Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückforderung überzahlten Ortszuschlags

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Anspruch auf Rückzahlung eines überzahlten Ortszuschlagsbetrages wird in der Regel fällig, wenn die Tatsachen des Überzahlungstatbestands bekannt werden.

2. Das gilt nicht, wenn der Arbeitgeber es versäumt hat, sich die Kenntnis der Voraussetzungen zu verschaffen, die er für die Geltendmachung des Anspruchs benötigt.

3. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, im jährlichen Abstand bei den Angestellten nachzufragen, ob sich die Daten für die Höhe des Ortszuschlags zwischenzeitlich geändert haben.

 

Normenkette

BAT § 70; BGB § 812; BBesG § 40 Abs. 5, 7, 2; BAT § 29 Abschn. B Abs. 2, 5, 7

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 03.12.1987; Aktenzeichen 10 Sa 943/87)

ArbG Bonn (Entscheidung vom 15.07.1987; Aktenzeichen 3 Ca 983/87)

 

Nachgehend

LAG Köln (Urteil vom 07.12.1993; Aktenzeichen 10 Sa 943/87)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Ortszuschlag.

Der Kläger ist bei der Beklagten im amt der Bundesregierung seit 1975 als Journalist beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Der verheiratete Kläger erhielt zunächst Ortszuschlag der Stufe 2, den Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1 und 2 jedoch nur zur Hälfte, weil seine Ehefrau ebenfalls im öffentlichen Dienst tätig war. Nachdem die Ehefrau des Klägers 1978 aus ihrem Arbeitsverhältnis ausgeschieden war, erhielt der Kläger auf seinen Antrag den vollen Ortszuschlag der Stufe 2.

Am 26. März 1980 nahm die Ehefrau des Klägers eine Tätigkeit im J-Krankenhaus auf. Der Träger des Krankenhauses, die F GmbH wendet auf die Arbeitsverhältnisse ihrer Mitarbeiter nach eigener Auskunft den BAT/Kirchliche Fassung an. Der Kläger teilte der Beklagten die Arbeitsaufnahme seiner Ehefrau nicht mit. In Beihilfeanträgen machte er allerdings Angaben über die Beschäftigung seiner Frau im J-Krankenhaus. Unter dem 16. November 1986 füllte der Kläger die von ihm verlangte formularmäßige Erklärung zum Ortszuschlag mit Angaben über die Beschäftigung seiner Ehefrau aus. Das führte zu einer Rückfrage der Dienststelle des Klägers bei der Personalabteilung des Krankenhauses. Diese teilte unter dem 19. Januar 1987 mit, die Ehefrau des Klägers sei dort als teilzeitbeschäftigte Angestellte mit 20 Wochenstunden beschäftigt und erhalte laufend Ortszuschlag in Höhe der Hälfte des Unterschiedsbetrags zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2. Die Beklagte stellte daraufhin die Zahlung des vollen Ortszuschlags der Stufe 2 ein und forderte mit Schreiben vom 22. Januar 1987 vom Kläger die überzahlten Beträge in Höhe von letztlich 5.239,68 DM zurück. Sie behielt von seiner Vergütung in den Monaten April 1987 bis Juli 1987 jeweils 1.170,-- DM ein. Diese einbehaltenen Vergütungsbeträge macht der Kläger mit der vorliegenden Klage geltend.

Er hat gemeint, der Arbeitgeber seiner Ehefrau gehöre nicht zum öffentlichen Dienst und fühle sich ausweislich einer Bescheinigung vom 9. Februar 1987 auch nicht dazugehörig. Er sei stets davon überzeugt gewesen, daß die Tätigkeit im J-Krankenhaus nicht zum öffentlichen Dienst gehöre, weil dort insbesondere die Gewährung von Beihilfen, die Urlaubsberechnung, der Essenszuschuß und der Zuschuß zu privaten Krankenversicherungen abweichend von den Bestimmungen im öffentlichen Dienst geregelt sei. Die Beklagte habe mit dem überwiegenden Teil der Rückzahlungsforderung die Ausschlußfrist gemäß § 70 BAT versäumt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.680,-- DM

nebst 4 % Zinsen seit dem 15. Juli 1987 zu zah-

len.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, der Kläger sei um die der Höhe nach unstreitigen Differenzbeträge des Ortszuschlags ungerechtfertigt bereichert, weil der Arbeitgeber seiner Ehefrau zum öffentlichen Dienst gehöre. Der Kläger habe versäumt, pflichtgemäß die Beklagte auf diese Tätigkeit im öffentlichen Dienst hinzuweisen. Auf Angaben des Klägers im Zusammenhang mit Beihilfeanträgen komme es nicht an, weil ein Datenabgleich zwischen den Beihilfeunterlagen und den übrigen Personalunterlagen nicht stattfinde und auch nicht zulässig sei. Da der Kläger durch die Versäumung ordnungsgemäßer Mitteilungen die Beklagte in Unkenntnis der Überzahlung gelassen habe, sei es ihm verwehrt, sich auf die Ausschlußfrist gemäß § 70 BAT zu berufen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage weitgehend entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verlangt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage, während der Kläger die Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob die Beklagte die Vergütungsforderung des Klägers durch Aufrechnung zum Erlöschen gebracht hat.

I. Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, der Rückforderungsanspruch, mit dem die Beklagte gegen die Gehaltsforderung des Klägers aufgerechnet habe, sei im Hinblick auf die Ausschlußfrist gemäß § 70 BAT verfallen. Denn die Fälligkeit des Rückforderungsanspruchs sei mit der Überzahlung eingetreten, nicht aber zu einem Zeitpunkt innerhalb von sechs Monaten vor der erfolgten schriftlichen Geltendmachung. Es komme darauf an, ob die Beklagte ohne schuldhaftes Zögern die Voraussetzungen einer Bezifferung ihres Anspruchs geschaffen habe. Dies bedeute, daß die Unkenntnis der Beklagten von einer Beschäftigung der Ehefrau des Klägers im öffentlichen Dienst ohne Fahrlässigkeit bis zu der Mitteilung des Klägers vom 16. November 1986 bzw. der Vergleichsmitteilung vom 19. Januar 1987 fortbestanden habe müßte. Ein Verschulden des Klägers, welches bis dahin den Fortbestand der Unkenntnis auf der Beklagtenseite verursacht haben könnte, sei aus dem unstreitigen Sachverhalt nicht zu erkennen. Das Gericht sehe es nach den unstreitigen Umständen des vorliegenden Falles als erwiesen an, daß der Kläger davon überzeugt gewesen sei, die Tätigkeit bei dem J-Krankenhaus gehöre nicht zum öffentlichen Dienst. Die Frage, ob eine anderweitige Beschäftigung des Ehegatten zum öffentlichen Dienst gehöre, sei zu keinem Zeitpunkt für den Arbeitnehmer mit zumutbarer Anstrengung zu überblicken gewesen, wenn es um Randbereiche wie beispielsweise im vorliegenden Fall um Körperschaften und sonstige Träger von Arbeitgeberfunktionen im kirchlichen Bereich gehe. Die Vorschrift des § 29 Abschn. B Abs. 7 BAT sei derart kompliziert und im Einzelfall sogar von Entscheidungen zuständiger Stellen abhängig, die dem Arbeitnehmer überhaupt nicht zugänglich seien. So könne man daraus nicht ohne weiteres die Verpflichtung entnehmen, in allen Zweifelsfällen dem Arbeitgeber eine Mitteilung über den Beginn eines neuen Beschäftigungsverhältnisses des Ehegatten zu machen. Da es bei der Abgrenzung des öffentlichen Dienstes wiederholt Veränderungen gegeben habe, sei es vielmehr Aufgabe des Arbeitgebers, durch regelmäßige Nachfragen und Hinweise den Arbeitnehmern ihre Mitteilungspflichten auf diesem Gebiet zu verdeutlichen. Dies sei ein zumutbares Gebot der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Eine solche Rückfrage könne etwa in jährlichem Abstand zu einer formularmäßigen Routine werden. Auch sei es zumutbar, von seiten des Arbeitgebers durch die Formulierung der Fragestellung und der Hinweise die organisatorischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß entweder rechtzeitige Kenntnis von der Änderung des Ortszuschlages ermöglicht oder eine Berufung des Arbeitnehmers auf die Ausschlußfrist verwehrt werde. Dies könne beispielsweise dadurch geschehen, daß nicht nur nach bereits eingetretenen Veränderungen gefragt werde, sondern auch danach, ob im Hinblick auf die aktualisierte Fragestellung eine Nachmeldung zu erfolgen hätte.

II. Diese Begründung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Vergütungsanspruch in Höhe von 1.170,-- DM je Monat für die Zeit vom April 1987 bis einschließlich Juli 1987 gemäß §§ 611 ff. BGB i. Verb. mit den einzelvertraglich vereinbarten Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages. Ob dieser Anspruch durch Aufrechnungserklärung der Beklagten nach den §§ 387 ff. BGB erloschen ist, läßt sich nach den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch nicht beantworten. Die Vorinstanzen sind ohne weitere Prüfung davon ausgegangen, die Beklagte habe gegen den Kläger einen Rückforderungsanspruch erworben, der jedoch zwischenzeitlich (weitgehend) nach Ablauf der Ausschlußfrist des § 70 BAT verfallen sei. Beiden Überlegungen vermag der Senat nicht zuzustimmen.

2. Die Beklagte hat gegen den Kläger dann einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB, wenn dem Kläger seit März 1980 kein Anspruch auf Zahlung des Ortszuschlags der Stufe 2, sondern nur noch der Unterschiedsbetrag zwischen den Stufen 1 und 2 zur Hälfte zugestanden hat (§ 29 BAT i.d.F. des 40. Änderungstarifvertrages vom 16. Dezember 1975 BAT a.F. i. Verb. mit § 40 Abs. 2 und Abs. 5 BBesG sowie § 29 Abschn. B Abs. 2 und Abs. 5 BAT i.d.F. des 49. Änderungstarifvertrages vom 17. Mai 1982). Der Angestellte hat lediglich dann Anspruch auf den Unterschiedsbetrag, wenn u.a. sein Ehegatte als Angestellter, Beamter, Richter oder Soldat im öffentlichen Dienst steht und ihm ebenfalls der Ortszuschlag der Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen oder eine entsprechende Leistung in Höhe von mindestens der Hälfte des Unterschiedsbetrages zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2 des Ortszuschlags der höchsten Tarifklasse zustände. Öffentlicher Dienst im Sinne des § 29 Abschn. B Abs. 5 ist nach § 40 Abs. 7 Satz 1 BBesG i. Verb. mit § 29 BAT a.F. bzw. § 29 Abschn. B Abs. 7 Satz 1 BAT die Tätigkeit im Dienste des Bundes, eines Landes, einer Gemeinde oder anderer Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts oder der Verbände von solchen; ausgenommen ist die Tätigkeit bei öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften oder ihren Verbänden, sofern nicht bei organisatorisch selbständigen Einrichtungen, insbesondere bei Schulen, Hochschulen, Krankenhäusern, Kindergärten, Altersheimen, die Voraussetzungen des Satzes 3 erfüllt sind. Nach Satz 3 dieser Vorschriften steht dem öffentlichen Dienst die Tätigkeit im Dienst eines sonstigen Arbeitgebers gleich, der die für den öffentlichen Dienst geltenden Tarifverträge oder Tarifverträge wesentlich gleichen Inhalts oder die darin oder in Besoldungsgesetzen über Ortszuschläge oder Sozialzuschläge getroffenen Regelungen oder vergleichbare Regelungen anwendet, wenn der Bund oder eine der in Satz 1 bezeichneten Körperschaften oder Verbände durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen oder in anderer Weise beteiligt ist. Die Entscheidung, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, trifft im Bereich des Bundes und im Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder der für das Tarifrecht zuständige Minister oder die von ihm bestimmte Stelle, im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände der zuständige Mitgliedsverband (§ 40 Abs. 7 Satz 4 BBesG i. Verb. mit § 29 BAT a.F., § 29 Abschn. B Abs. 7 Satz 4 BAT). Der Träger des J-Krankenhauses, die F GmbH gehört nicht zu den in § 29 Abschn. B Abs. 7 Satz 1 BAT genannten Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Das bestätigt die Nr. 40.7.5 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesbesoldungsgesetz (BBesG VwV) zum gleichlautenden § 40 Abs. 7 BBesG, die nach dem einvernehmlichen Willen der Tarifvertragsparteien entsprechend anwendbar ist (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand August 1989, § 29 Erl. 2 S. 8 und Anhang zu § 29 S. 11). Danach ist öffentlicher Dienst die Tätigkeit im Dienst eines der in den Anlagen I und II zum Rundschreiben des Bundesinnenministers vom 3. Februar 1978 aufgeführten Arbeitgebers (D III 2 - 220 217/15 - GMBl S. 90). Dort findet sich weder die F GmbH noch das J -Krankenhaus. Beide sind auch nicht in den nachfolgenden Rundschreiben vom 11. Februar 1980, 27. Januar 1982, 1. Februar 1985 und 14. Februar 1989 genannt.

Die Tätigkeit der Ehefrau des Klägers im J-Krankenhaus steht der Tätigkeit im öffentlichen Dienst gleich, wenn die Voraussetzungen des § 29 Abschn. B Abs. 7 Satz 3 BAT gegeben sind. Nach der Nr. 40.7.5 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesbesoldungsgesetz (BBesG VwV) können die Voraussetzungen des gleichlautenden § 40 Abs. 7 Satz 3 BBesG als gegeben angenommen werden, wenn der Arbeitgeber in der Anlage III des vorgenannten Rundschreibens aufgeführt worden ist. Das ist beim Arbeitgeber der Ehefrau des Klägers nicht der Fall. Deshalb kann nicht ohne Prüfung der einzelnen Voraussetzungen des § 29 Abschn. B Abs. 7 Satz 3 BAT angenommen werden, die Ehefrau des Klägers stehe in einer dem öffentlichen Dienst gleichgestellten Beschäftigung. Diese Untersuchung haben die Vorinstanzen unterlassen. Nach ihren Feststellungen kann davon ausgegangen werden, daß die Ehefrau des Klägers Ortszuschlag erhalten hat. Es ist aber nicht bekannt, welche Tarifverträge oder vergleichbaren Regelungen von der F GmbH angewendet werden. Die dortige Mitteilung, in diesem Hause werde der BAT/Kirchliche Fassung angewendet, ist wenig aussagekräftig. Soweit damit die Ordnung der evangelischen Kirche im Rheinland vom 26. Juni 1986 über die Anwendung des Bundes-Angestelltentarifvertrages gemeint sein soll, ist darauf hinzuweisen, daß diese Ordnung für den größten Teil des zwischen den Parteien umstrittenen Zeitraums nicht bestand. So könnten die Bestimmungen der Notverordnung über die Regelung des für die kirchlichen Angestellten geltenden Dienstrechts vom 13. Juli 1961 zur Anwendung gekommen sein. Ebenso könnten Bestimmungen einer Mitarbeitervertretungsordnung gemeint sein. Die weitere Voraussetzung der Gleichstellung mit dem öffentlichen Dienst, die Beteiligung des Bundes oder einer der in Satz 1 bezeichneten Körperschaften oder Verbände durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen oder in anderer Weise, haben die Vorinstanzen mangels beiderseitigen Parteivortrags nicht geprüft und festgestellt. Sie haben die Parteien auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt aber auch nicht hingewiesen, so daß sich der Senat gehindert sieht, von der Tätigkeit der Ehefrau des Klägers in der Privatwirtschaft auszugehen und ohne weitere Sachaufklärung den Rechtsstreit endgültig zu entscheiden. Vielmehr muß das Landesarbeitsgericht im Wege weiterer Tatsachenfeststellungen die Rechtsgrundlagen klären, nach denen die Ehefrau des Klägers Ortszuschlag erhalten hat und ergänzend feststellen, ob die Gleichstellungsvoraussetzungen des § 29 Abschn. B Abs. 7 Satz 3 BAT bzw. des § 29 BAT a.F. i. Verb. mit § 40 Abs. 7 Satz 3 BBesG (vgl. dazu BAG Urteil vom 30. November 1982 - 3 AZR 1230/79 - AP Nr. 1 zu § 25 TV Ang Bundespost) vorgelegen haben und ob und gegebenenfalls wann die zuständige Behörde eine Entscheidung nach § 29 Abschn. B Abs. 7 Satz 4 BAT getroffen hat.

3. Sollte das Landesarbeitsgericht in der erneuten Verhandlung einen Rückforderungsanspruch der Beklagten gegen den Kläger feststellen, so kann es nicht von einem nachfolgenden Untergang der Forderung wegen Versäumung der Ausschlußfrist nach § 70 BAT ausgehen. Denn die Beklagte hat ihren Anspruch rechtzeitig geltend gemacht.

a) § 70 Satz 1 BAT i.d.F. des 45. Änderungstarifvertrages vom 31. Oktober 1979, gültig ab 1. Januar 1980, bestimmt, daß Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlußfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit vom Angestellten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden, soweit tarifvertraglich nichts anderes bestimmt ist. Die Beklagte hat diese Vorschrift beachtet. Die Forderung auf Rückzahlung überzahlter Lohn- und Gehaltsbeträge unterliegt den tariflichen Ausschlußfristen. Das ist die zutreffende ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG Urteil vom 26. April 1978 - 5 AZR 62/77 - AP Nr. 64 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; Urteil vom 28. Februar 1979 - 5 AZR 728/77 - AP Nr. 6 zu § 70 BAT; Urteil vom 11. Juni 1980 - 4 AZR 443/78 - AP Nr. 7 zu § 70 BAT und BAGE 51, 308 = AP Nr. 67 zu § 1 LohnFG). Für den Ortszuschlag gilt nichts anderes. Er ist Teil der Besoldung des Beamten bzw. der Vergütung des Angestellten (Senatsurteil vom 21. Januar 1988 - 6 AZR 560/87 - AP Nr. 7 zu § 29 BAT).

b) Die etwaige Bereicherungsforderung der Beklagten ist mit der jeweiligen Überzahlung des Klägers in den Monaten ab März 1980 entstanden. Sie ist jedoch erst im November 1986 fällig geworden, als die Beklagte Kenntnis von der Tätigkeit der Ehefrau des Klägers in einem Krankenhaus und damit der Möglichkeit einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst erhalten hat.

Der Anspruch des Arbeitgebers auf Rückzahlung überzahlter Vergütungsbeträge wird bereits im Zeitpunkt der Überzahlung fällig, wenn die Vergütung fehlerhaft berechnet worden ist, obwohl die maßgebenden Umstände bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen. Die zuviel gezahlte Summe kann sofort zurückverlangt werden. Dabei kommt es auf die Kenntnis des Arbeitgebers von seinem Rückzahlungsanspruch regelmäßig nicht an (BAG Urteil vom 26. April 1978, aaO; BAG Urteil vom 11. Juni 1980, aaO; BAG Urteil vom 19. März 1986, aaO). Das ist gerechtfertigt, weil Fehler bei der Berechnung der Löhne im Normalfall in die Sphäre des Arbeitgebers fallen und von ihm viel eher durch Kontrollmaßnahmen entdeckt werden können als vom Empfänger der Leistung.

Es ist jedoch nicht allgemeine Regel, daß Entstehung und Fälligkeit des Anspruchs zusammenfallen. Das zeigt bereits die Vorschrift des § 271 Abs. 1 BGB, wonach der Gläubiger die Leistung sofort verlangen und der Schuldner sie sofort zu bewirken hat, wenn eine Zeit für eine Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist. Die Fälligkeitsbestimmung des Bürgerlichen Gesetzbuches findet bei der Auslegung von Tarifverträgen Anwendung, sofern die Tarifvertragsparteien den Begriff der Fälligkeit nicht anderweitig definiert haben (Senatsurteile vom 6. Juli 1989 - 6 AZR 771/87 - DB 1989, 1973 und vom 8. September 1988 - 6 AZR 245/87 - AP Nr. 1 zu § 2 BAT SR 2 r). Das gilt auch für den Bereich des Bundes-Angestelltentarifvertrages. Danach tritt die Fälligkeit einer Rückzahlungsforderung nicht ohne weiteres mit der Entstehung des Anspruchs ein, wenn es Umstände gibt, die auf einen anderen Fälligkeitszeitpunkt hinweisen. Ein derartiger Umstand im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches und des Tarifvertrages ist darin zu sehen, daß es dem Gläubiger praktisch möglich sein muß, seinen Anspruch geltend zu machen. Setzt das bei Zahlungsansprüchen allgemein voraus, daß der Gläubiger in der Lage ist, sie wenigstens annähernd zu beziffern, so müssen bei Rückforderungen wegen Überzahlung die Tatsachen des Überzahlungstatbestands bekannt sein (BAG Urteil vom 19. März 1986, aaO, m.w.N.; BAG Urteil vom 16. April 1986 - 5 AZR 360/85 -, nicht veröffentlicht). Das war bei der Beklagten frühestens im November 1986 der Fall.

c) Die vorstehenden Grundsätze gelten jedoch nicht, wenn es der Gläubiger durch schuldhaftes Zögern versäumt hat, sich die Kenntnis der Voraussetzungen zu verschaffen, die er für die Geltendmachung benötigt (BAG Urteil vom 16. März 1966 - 1 AZR 446/65 - AP Nr. 33 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; BAG Urteil vom 12. Juli 1972 - 1 AZR 445/71 - AP Nr. 51 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; BAG Urteil vom 16. Mai 1984 - 7 AZR 143/81 - AP Nr. 85 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; BAG Urteil vom 19. März 1986, aaO). Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann der Beklagten ein solcher Vorwurf nicht gemacht werden. Die Beklagte hat dem Kläger mit der ersten Auszahlungsanordnung vom 27. Februar 1975 ausdrücklich mitgeteilt, daß er jede Tatsache, die eine Änderung der Stufe des Ortszuschlags oder die Änderung oder Einstellung der Kinderzuschlagszahlungen zur Folge habe, unverzüglich anzuzeigen habe. Sie hat in einer auch dem Kläger zugeleiteten Hausmitteilung vom 25. April 1983 darauf hingewiesen, daß die Arbeitnehmer verpflichtet sind, alle Änderungen, die sich auf die Höhe der Vergütung und der sonstigen Zuwendungen auswirken, unverzüglich der anordnenden Stelle mitzuteilen. Dieser Hinweis ist in einer weiteren Hausmitteilung der Beklagten vom 5. Oktober 1984 wiederholt. Von der Beklagten kann nicht verlangt werden, durch weitere regelmäßige Nachfragen und Hinweise in jährlichem Abstand Angestellte auf ihre Mitteilungspflichten hinzuweisen und den Begriff des öffentlichen Dienstes zu erläutern, wie das Landesarbeitsgericht gefordert hat. Abgesehen davon, daß nur mit einer halbjährlichen Nachfrage eine Versäumung der Ausschlußfristen verhindert werden kann, überspannt das Landesarbeitsgericht nicht nur die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, sondern verkennt auch die Zielsetzung tariflicher Ausschlußfristen, zu einer kurzfristigen, möglichst umfassenden Bereinigung offener Fragen zwischen den Arbeitsvertragsparteien beizutragen (Ziel der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit). Bei Sachverhalten der vorliegenden Art sind die Fragen jedoch verdeckt, weil die maßgebenden Umstände unbekannt sind. Eine Behandlung dieses Sachverhalts wie die Sachverhalte bei offenen Fragen rechtfertigt sich nur wegen des Unterlassens angemessener, aus den Umständen des Einzelfalls gebotener Maßnahmen durch den Gläubiger der Rückzahlungsforderung. Halbjährliche oder jährliche Nachfragen in Form eines dauerhaften Kontrollsystems neben den erfolgten Hinweisen sind jedoch nicht geboten (vgl. zur Erkundigungspflicht des Arbeitgebers bei Fortsetzungserkrankungen: BAG Urteil vom 19. März 1986, aaO). Vielmehr genügen die erfolgten Hinweise.

d) Letztlich kann sich der Kläger auch nicht auf die Mitteilungen von der Tätigkeit seiner Ehefrau in Beihilfeanträgen berufen. Die Nr. 14 Abs. 2 Satz 3 der Beihilfevorschriften i.d.F. vom 1. Februar 1979 bestimmt, daß Beihilfeanträge vertraulich zu behandeln seien. § 17 Abs. 4 Satz 2 und 3 der Beihilfevorschriften vom 19. April 1985 sehen vor, daß die bei der Bearbeitung der Beihilfen bekanntgewordenen Angelegenheiten geheimzuhalten sind. Sie dürfen nur für den Zweck verwandt werden, für den sie bekanntgegeben sind, es sei denn, es bestehe eine gesetzliche Berechtigung oder Verpflichtung zur Offenbarung oder der Beihilfeberechtigte oder der Angehörige sei damit schriftlich einverstanden. Danach war es der die Beihilfe bearbeitenden Dienststelle der Beklagten untersagt, die Angaben aus den Beihilfeunterlagen der die Vergütung berechnenden Dienststelle zur Verfügung zu stellen. Somit war der Anspruch der Beklagten nicht zu dem Zeitpunkt fällig, an dem der Kläger zum ersten Mal die Tätigkeit seiner Ehefrau in einem Beihilfeantrag erwähnte.

Dr. Röhsler Schneider Dörner

Schmidt Spiegelhalter

 

Fundstellen

Haufe-Index 440613

BAGE 63, 246-255 (LT1-3)

BAGE, 246

DB 1990, 1194 (LT1-3)

RdA 1990, 127

USK, 8967 (ST1-2)

ZAP, EN-Nr 305/90 (S)

ZTR 1990, 207-209 (LT1-3)

AP § 29 BAT (LT1-3), Nr 8

AR-Blattei, Öffentlicher Dienst Entsch 364 (LT1-3)

EzA § 4 TVG Ausschlußfristen, Nr 81 (LT1-3)

EzBAT § 29 BAT, Nr 11 (LT1-3)

MDR 1990, 574-575 (LT1-3)

PersV 1991, 318-321 (LT1-3)

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