenigen Mitarbeiter, die aus dem ehemaligen Westteil der Stadt Berlin zum Dienst nach Potsdam anreisen, nicht in jedem Fall auch die tatsächliche Fahrzeit für Hin- und Rückfahrt widerspiegeln. Teilweise weichen die Angaben der BVG in erheblichem Umfang von den Angaben der Mitarbeiter ab. Dem Personalamt der Stadt Potsdam ist es jedoch nicht möglich, in jedem einzelnen Fall die Richtigkeit der „Persönlichen Fahrpläne” zu überprüfen.

Sollten in Ihrem Fall daher aus Ihrer persönlichen Sicht die Voraussetzungen der Zahlungen einer Aufwandsentschädigung zustehen, weil die Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr an Ihren Hausstand nicht gegeben ist, so bitte ich Sie, das in der Anlage beigefügte Formblatt „Dienstliche Erklärung” sorgfältig auszufüllen und an das Personalamt zurückzuschicken.

Ich weise Sie vorsorglich darauf hin, daß Sie verpflichtet sind, wahrheitsgemäße Angaben zu machen und diese ggf. selbst auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen.

Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß zu Unrecht gezahlte Aufwandsentschädigungen von Ihnen zurückgefordert werden, sollten sich ihre Angaben – auch später noch – als unrichtig erweisen. …”.

Der Kläger teilte der Beklagten mit Schreiben vom 25. Februar 1992 mit, daß die Zeitdauer des Weges vom Arbeitsplatz zu seiner Wohnung mit öffentlichen Verkehrsmitteln auf der Rückfahrt 103 Minuten und auf der Hinfahrt wenige Minuten weniger betrage. Die Beklagte reichte diese Angaben an das Bundesverwaltungsamt weiter und beantragte die Bewilligung des Personalkostenzuschusses für die Aufwandsentschädigung des Klägers. Dem gab das Bundesverwaltungsamt mit Bescheid vom 30. März 1992 statt und bewilligte für die Zeit vom 23. September 1991 bis zum 22. März 1992 einen Zuschuß von insgesamt DM 13.186,67. Diesen Betrag zahlte die Beklagte am 30. März 1993 an den Kläger aus.

Mit Schreiben vom 22. Oktober 1993 schlüsselte der Kläger die Wegezeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln für die Zeit vom 1. April 1992 bis Ende 1993 weiter nach Fahrt- und Wegezeiten auf und kam dabei zu einem Mittelwert von 96 Minuten pro Weg. Dabei gab er an, die Wegezeit sei in der Regel morgens kürzer und abends länger. Eine letzte Aufstellung erstellte er mit Schreiben vom 1. November 1993 und errechnete eine aktuelle Fahrzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln von insgesamt 2 Stunden und 23 Minuten.

Mit Schreiben vom 11. November 1993, das dem Kläger am 6. Dezember 1993 zuging, teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß die Voraussetzungen für die Gewährung der pauschalierten Aufwandsentschädigung nicht vorgelegen hätten und die Fahrzeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln 1991 nach den Ermittlungen des Personalamtes lediglich 2 Stunden und 36 Minuten betragen hätten. Gleichzeitig machte die Beklagte die Rückzahlung des Betrages von DM 13.186,67 geltend.

Das Bundesverwaltungsamt hob mit Bescheid vom 16. Dezember 1993 den Bewilligungsbescheid vom 30. März 1992 auf und forderte den für den streitgegenständlichen Zeitraum gezahlten Betrag von der Beklagten zurück.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, in der Zeit vom 1. Oktober 1991 bis zum 22. März 1992 hätten die Voraussetzungen für die Zahlung der Aufwandsentschädigung vorgelegen. Wenn auch einzuräumen sei, daß in dem maßgeblichen Zeitraum keine S-Bahnverbindung bestanden habe und die von der Beklagten angeführten Buslinien zuträfen, habe der Anspruch auf Aufwandsentschädigung gleichwohl bestanden. Die Fahrzeiten seien nämlich erheblich länger gewesen als im Fahrplan ausgewiesen. Außerdem habe die Beklagte bei der Berechnung des Hinwegs einen 3- bis 6minütigen Aufenthalt an einer Doppelampel ebenso unberücksichtigt gelassen wie den Umstand, daß er seinen Arbeitsplatz nicht immer pünktlich habe verlassen können. Jedenfalls scheitere die Rückforderung an § 70 BAT-O. Der vermeintliche Rückforderungsanspruch sei mit der Auszahlung der Aufwandsentschädigung am 30. März 1993 fällig geworden, spätestens aber im Mai 1993, als die Beklagte bereits Rückforderungsansprüche angedroht habe. Die erstmalige schriftliche Geltendmachung mit dem am 6. Dezember 1993 zugegangenen Schreiben vom 11. November 1993 sei deshalb nicht fristgerecht erfolgt.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß der Beklagen der gegen den Kläger geltend gemachte Rückzahlungsanspruch auf Aufwandsentschädigung nicht zusteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen und

widerklagend,

den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, an sie DM 13.186,67 zu zahlen.

Der Kläger und Widerbeklagte hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die tägliche Rückkehr zum Wohnort sei dem Kläger während des gesamten Zeitraums im reisekostenrechtlichen Sinne zumutbar gewesen. Bei richtiger Berechnung ergebe sich für die Hin- und Rückfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln ein Zeitaufwand von 2 Stunden und 36 Minuten. Der Rückforderungsanspruch sei nicht gemäß § 70 BAT-O verfallen. Diese Ausschlußfrist gelte nicht, da nach § 42 BAT-O die beamtenrechtlichen Vorschriften anwendbar seien. Außerdem seien die Voraussetzungen des § 70 BAT-O nicht erfüllt, da der Rückforderungsanspruch erst mit Zugang des Rücknahmebescheides des Bundesverwaltungsamts vom 16. Dezember 1993 enstanden sei. Frühestens habe die Ausschlußfrist im Oktober 1993 zu laufen begonnen, da die Beklagte zu diesem Zeitpunkt mit der Überprüfung der Fahrzeitangaben des Klägers begonnen habe. Jedenfalls sei die Berufung auf die Ausschlußfrist rechtsmißbräuchlich, da der Kläger mehrfach auf die Auszahlung der Aufwandsentschädigung gedrängt und deren Rückzahlung für den Fall der Rückforderung durch das Bundesverwaltungsamt zugesagt habe. Schließlich stehe der Beklagten der Rückforderungsanspruch nicht nur aus ungerechtfertigter Bereicherung, sondern auch aufgrund der bei der Auszahlung der Aufwandsentschädigung mit dem Kläger getroffenen Rückzahlungsabrede sowie wegen der arglistigen Vorspiegelung falscher Tatsachen gemäß §§ 823 ff. BGB zu.

Das Arbeitsgericht hat die Klage als unzulässig und die Widerklage als unbegründet abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten der Widerklage stattgegeben. Mit der Revision erstrebt der Kläger weiterhin die Abweisung der Widerklage. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§§ 564 Abs. 1, 565 Abs. 1 ZPO).

A. Das Landesarbeitsgericht hat einen Rückzahlungsanspruch der Beklagten aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 erste Alternative BGB bejaht, da dem Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum die tägliche Rückkehr zur Wohnung nach Reisekostenrecht zumutbar gewesen sei und er deshalb die Aufwandsentschädigung rechtsgrundlos erhalten habe. Der Rückzahlungsanspruch sei nicht nach § 70 BAT-O verfallen. Es sei bereits zweifelhaft, ob die tarifliche Ausschlußfrist gelte oder ob sich der Rückforderungsanspruch gemäß § 42 Abs. 1 BAT- O nach den allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen richte. Selbst wenn § 70 BAT-O anzuwenden sei, greife diese Vorschrift nicht. Zum einen spreche vieles dafür, daß die Ausschlußfrist nicht bereits im Zeitpunkt der Auszahlung der Aufwandsentschädigung an den Kläger am 30. März 1993 zu laufen begonnen habe, sondern erst Anfang November 1993, als die Beklagte die Fehlerhaftigkeit der Angaben des Klägers zu den Fahrzeiten erkannt habe. Zum anderen stelle die Berufung des Klägers auf die Ausschlußfrist eine unzulässige Rechtsausübung dar. Da der Kläger durch seine falschen Angaben die rechtsgrundlose Zahlung selbst verursacht habe, könne er sich gemäß § 242 BGB nicht auf eine verspätete Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs berufen.

B. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Zwar hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt, daß der Kläger gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 erste Alternative BGB zur Rückzahlung der Aufwandsentschädigung verpflichtet ist. Dem Rückzahlungsanspruch der Beklagten steht aber möglicherweise § 70 BAT-O entgegen. Die Berufung des Klägers auf die tarifliche Ausschlußfrist ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht bereits deshalb rechtsmißbräuchlich, weil er die Zahlung der Aufwandsentschädigung durch fehlerhafte Angaben veranlaßt hat. Der Berufung auf die Ausschlußfrist stünde § 242 BGB aber dann entgegen, wenn der Kläger der Beklagten die Rückzahlung des Betrages für den Fall der Rückforderung durch das Bundesverwaltungsamt zugesagt hätte. Ob dies der Fall ist, kann der Senat nicht abschließend entscheiden, da es hierzu an den erforderlichen tatrichterlichen Feststellungen fehlt.

I. Die in der Revisionsbegründung vom Kläger erstmals erhobene Rechtswegrüge ist gemäß § 73 Abs. 2, § 65 ArbGG unbeachtlich.

II. Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 erste Alternative BGB einen Anspruch auf Rückzahlung der Aufwandsentschädigung, da der Kläger diese durch Leistung der Beklagten ohne Rechtsgrund erlangt hat.

1. Die Beklagte hat dem Kläger die Gewährung der Aufwandsentschädigung unter denselben Voraussetzungen zugesagt, wie ihr die Refinanzierung beim Bundesverwaltungsamt möglich war. Dementsprechend bestand ein Anspruch des Klägers auf die pauschale Aufwandsentschädigung gemäß Ziff. 4.2 der Hinweise zur Richtlinie des Bundesministers des Innern vom 26. März 1991 nur dann, wenn ihm die tägliche Rückkehr zum bisherigen Wohnort nach Reisekosten recht nicht zuzumuten war. In Anlehnung an § 3 Abs. 1 Satz 2 Trennungsgeldverordnung (TGV) gehen die Hinweise davon aus, daß die Zumutbarkeitsgrenze bei mehr als 3 Stunden täglicher Fahrzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln überschritten ist. Dabei kommt es auf die tatsächliche Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel nach Ziff. 4.2 der Hinweise ebensowenig an wie darauf, ob der Arbeitnehmer die Strecke mit einem privaten Fahrzeug in kürzerer Zeit zurückgelegt hat.

2. Die Voraussetzungen für die Gewährung der Aufwandsentschädigung waren beim Kläger im streitbefangenen Zeitraum nicht erfüllt. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, daß die Fahrzeit weniger als drei Stunden betragen hat. Nach der Klarstellung des Klägers in der Berufungsverhandlung ist die Fahrzeitberechnung der Beklagten unter Zugrundelegung zweier Buslinien im Grundsatz zutreffend. Danach hat sich die Fahrzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach dem damals geltenden Fahrplan einschließlich der erforderlichen Fußwege und Wartezeiten auf zwei Stunden und 36 Minuten, also deutlich weniger als drei Stunden, belaufen. Die dagegen vorgebrachten Einwände des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zu Recht als unsubstantiiert bzw. unerheblich angesehen.

a) Soweit der Kläger der Fahrzeitberechnung der Beklagten seine eigene Berechnung im Schreiben vom 25. Februar 1992 entgegengehalten hat, hat das Landesarbeitsgericht zu Recht eine Aufschlüsselung des Klägers in Fahrt- und Wegezeiten vermißt. Das Bestreiten des Klägers ist daher unsubstantiiert. Außerdem ist der Kläger offenbar fehlerhaft vom Bestehen einer S-Bahnverbindung im streitgegenständlichen Zeitraum ausgegangen, was aus der Benennung der beiden S- Bahnhöfe Wannsee und Mexikoplatz zu schließen ist. Sofern der Kläger, ebenso wie die Beklagte, seiner Berechnung die Buslinie 211 zugrunde gelegt haben sollte, ist nicht ersichtlich, warum er an der Haltestelle Mexikoplatz ausgestiegen ist, von der aus der Fußweg zu seiner Wohnung 20 Minuten dauert, statt an der zwei Minuten später erreichbaren Haltestelle Krumme-Lanke, von der aus der Fußweg nur fünf Minuten beträgt.

Ebenfalls unsubstantiiert ist der Vortrag des Klägers, in den ersten drei Monaten habe er in den früheren Diensträumen gearbeitet, der Fußweg von der Haltestelle bis dorthin sei länger als die von der Beklagten zugrunde gelegten 15 Minuten gewesen. Ein substantiiertes Bestreiten hätte die genaue Angabe der Dauer des Fußwegs erfordert.

Der Einwand des Klägers, die Beklagte habe bei der Berechnung des Hinwegs eine Doppelampel unberücksichtigt gelassen, ist unerheblich, denn der vom Kläger insoweit behauptete zusätzliche Zeitaufwand von drei bis sechs Minuten wirkt sich angesichts der fast 30 Minuten unter der drei-Stunden-Grenze liegenden Fahrzeitberechnung der Beklagten nicht aus.

Die vom Kläger angeführten Wartezeiten bis zum Dienstantritt und nach Dienstende hat das Landesarbeitsgericht mit zutreffender Begründung für unbeachtlich gehalten, weil sie planmäßige Freizeit des Klägers darstellen (BayVerwGH Urteil vom 13. Dezember 1979 – 216 III 78 – abgedruckt bei Kopicki/lrlenbusch, Reisekostenrecht des Bundes, Stand Juni 1998, Teil D Nr. 11). Die zugrundeliegende reisekostenrechtliche Bestimmung des § 3 Abs. 1 Satz 2 TGV stellt für die Fahrzeitberechnung ausdrücklich auf „die Zeit für das Zurücklegen der Strecke zwischen Wohnung und Dienststätte” ab. Im übrigen hat das Landesarbeitsgericht zu Recht auf die übliche Gleitzeitregelung hingewiesen, durch die sich Wartezeiten dieser Art vermeiden lassen.

Schließlich ist auch der Einwand des Klägers unerheblich, wegen der damals unzuverlässigen Verbindungen im öffentlichen Personennahverkehr müsse zu den Fahrzeiten eine Verspätungsquote von 25 bis 30 % hinzugerechnet werden. Nach Ziff. 4.2 der Hinweise zu den Richtlinien des Bundesministers des Innern vom 26. März 1991 kommt es nicht auf die tatsächliche Dauer der Fahrzeit an, vielmehr ist eine fiktive Berechnung vorzunehmen. Nur deshalb bestand für den Kläger trotz Benutzung seines eigenen PKW überhaupt die Möglichkeit, Aufwandsentschädigung zu erhalten. Bei einer fiktiven Berechnung ist aber nicht nur ohne Belang, ob ein bestimmtes Verkehrsmittel tatsächlich benutzt wird, sondern auch, ob Verspätungen aufgetreten sind. Im übrigen ist der Vortrag, die tatsächlichen Fahrzeiten seien erheblich länger gewesen als nach dem Fahrplan, bei Buslinien habe eine 25 bis 30 %ige Verspätungsquote bestanden, unsubstantiiert.

b) Der Kläger beanstandet, das Landesarbeitsgericht habe rechtsfehlerhaft eine Beweisaufnahme bezüglich der Dauer der tatsächlichen Fahrzeit unterlassen und außerdem den Parteien Gelegenheit zu weiterem Sachvortrag geben müssen. Die darin liegenden Verfahrensrügen sind unzulässig.

Gemäß § 554 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b ZPO hat der Revisionsführer zur Begründung einer Verfahrensrüge die Tatsachen zu bezeichnen, aus denen sich die Gesetzesverletzung ergeben soll. Bei einem vermeintlich übergangenen Beweisangebot muß der Beweisantrag mit Beweisthema und Benennung der Beweismittel angegeben werden. Es ist genau zu bezeichnen, in welchem Schriftsatz das Beweisangebot gemacht worden ist und zu welchem Ergebnis die Beweisaufnahme geführt hätte (BAG Urteil vom 11. April 1985 – 2 AZR 239/84 – BAGE 49, 39, 52 = AP Nr. 39 zu § 102 BetrVG 1972, zu C IM der Gründe; BAG Urteil vom 29. Juli 1992 – 4 AZR 502/91 – BAGE 71, 56, 67 = AP Nr. 32 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel, zu 6 b der Gründe; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 74 Rz 39). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Klägers, eine Beweisaufnahme „durch Vergleich von Fahrplänen bzw. Zeugenvernehmung von zuständigen Mitarbeitern der Nahverkehrsbetriebe” hätte ergeben, daß der Kläger im streitbefangenen Zeitraum „insgesamt mehr als drei Stunden Fahrzeit habe aufwenden müssen”, nicht.

Auch die Aufklärungsrüge ist unzulässig. Eine Aufklärungsrüge erfordert, daß die Tatsachen, die vorgebracht worden wären, im einzelnen bezeichnet und auf diese Weise nachgeholt werden (BAG Urteil vom 16. August 1990 – 8 AZR 220/88 – BAGE 65, 347, 350 = AP Nr. 6 zu § 9 BildungsurlaubsG NRW, zu II 2 b der Gründe; BAG Urteil vom 21. Mai 1992 – 6 AZR 19/91 – n.v., zu B III 2 f der Gründe, m.w.N.). Daran fehlt es hier.

III. Ob dem Rückzahlungsanspruch der Beklagten § 70 BAT-O entgegensteht, kann der Senat nicht abschließend beurteilen. Dazu bedarf es weiterer tatrichterlicher Feststellungen, die das Landesarbeitsgericht nachzuholen hat.

1. Nach § 70 BAT-O verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlußfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit vom Angestellten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden, soweit tarifvertraglich nichts anderes bestimmt ist.

a) Bei dem Rückforderungsanspruch handelt es sich um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis im Sinne des § 70 BAT-O. Daß die Beklagte die Aufwandsentschädigung nur gewährte, wenn sie die entsprechenden Beträge ihrerseits vom Bundesverwaltungsamt erstattet erhielt, ändert nichts daran, daß sie die Leistung an den Kläger im Rahmen des Arbeitsverhältnisses der Parteien erbracht hat.

b) Die Forderung auf Rückzahlung überzahlter Vergütung unterliegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den tariflichen Ausschlußfristen (BAG Urteile vom 26. April 1978 – 5 AZR 62/77 – AP Nr. 64 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; vom 28. Februar 1979 – 5 AZR 728/77 – AP Nr. 6 zu § 70 BAT; vom 11. Juni 1980 – 4 AZR 443/78 – AP Nr. 7 zu § 70 BAT; vom 19. März 1986 – 5 AZR 86/85 – BAGE 51, 308 = AP Nr. 67 zu § 1 LohnFG; vom 16. November 1989 – 6 AZR 114/88 – BAGE 63, 246 = AP Nr. 8 zu § 29 BAT; vom 25. Februar 1993 – 6 AZR 334/91 – BAGE 72, 290 = AP Nr. 10 zu § 37 BAT).

c) § 70 BAT-O wird hinsichtlich des streitgegenständlichen Rückforderungsanspruchs nicht von § 42 Abs. 1 BAT-O verdrängt.

Nach § 42 Abs. 1 BAT-O sind für die Erstattung von Reisekosten und von Auslagen aus Anlaß der Abordnung die für die Beamten des Arbeitgebers jeweils geltenden Bestimmungen entsprechend anzuwenden. Nach § 3 Abs. 5 BRKG gilt für Erstattung von Reisekosten eine Antragsfrist von einem Jahr.

Diese geht als speziellere Regelung § 70 BAT-O vor (BAG Urteil vom 31. Januar 1973 – 4 AZR 160/72 – AP Nr. 1 zu § 42 BAT, zu I der Gründe; BAG Urteil vom 10. Juli 1974 – 4 AZR 509/73 – AP Nr. 4 zu § 42 BAT). Im Streitfall handelt es sich jedoch nicht um Reisekosten oder Auslagen aus Anlaß einer Abordnung, sondern um eine pauschalierte Aufwandsentschädigung. Diese wird von § 42 Abs. 1 BAT-O nicht erfaßt, weshalb auch für den Anspruch des Arbeitgebers auf Rückzahlung überzahlter Beträge die Verweisung auf diese beamtenrechtliche Vorschrift nicht einschlägig wäre. Außerdem gilt § 42 BAT-O nur für die Erstattung der darin bezeichneten Auslagen an den Arbeitnehmer, nicht jedoch für Rückerstattungsansprüche des Arbeitgebers. Diese bestimmen sich – ebenso wie im Reisekosten recht für Beamte – nach den allgemeinen Vorschriften. Dazu gehört bei Angestellten auch § 70 BAT-O.

d) Die Beklagte hat die Ausschlußfrist des § 70 BAT-O versäumt, da der Rückforderungsanspruch im Zeitpunkt der Auszahlung der Aufwandsentschädigung am 30. März 1993 fällig geworden ist und die Beklagte ihn erstmals mit Schreiben vom 11. November 1993, das dem Kläger am 6. Dezember 1993 zugegangen ist, geltend gemacht hat.

(1) Der Rückforderungsanspruch der Beklagten ist im Zeitpunkt der Überzahlung am 30. März 1993 entstanden und nicht erst im Zeitpunkt der Rückforderung des Personalkostenzuschusses durch das Bundesverwaltungsamt, denn die Zahlung der Aufwandsentschädigung an den Kläger erfolgte von Anfang an ohne Rechtsgrund, weil die Anspruchsvoraussetzungen dafür nicht vorlagen.

(2) Der Rückforderungsanspruch ist mit seiner Entstehung am 30. März 1993 auch fällig geworden.

Ansprüche des Arbeitgebers auf Rückzahlung überzahlter Vergütung werden nach § 271 Abs. 1 BGB grundsätzlich im Zeitpunkt der Überzahlung fällig, wenn die Vergütung fehlerhaft berechnet worden ist. Von diesem Zeitpunkt an kann der überzahlte Betrag zurückgefordert werden. Auf die tatsächliche Kenntnis des Arbeitgebers von seinem Rückforderungsanspruch kommt es grundsätzlich nicht an (BAG Urteil vom 26. April 1978 – 5 AZR 62/77 – AP Nr. 64 zu § 4 TVG Ausschlußfristen, zu II der Gründe; BAGE 51, 308, 311 = AP, a.a.O., zu II 2 der Gründe; BAGE 63, 246, 253 = AP, a.a.O., zu II 3 b der Gründe; BAG Urteil vom 1. Juni 1995 – 6 AZR 912/94 – BAGE 80, 144, 149 = AP Nr. 16 zu § 812 BGB, zu II 2 der Gründe; BAG Urteil vom 14. September 1994 – 5 AZR 407/93 – AP Nr. 127 zu § 4 TVG Ausschlußfristen). Ein anderer Fälligkeitszeitpunkt ergibt sich, wenn es dem Gläubiger aufgrund praktischer Umstände unmöglich ist, seinen Anspruch geltend zu machen. Bei Rückzahlungsansprüchen ist dies der Fall, wenn der Gläubiger nicht in der Lage ist, die tatsächlichen Voraussetzungen seines Anspruchs zu erkennen und diesen wenigstens annähernd zu beziffern (BAGE 51, 308, 311 = AP, a.a.O., zu II 3 a der Gründe; BAGE 63, 246, 253 = AP, a.a.O., zu II 3 b der Gründe; BAGE 80, 144, 149 = AP, a.a.O., zu II 2 der Gründe; BAG Urteil vom 14. September 1994, a.a.O.). In einem solchen Fall wird der Rückzahlungsanspruch erst mit der Kenntnis des Gläubigers von den für die Rückforderung maßgeblichen Tatsachen fällig. So verhält es sich etwa, wenn der Arbeitgeber Krankenvergütung leistet, weil er keine Kenntnis davon hat, daß der Arbeitnehmer an einer Fortsetzungserkrankung leidet (BAGE 51, 308 = AP, a.a.O.) oder wenn der öffentliche Arbeitgeber den vollen Ortszuschlag für Verheiratete weiterzahlt, obwohl die Ehefrau des Arbeitnehmers ohne Wissen des Arbeitgebers eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst aufgenommen hat und der Arbeitnehmer deshalb nur noch einen geringeren Ortszuschlag beanspruchen kann (BAGE 63, 246 = AP, a.a.O.).

(3) Die Beklagte war – anders als der Arbeitgeber im Falle der zu Unrecht gezahlten Krankenvergütung und des zuviel gewährten Ortszuschlags – bereits im Zeitpunkt der Auszahlung der Aufwandsentschädigung in der Lage, sich selbst Kenntnis von ihrem Rückforderungsanspruch zu verschaffen. Dazu war sie im Hinblick auf die Ausschlußfrist des § 70 BAT-O auch verpflichtet (BAGE 51, 308, 311 = AP, a.a.O., zu II 2 der Gründe; BAGE 63, 246, 254 = AP, a.a.O., zu II 3 c der Gründe; BAG Urteil vom 14. September 1994, a.a.O., zu II 3 a der Gründe). Die Beklagte kannte die Wohnanschrift des Klägers und den Sitz seiner Dienststelle, so daß sie anhand der Verkehrsverbindungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln und den zugehörigen Fahrplänen ohne weiteres die Dauer der täglichen Fahrzeit hätte feststellen können, was sie im Oktober 1993 letztlich auch getan hat. Die verspätete Kenntniserlangung vom Rückzahlungsanspruch fiel somit, anders als etwa in den beiden vorgenannten Beispielsfällen, bei denen der Arbeitgeber auf die Mitteilung Dritter angewiesen ist, in die Sphäre der Beklagten.

Darauf, daß die Angaben des Klägers zu den Fahrzeiten objektiv unrichtig waren, kommt es für den Eintritt der Fälligkeit des Rückforderungsanspruchs nicht an. Diese Pflichtwidrigkeit änderte nichts daran, daß die Beklagte durch Überprüfung der Angaben des Klägers hätte erkennen können, daß die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung nicht vorlagen. Daß sie sich auf die Angaben des Klägers verlassen hat, ist ihrem eigenen Risikobereich zuzuordnen.

2. Trotz Ablaufs der Ausschlußfrist des § 70 BAT-O ist der Verfall des Rückforderungsanspruchs der Beklagten möglicherweise durch § 242 BGB ausgeschlossen.

a) Der Gläubiger kann dem Ablauf der tariflichen Ausschlußfrist mit dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begegnen, wenn ihn der Schuldner durch aktives Handeln von der Einhaltung der Ausschlußfrist abgehalten oder wenn er es pflichtwidrig unterlassen hat, dem Gläubiger die Umstände mitzuteilen, die ihn zur Einhaltung der Ausschlußfrist veranlaßt hätten (BAG Urteil vom 11. Juni 1980 – 4 AZR 443/78 – AP Nr. 7 zu § 70 BAT; BAGE 80, 144, 150 = AP, a.a.O., zu II 3 der Gründe, m.w.N.) oder wenn der Schuldner beim Gläubiger den Eindruck erweckt hat, er werde sich nicht auf die Ausschlußfrist berufen, was aufgrund einer besonderen Zusage der Fall sein kann (BAG Urteile vom 27. März 1963 – 4 AZR 72/62 – AP Nr. 9 zu § 59 BetrVG; vom 17. April 1986 – 2 AZR 308/85 – AP Nr. 40 zu § 615 BGB, zu B II 1 a der Gründe).

b) Der Kläger hat gegenüber der Beklagten möglicherweise den Eindruck erweckt, er werde sich nicht auf die Ausschlußfrist berufen, indem er die Personalsachbearbeiterin S. und den Abteilungsleiter im Personalamt H. auf Auszahlung der Aufwandsentschädigung gedrängt und ihnen zugesichert hat, er werde das Geld zurückzahlen, falls das Bundesverwaltungsamt die Aufwandsentschädigung zurückfordere. Aufgrund einer solchen Erklärung durfte die Beklagte darauf vertrauen, daß der Kläger die Aufwandsentschädigung auch nach Ablauf der tariflichen Ausschlußfrist zurückzahlen würde, wenn sich im Nachhinein herausstellen sollte, daß die Anspruchsvoraussetzungen für die Zahlung nicht vorlagen. Es kommt somit darauf an, ob der Kläger die von der Beklagten behauptete Zusicherung gegenüber den von der Beklagten benannten Zeugen S. und H. abgegeben hat. Dies ist vom Landesarbeitsgericht gegebenenfalls durch Beweisaufnahme aufzuklären. Der Rechtsstreit war daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

c) Die ergänzenden tatrichterlichen Festellungen erübrigen sich nicht dadurch, daß der Kläger die Beklagte durch aktives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen an der Einhaltung der Ausschlußfrist gehindert hat. Zwar liegt eine pflichtwidrige Unterlassung eines Arbeitnehmers regelmäßig vor, wenn er erkennt, daß seinem Arbeitgeber bei der Überweisung der Vergütung ein Irrtum unterlaufen ist, der zu einer erheblichen Überzahlung geführt hat und er die Überzahlung nicht anzeigt (BAGE 80, 144, 150 = AP, a.a.O., zu II 3 a der Gründe). So verhält es sich hier jedoch nicht. Die Pflichtwidrigkeit des Klägers bestand nicht darin, daß er die Beklagte nicht auf eine irrtümliche Überzahlung hingewiesen hat, sondern in den objektiv unrichtigen Angaben, aufgrund derer die Beklagte die Aufwandsentschädigung an ihn ausgezahlt hat. Dadurch hat der Kläger die Beklagte aber nicht davon abgehalten, seine Angaben im nachhinein zu überprüfen und die tarifliche Ausschlußfrist zur Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs einzuhalten.

C. Das Landesarbeitsgericht hat auch über die Kosten der Revision zu entscheiden.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Gräfl, Gebert, Schneider

 

Fundstellen

Haufe-Index 1251972

ZTR 1999, 471

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