2.1 Kündigung ist letztes Mittel (ultima ratio)

Eine wichtige Bedeutung hat die Abmahnung im Kündigungsschutzprozess. Da das Kündigungsrecht im Arbeitsrecht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliegt, kann die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses stets nur das letzte Mittel (ultima ratio) zur Lösung eines Konflikts zwischen den Arbeitsvertragsparteien sein.

Kann der Arbeitgeber darlegen, dass er bereits ein- oder mehrmals ähnlich gelagerte Pflichtverstöße in der Vergangenheit abgemahnt hat, zeigt sich, dass die Abmahnungen nicht geeignet waren, den Arbeitnehmer zu einem vertragsgerechten Verhalten auf Dauer anzuhalten. Weitere Abmahnungen erscheinen damit sinnlos. Zudem zeigt der nach der letzten Abmahnung erneut eingetretene Pflichtverstoß: es muss mit weiteren Vertragsverstößen gerechnet werden. Damit liegt die bei einer Kündigung erforderliche negative Prognose vor.

Nicht erforderlich ist, dass mehrfach die identische Pflicht verletzt wurde. Es reicht aus, wenn es sich um vergleichbare Pflichtverletzungen handelt. Die Pflichtverletzungen müssen aus demselben Bereich stammen und in einem inneren Zusammenhang stehen.[1] Ein solcher Zusammenhang kann angenommen werden bei Verspätungen, einerseits, und nicht ordnungsgemäßen Krankmeldungen, andererseits.[2] Dagegen liegen keine vergleichbaren Pflichtverletzungen vor, wenn der Arbeitnehmer einmal die Arbeit beharrlich verweigert und ein anderes Mal seine Arbeitsleistung schlecht erbringt.[3] Auch wenn die Abmahnung aus formellen Gründen unwirksam ist, kann durch sie ausnahmsweise die Warnfunktion erfüllt sein. Für die Erfüllung der Warnfunktion kommt es auf die sachliche Berechtigung der Abmahnung an; der Arbeitnehmer muss außerdem erkennen können, dass der Arbeitgeber im Wiederholungsfall kündigen wird.[4]

2.2 Wie oft muss vor der Kündigung abgemahnt werden?

Es ist nicht möglich, eine genaue Aussage darüber zu treffen, nach wie vielen Abmahnungen eine Kündigung ausgesprochen werden kann. Das geht schon deshalb nicht, weil

  • die Vorfälle unterschiedlich schwer wiegen,
  • die Zeitabstände zwischen einzelnen Geschehnissen unterschiedlich sind,
  • die einzelnen Geschehnisse voneinander abweichen,
  • die Rahmenbedingungen, die zu den Vorfällen führten, verschieden sind,
  • die Menschen unterschiedlich sind (manche können durch die Abmahnung an ihre Pflichten erinnert werden, manche reagieren eher mit einer Trotzreaktion, manche sind einfach nur vergesslich).

Grundsätzlich gilt: einer Abmahnung bedarf es nicht mehr, wenn sie den erstrebten Zweck (keine weitere Vertragsverletzung) nicht mehr erreichen kann. Wiederholt der mehrfach Abgemahnte dennoch erneut die gerügte Schlechtleistung, ist eine erneute Abmahnung sinnlos, es kann eine Kündigung ausgesprochen werden.

Auf der anderen Seite ist natürlich erforderlich, dass der wiederholte Vertragsverstoß nicht als geringfügig anzusehen ist (z. B. das vierte Mal eine Minute zu spät) und denselben Unrechtsgehalt aufweist wie der, welcher der Abmahnung zugrunde lag:

Liegen nur leichtere Verstöße gegen Verhaltens- oder Leistungspflichten vor (Verstöße gegen die Betriebsordnung, Nichtvorlage der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung etc.), bedarf es jedenfalls vor Ausspruch einer Kündigung mehrerer Abmahnungen.

Nach Auffassung des LAG Hamm[1] sowie anderer Obergerichte müssen die Wiederholungsfälle für den Ausspruch einer Kündigung zumindest gleichartig sein, etwa häufiges Zuspätkommen, unerlaubtes Fernbleiben von der Arbeit, Verlassen des Arbeitsplatzes, Unzuverlässigkeit oder Unbeherrschtheit. Ansonsten muss jeweils wieder erneut abgemahnt werden.

Auf jeden Fall bedarf es einer erneuten Abmahnung dann, wenn zwischen dem abgemahnten Verhalten und der Wiederholung eine längere Zeit unbeanstandeter Vertragserfüllung liegt. Denn in solchen Fällen wird die früher ausgesprochene Abmahnung je nach Zeitverlauf immer schwächer.

Bei mehreren Abmahnungen ist auf der anderen Seite zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des BAG[2] eine große Anzahl an Abmahnungen wegen gleichartiger Pflichtverletzungen (im Streitfall 2 mündliche Ermahnungen und 7 schriftliche Abmahnungen wegen verspäteter Arbeitsaufnahme), denen keine weiteren Konsequenzen folgen, die Warnfunktion der Abmahnungen schwächen kann. Nach dieser Entscheidung muss der Arbeitgeber in solchen Fällen die letzte Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung besonders eindringlich gestalten, um dem Arbeitnehmer klarzumachen, dass ein weiterer gleichgelagerter Pflichtverstoß nunmehr zu einer Kündigung führen wird.

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