Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitteilung der Schwangerschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die nachträgliche Mitteilung der Schwangerschaft nach § 9 Abs 1 Satz 1 MuSchG muß das Bestehen einer Schwangerschaft im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung oder die Vermutung einer solchen Schwangerschaft zum Inhalt haben. Die Mitteilung der Schwangerschaft ohne Rücksicht darauf, ob der Erklärungsempfänger ihr auch das Bestehen dieses Zustandes zu diesem Zeitpunkt entnehmen kann, genügt nicht.

2. Teilt die Arbeitnehmerin ausdrücklich nur das Bestehen einer Schwangerschaft mit, so hängt es von den Umständen des Falles ab, ob die Mitteilung dahin verstanden werden mußte, daß die Schwangerschaft bereits bei Zugang der Kündigung bestanden habe.

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 28.03.1990; Aktenzeichen 7 Sa 1276/89)

ArbG Köln (Entscheidung vom 15.09.1989; Aktenzeichen 12 Ca 4829/89)

 

Tatbestand

Die im Jahre 1964 geborene Klägerin war seit dem 1. April 1987 bei der Beklagten, die damals eine Krankengymnastikpraxis betrieb, als Masseurin beschäftigt. Mit Schreiben vom 11. April 1989 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 30. Juni 1989 mit der Begründung, Arbeitsmangel und Aufgabe der Praxis zwängen sie hierzu.

Mit Schreiben ihres späteren Prozeßbevollmächtigten vom 26. Juni 1989 machte die Klägerin der Beklagten gegenüber erstmals schriftlich geltend, die Kündigung sei wegen Verstoßes gegen § 9 MuSchG rechtsunwirksam. Sie sei bei Zugang der Kündigung am 11. April 1989 bereits schwanger gewesen. Wie aus ihrem Mutterpaß hervorgehe, sei am 2. Mai 1989 eine Schwangerschaft in der sechsten Woche festgestellt worden. Sie habe der Beklagten auch sofort nach Kenntnisnahme mitgeteilt, daß sie schwanger sei. Es sei ihr allerdings nicht möglich gewesen, sie bereits innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung von der Schwangerschaft zu unterrichten, weil sie erst bei der Untersuchung am 2. Mai 1989 hiervon Kenntnis erlangt habe.

Mit der am 4. Juli 1989 bei Gericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung gewehrt. Sie hat vorgetragen, sie habe am 2. Mai 1989 aufgrund eines Urintests das Bestehen einer Schwangerschaft, jedoch nicht auch bereits deren Dauer erfahren. Sie habe die Beklage am 3. Mai 1989 deshalb lediglich davon unterrichtet, daß sie schwanger sei. Erst am 18. Mai 1989 habe sie aufgrund eines in der Woche vor diesem Tag durchgeführten Bluttests vom Arzt erfahren, daß sie am 2. Mai 1989 sich in der sechsten Schwangerschaftswoche befunden habe. Der Arzt habe am 18. Mai 1989 als voraussichtlichen Entbindungstermin den 3. Januar 1990 errechnet, an dem sie auch, wie unstreitig ist, von einer Tochter entbunden worden sei, und diesen in den Mutterpaß eingetragen. Hiervon habe sie die Beklagte nicht unterrichtet; sie habe diesen Umstand mit der Kündigung nicht in Verbindung gebracht, weil sie sich nicht entsprechend rechtlich ausgekannt habe. Erst später habe sie sich erkundigt und ihren Anwalt aufgesucht.

Die Klägerin hat beantragt festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat bestritten, daß die Klägerin am 11. April 1989 bereits schwanger gewesen sei und weiter vorgetragen:

Nach den Angaben in dem von der Klägerin vorgelegten Mutterpaß sei es medizinisch unmöglich, daß sie bereits am 11. April 1989 schwanger gewesen sei. Die Klägerin habe ihr am 3. Mai 1989 gesagt, sie sei in der dritten Woche schwanger, und sich weder an diesem Tag noch später im Zusammenhang mit der Kündigung auf Mutterschutz berufen. Am 22. Juni 1989 habe sie zur Verabschiedung der Klägerin aus der Praxis ihr und einer noch in der Praxis beschäftigten Mitarbeiterin ein Abendessen gegeben. Auch damals sei unstreitig gewesen, daß die Klägerin am 30. Juni 1989 ausscheiden werde. In der letzten Juniwoche habe die Klägerin ihren Steuerberater im Hinblick auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses um Aushändigung ihrer Arbeitspapiere gebeten. Damit habe sie konkludent ihr Einverständnis mit der Kündigung erklärt. Ihre Praxis sei inzwischen auf die andere Mitarbeiterin übergegangen.

Die Klägerin hat bestritten, der Beklagten am 3. Mai 1989 auch über die Dauer der Schwangerschaft etwas gesagt zu haben. Sie habe die Kündigung schweigend hingenommen und damit kein Einverständnis erklärt. Ihre Arbeitspapiere habe sie mit dem Hinweis verlangt, sie benötige sie für das Arbeitsamt. Dort habe sie sich vorsorglich arbeitslos gemeldet.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben.

Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat angenommen, die Kündigung sei nach § 9 Abs. 1 MuSchG unwirksam. Die Klägerin sei vor dem 11. April 1989, dem Tag des Zugangs der Kündigung, schwanger gewesen. Hiervon habe sie die Beklagte zwar nicht innerhalb der dafür vorgesehenen Zwei-Wochen-Frist unterrichtet. Diese ohne ihr Verschulden unterbliebene Unterrichtung habe sie jedoch unverzüglich nachgeholt. Sie habe am 2. Mai 1989 von ihrer Schwangerschaft erfahren und am folgenden Tag der Beklagten mitgeteilt, daß sie schwanger sei. Dies gelte für den von beiden Parteien geschilderten Inhalt der Mitteilung. § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG verlange die Mitteilung der Schwangerschaft nach der Kündigung, ohne an den Inhalt der Mitteilung weitere Anforderungen zu stellen. Es reiche deshalb aus, wenn eine Arbeitnehmerin nach einer Kündigung dem Arbeitgeber eine Schwangerschaft mitteile, ohne Angaben über den Beginn der Schwangerschaft zu machen. Dem Arbeitgeber müsse überlassen bleiben, sich anschließend Gewißheit darüber zu verschaffen, ob die Schwangerschaft bereits im Zeitpunkt der Kündigung anzunehmen gewesen sei. Die Arbeitnehmerin sei deshalb auch nicht verpflichtet, bei ihrer Mitteilung erkennbar zu machen, daß sie den mutterschutzrechtlichen Kündigungsschutz in Anspruch nehme, und ihre Mitteilung von der Schwangerschaft zu ergänzen, sobald sie den voraussichtlichen Entbindungstermin kenne. Die Klägerin sei somit entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts nicht gehalten gewesen, die Beklagte am 18. Mai 1989 oder unverzüglich nach diesem Zeitpunkt davon zu unterrichten, daß sie bereits bei Zugang der Kündigung schwanger gewesen sei.

Eine Zustimmung der Klägerin zur Kündigung sei nicht darin zu sehen, daß sie am Abschiedsessen am 22. Juni 1989 teilgenommen und in der letzten Juniwoche ihre Arbeitspapiere herausverlangt habe. Dem stehe im übrigen das Schreiben ihres Anwalts vom 26. Juni 1989 entgegen.

II.

Diese Begründung vermag das angefochtene Urteil nicht zu tragen.

1. Das Berufungsgericht ist zu Recht von dem Bestehen einer Schwangerschaft der Klägerin bei Zugang der Kündigung am 11. April 1989 ausgegangen. Es hat den für die Berechnung notwendigen prognostizierten Tag der Niederkunft, den 3. Januar 1990, zu Grunde gelegt und ist in Anwendung der zutreffenden Berechnungsmethode (vgl. dazu Senatsurteile vom 27. Oktober 1983 - 2 AZR 566/62 - AP Nr. 14 zu § 9 MuSchG 1968, zu A II 2 der Gründe sowie vom 12. Dezember 1985 - 2 AZR 82/85 - AP Nr. 15 zu § 9 MuSchG 1968, zu II 2 der Gründe) zu der Feststellung gelangt, daß ein Beginn der Schwangerschaft vor dem 11. April 1989 anzunehmen sei. Insoweit erhebt auch die Revision keine Rügen.

2. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG ist die Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft u.a. dann unzulässig, wenn dem Arbeitgeber die Schwangerschaft innerhalb zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen hat, erhält sich die Arbeitnehmerin diesen Sonderkündigungsschutz auch dann, wenn sie die zweiwöchige Mitteilungsfrist unverschuldet versäumt, die Mitteilung aber unverzüglich nachholt. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 52, 357 = AP Nr. 7 zu § 9 MuSchG 1968; 55, 154, 158 = AP Nr. 8 zu § 9 MuSchG 1968, zu C der Gründe) und des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 13. Januar 1982 - 7 AZR 764/79 - AP Nr. 9 zu § 9 MuSchG 1968; zuletzt Urteil vom 20. Mai 1988 - 2 AZR 739/87 - AP Nr. 16 zu § 9 MuSchG 1968, zu II 2 a der Gründe).

3. Nicht zu beanstanden ist auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe die zweiwöchige Mitteilungsfrist unverschuldet versäumt. Es hat von der Revision ungerügt festgestellt, daß die Klägerin bis zum Ablauf dieser Frist am 25. April 1989 die Schwangerschaft noch nicht gekannt habe. Die Mitteilung der Schwangerschaft ist eine im eigenen Interesse der Arbeitnehmerin bestehende Obliegenheit. Sie ist nur bei groben Verstößen gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse billigerweise zu erwartende Verhalten verletzt. Die Arbeitnehmerin muß entweder von der Schwangerschaft positiv wissen oder zwingende Anhaltspunkte, die das Bestehen einer Schwangerschaft praktisch unabweisbar erscheinen lassen, ignorieren (vgl. BAG Urteil vom 27. Oktober 1983 - 2 AZR 214/82 - AP, aaO, zu III 2 a und b der Gründe). Nach der mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und deshalb für den Senat bindenden Feststellung des Berufungsgerichts hat die Klägerin die Schwangerschaft bis zum Ablauf der Mitteilungsfrist am 25. April 1989 nicht gekannt. Daß in diesem Zeitraum zwingende Anhaltspunkte für eine Schwangerschaft bestanden haben, ist nicht festgestellt und nach dem beiderseitigen Parteivortrag auch nicht ersichtlich.

4. Der Ansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin habe die Mitteilung von ihrer Schwangerschaft unverzüglich nachgeholt, kann jedoch mit der von ihm gegebenen Begründung nicht gefolgt werden.

a) Die in § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG normierte Mitteilungsfrist ist im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit eingeführt worden (BAG Urteil vom 19. Dezember 1968 - 2 AZR 89/68 - AP Nr. 29 zu § 9 MuSchG). Nach der zu dieser Vorschrift entwickelten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 5. Mai 1961 - 1 AZR 454/59 - AP Nr. 23 zu § 9 MuSchG; BAGE 26, 161 = AP Nr. 3 zu § 9 MuSchG 1968) ist es im Hinblick auf den Normzweck jedoch nicht erforderlich, daß die Arbeitnehmerin innerhalb der Frist das Bestehen einer Schwangerschaft mitteilt. Vielmehr genügt die fristgerechte Anzeige der nur vermuteten oder möglichen Schwangerschaft zur Erhaltung des Sonderkündigungsschutzes. In dem Urteil vom 5. Mai 1961 (aaO) ist ausgeführt, es sei als sicher davon auszugehen, daß dem Gesetzgeber die natürlichen Gegebenheiten bei einer Schwangerschaft und damit auch die Schwierigkeiten ihrer Feststellung im Frühstadium bekannt gewesen seien. Gleichwohl habe er den Kündigungsschutz ohne zeitliche Begrenzung gewährt. Damit habe er in Kauf genommen, daß die für den Eintritt des Kündigungsschutzes erhebliche Mitteilung der Schwangerschaft in diesem Stadium regelmäßig nur in der Form erfolge, daß eine Schwangerschaftsvermutung bestehe oder eine Schwangerschaft wahrscheinlich sei.

Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts (aaO) müssen Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Hinblick auf den durch Art. 6 Abs. 4 GG gebotenen Kündigungsschutz einer Schwangeren weiter dann zurücktreten, wenn sie ihren Zustand innerhalb der Mitteilungsfrist unverschuldet noch nicht kannte, diese Mitteilung aber unverzüglich nachholt. Hierdurch würden die Interessen des Arbeitgebers nur in engen Grenzen beeinträchtigt, zumal es sich bei den in Frage stehenden Fällen nur um eine geringe Anzahl handeln könne.

b) Nach der im Anschluß an die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts handelt eine Arbeitnehmerin nicht verzögerlich, wenn sie eine bloße Schwangerschaftsvermutung dem Arbeitgeber nicht mitteilt. Verschuldet ist ihre Untätigkeit erst von dem Zeitpunkt an, zu dem zwingende Anhaltspunkte gegeben sind, die das Vorliegen einer Schwangerschaft praktisch unabweisbar erscheinen lassen (BAGE 43, 331, 335 ff. = AP Nr. 12 zu § 9 MuSchG 1968, zu II 2 der Gründe; Urteil vom 27. Oktober 1983 - 2 AZR 214/82 - AP, aaO, zu A III 2 b der Gründe). In dem Urteil vom 20. Mai 1988 - 2 AZR 739/87 - AP, aaO, zu II 6 b und c der Gründe) hat der Senat ausgesprochen, auch die Unkenntnis der Schwangeren vom Beginn der Schwangerschaft sei an sich geeignet, eine schuldhafte Verzögerung der nachgeholten Mitteilung der Schwangerschaft auszuschließen. Die Anzeigeobliegenheit bestehe nur für Schwangerschaften, die den Kündigungsschutz des § 9 MuSchG auslösten. Die Mitteilung des Bestehens einer Schwangerschaft als solche ermögliche dem Arbeitgeber keine Einstellung auf die noch unklare Situation, da ohne Kenntnis des Beginns der Schwangerschaft deren Relevanz in kündigungsrechtlichem Sinn nicht feststehe (insoweit zustimmend U. Preis, SAE 1989, 124, 126 a.E.).

c) Diesem vorstehend gekennzeichneten Zweck der Anzeigeobliegenheit wird die Ansicht des Berufungsgerichts, nach § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG genüge eine Mitteilung der Schwangerschaft ohne Rücksicht darauf, ob der Erklärungsempfänger ihr auch das Bestehen dieses Zustandes im Zeitpunkt der Kündigung entnehmen könne, nicht gerecht. Nach dieser Vorschrift ist die Kündigung „während der Schwangerschaft” unzulässig, wenn dem Arbeitgeber „die Schwangerschaft” bekannt war oder innerhalb zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Wie schon der Gesamtzusammenhang der Norm ergibt, kann nur eine Schwangerschaft Gegenstand der Mitteilung sein, die auch den im einleitenden Hauptsatz normierten Kündigungsschutz auslöst, mithin nur eine im Zeitpunkt der Kündigung bereits bestehende Schwangerschaft (ebenso: Gröninger/Thomas, MuSchG, Stand Oktober 1989, § 9 Rz 19 und 29). Dem steht nicht entgegen, daß bereits die Mitteilung einer vermuteten Schwangerschaft ausreicht. Hierbei handelt es sich, wie in dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 5. Mai 1961 - 1 AZR 454/89 - (AP, aaO) ausgeführt, lediglich um den Inhalt der Mitteilung, die im Hinblick auf die Schwierigkeiten der Feststellung der Schwangerschaft im Frühstadium für ausreichend anzusehen ist. Auch diese Mitteilung muß jedoch die Vermutung einer kündigungsrelevanten Schwangerschaft zum Inhalt haben. Die Rechtssicherheit für den Arbeitgeber, die die Vorschrift gewährleisten will, muß nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts nur insoweit zurücktreten, als Art. 6 Abs. 4 GG entgegensteht oder Schwierigkeiten der Feststellung der Schwangerschaft im Anfangsstadium eine Einschränkung der Anzeigeobliegenheit gebieten. Das ist jedoch nicht der Fall, wenn die Arbeitnehmerin in der Lage ist, eine im Zeitpunkt der Kündigung bereits bestehende oder vermutete Schwangerschaft dem Arbeitgeber mitzuteilen. Dies ist nur eine Frage der Eindeutigkeit der Erklärung, die weder den grundrechtlichen Schutz der werdenden Mutter berührt noch von den mit der Feststellung der Schwangerschaft im Frühstadium zusammenhängenden Schwierigkeiten beeinflußt wird.

d) Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so kann noch nicht abschließend beurteilt werden, ob die Klägerin der Beklagten am 3. Mai 1989 eine bereits im Zeitpunkt der Kündigung bestehende oder vermutete Schwangerschaft mitgeteilt hat.

aa) Hat die Klägerin, wie die Beklagte behauptet – und das Berufungsgericht ebenfalls für ausreichend ansieht – am 3. Mai 1989 geäußert, sie sei in der dritten Woche schwanger, so hat sie damit ausdrücklich eine erst nach dem 11. April 1989, dem Tag des Zugangs der Kündigung, eingetretene Schwangerschaft mitgeteilt, die den Sonderkündigungsschutz nicht auslösen kann. Selbst wenn dieser Tag als der letzte Tag der dritten Schwangerschaftswoche anzunehmen wäre, würde der Beginn der Schwangerschaft auf den 13. April fallen.

bb) Die Klägerin will jedoch nur erklärt habe, sie sei schwanger.

Beschränkt sich die Arbeitnehmerin auf eine solche Erklärung, so ist es eine Frage der Auslegung, ob ihr auch der Inhalt beizumessen ist, die Schwangerschaft habe bereits bei Ausspruch der Kündigung bestanden. Die Mitteilung ist eine geschäftsähnliche Handlung, auf die die Vorschriften über empfangsbedürftige Willenserklärungen zumindest entsprechend anzuwenden sind (BAGE 2, 355 = AP Nr. 9 zu § 9 MuSchG). Maßgebend ist somit der objektive Erklärungswert der Mitteilung. Der Arbeitgeber muß ihr nach ihrem Inhalt und den ihm bei ihrem Zugang bekannten sonstigen Umständen entnehmen können, daß im Zeitpunkt der Kündigung eine Schwangerschaft bestehe oder vermutet werde. Nicht zum Ausdruck gebracht werden muß auch die sich hieraus ergebende Rechtsfolge, daß sich die Arbeitnehmerin damit auch den Kündigungsschutz sichern wolle (Gröninger/Thomas, aaO, § 9 Rz 19).

Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag am 2. Mai 1989 nur von dem Bestehen, nicht aber auch von der Dauer der Schwangerschaft erfahren. Daraus ergibt sich, daß sie jedenfalls subjektiv der Beklagten am folgenden Tag auch keine über diesen Kenntnisstand hinausgehende Mitteilung machen wollte. Jedoch kommt es nicht allein auf die subjektive Vorstellung der Arbeitnehmerin, sondern auf den objektiven Inhalt der Mitteilung an.

Hierfür kann der zeitliche Zusammenhang mit der Kündigung von Bedeutung sein. Wird eine solche Erklärung in unmittelbarem Anschluß an die Kündigung abgegeben, so wird in der Regel bereits damit ausreichend zum Ausdruck gebracht, die Schwangerschaft habe schon bei Ausspruch der Kündigung bestanden. Geschieht dies jedoch erst in längerem zeitlichen Abstand zur Kündigung, insbesondere wie im vorliegenden Fall, nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG, so hängt es von den weiteren Fallumständen ab, ob damit die Mitteilung des Bestehens einer Schwangerschaft schon zum Zeitpunkt der Kündigung zu sehen ist, weil der Bezug zur Kündigung, anders als in dem vorstehend geschilderten Fall, nicht mehr offensichtlich ist; dieser muß dann für den Arbeitgeber aus weiteren Umständen deutlich werden. Das mag zutreffen, wenn die Mitteilung gewissermaßen offiziell in der im Betrieb für solche Mitteilungen üblichen Weise gemacht wird, etwa an die nach dem durch Art. 127 EGOWiG aufgehobenen und durch § 9 OWiG ersetzten § 22 MuSchG a.F. mit den Aufgaben des Mutterschutzes im Betrieb beauftragten Personen, an die Personalabteilung oder an Vorgesetzte, die zur Entgegennahme solcher Mitteilungen arbeitgeberähnliche Funktionen haben (vgl. dazu Senatsurteil vom 18. Februar 1965 - 2 AZR 274/64 - AP Nr. 26 zu § 9 MuSchG). Besteht, wie im vorliegenden Fall, ein durch die Verhältnisse des Betriebes bedingter enger persönlicher Kontakt zum Arbeitgeber, so muß für diesen – im Hinblick auf den zeitlichen Abstand zur Kündigung – deutlich werden, daß nicht nur ein den privaten Bereich der Arbeitnehmerin berührender, sondern auch für die Kündigung bedeutsamer Umstand zur Kenntnis gebracht werden soll.

cc) Es sind deshalb die näheren Umstände von Bedeutung, unter denen die Klägerin am 3. Mai 1990 die Beklagte von ihrer Schwangerschaft unterrichtet hat. Hatte die Mitteilung einen mehr offiziellen Charakter, so spricht dies für einen Bezug zu der ausgesprochenen Kündigung. Durfte die Beklagte sie dagegen als eine mehr gesellschaftlich-private Unterrichtung werten, wäre darin keine dem § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG genügende Mitteilung von einer bereits im Zeitpunkt der Kündigung bestehenden Schwangerschaft mehr zu sehen. Insoweit könnte für die Auslegung der Mitteilung bedeutsam sein, ob die Parteien ein mehr sachliches Verhältnis zueinander hatten oder ob darüber hinaus auch über persönliche Dinge gesprochen wurde.

e) Von der Feststellung, ob die Klägerin der Beklagten am 3. Mai 1990 eine den Anforderungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG genügende Mitteilung von dem Bestehen einer Schwangerschaft gemacht hat, hängt die Entscheidung des Rechtsstreits ab.

Kann dies nicht festgestellt werden, so hat die Klägerin die Mitteilung in dem Anwaltsschreiben vom 26. Juni 1989 nicht mehr unverzüglich nachgeholt. Entscheidend sind insoweit die Umstände des Einzelfalls (Senatsurteil vom 20. Mai 1988 - 2 AZR 739/87 - aaO). Die Klägerin hatte nach eigenem Vortrag am 18. Mai 1989 erfahren, daß nach dem Ergebnis eines zuvor durchgeführten Bluttests am 2. Mai 1989 bereits eine Schwangerschaft in der sechsten Wochen bestanden habe und voraussichtlicher Entbindungstermin der 3. Januar 1990 sei. Damit hatte sie sichere Kenntnis von dem vor Ausspruch der Kündigung liegenden Beginn der Schwangerschaft. Ihr war deshalb allenfalls noch eine kurze Frist zur Überlegung und evtl. Einholung von Rechtsrat einzuräumen, die aber am 26. Juni 1989 eindeutig überschritten war. Ihre behauptete Rechtsunkenntnis kann sie nicht entschuldigen.

III.

Der Rechtsstreit muß zurückverwiesen werden (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO), weil das Berufungsgericht, von seinem Standpunkt aus konsequent, keine Auslegung der Erklärung der Klägerin vorgenommen hat. Auch müssen die Parteien Gelegenheit erhalten, zu den näheren Umständen der Unterredung vom 3. Mai 1989 noch vorzutragen.

Sollte das Berufungsgericht zu der Annahme gelangen, daß die Klägerin, sofern sie nur von dem Bestehen einer Schwangerschaft gesprochen hat, eine den Anforderungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG genügende Mitteilung gemacht hätte, muß es dem dann erheblichen Vortrag der Beklagten nachgehen, die Klägerin habe ausdrücklich erklärt, sie sei in der dritten Woche schwanger.

 

Unterschriften

Hillebrecht, Triebfürst, Bitter, Rupprecht, Dr. Engelmann

 

Fundstellen

Haufe-Index 60098

BB 1991, 1791

BB 1991, 1791-1792 (LT1-2)

DB 1991, 2091-2092 (LT1-2)

DStR 1991, 1198-1198 (T)

NJW 1991, 1908

NJW 1991, 1908 (L)

SteuerBriefe 1992, 257-259 (KT)

BuW 1991, 340 (K)

Stbg 1992, 95-95 (K)

ARST 1991, 173-175 (LT1-2)

DOK 1992, 281 (L)

EEK III/106, (LT4, ST1-3)

JR 1991, 484

JR 1991, 484 (S)

NZA 1991, 669-671 (LT1-2)

RdA 1991, 188

RzK, IV 6a 10 (LT1-2)

SAE 1992, 105-108 (LT1-2)

USK, 90109 (ST)

WzS 1992, 148 (L)

WzS 1992, 764 (L)

AP, (LT1-2)

AR-Blattei, ES 1220 Nr 92 (LT1-2)

AR-Blattei, Mutterschutz Entsch 92 (LT1-2)

Die Leistungen 1993, 429-436 (LT)

EzA, (LT1-2)

GdS-Zeitung 1992, Nr 4, 17 (T)

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