Kolumne Entgelt: Wissenstransfer in der Gehaltsabrechnung

Falsche Vorstellungen von der Komplexität einer Gehaltsabrechnung sind weit verbreitet. Entgeltabrechner benötigen hochspezialisiertes Fachwissen. Deswegen sollte jedes Unternehmen dafür sorgen, dass dieses Wissen weitergegeben wird und erhalten bleibt, meint unsere Kolumnistin Christiane Droste-Klempp.

Sagt der Mitarbeiter zur Kollegin, die für die Gehaltsabrechnung zuständig ist: "Oh, was machen Sie heute hier, die Gehälter sind doch erst in 14 Tagen fällig?"Jeder Verantwortliche für die Gehaltsabrechnung wird angesichts einer solchen Frage seine Wut – verständlicherweise – kaum kontrollieren können. Aus welchem Grund nur denken so viele Menschen, dass Gehälter vollständig automatisiert per Knopfdruck Monat für Monat erstellt werden?

Welcher Knopf in der Gehaltsabrechnung für Altersteilzeit?

Deutschlandweit scheint man wohl der Meinung zu sein, dass es verschiedene Knöpfe für verschiedene Sachverhalte gibt, so zum Beispiel ein Knopf mit "F1" für ganz normale Mitarbeiter, ein "F2" für Auszubildende, ein "F5" für Werkstudenten, ein "F7" für in Altersteilzeit Beschäftigte und, ach ja, einen nagelneuen Knopf "F10" für Kurzarbeit – und, nicht zu vergessen, ein "F11" für das Infektionsschutzgesetz. Nehmen wir uns aus aktuellem Anlass mal den Knopf "F10" vor – die Kurzarbeit.

Da hat eine Arbeitnehmerin in diesem Monat Kurzarbeit 50 Prozent, das heißt sie arbeitet statt täglich acht Stunden nur vier Stunden. Diese Mitarbeiterin hat eine Direktversicherung, einen Firmenwagen, ein Jobrad und variable Entgeltbestandteile. Jedes Unternehmen, welches noch niemals mit Kurzarbeit konfrontiert war, hat sich bis dahin auch nicht darum gekümmert, welche Entgeltbestandteile im Rahmen der Kurzarbeit wie behandelt werden sollen und der Knopf "F10" für Kurzarbeit lässt sich trotz verzweifelter Suche leider nicht finden.

Stattdessen wird wahrscheinlich die Kollegin aus der Gehaltsabrechnung, die diese Tätigkeit tapfer seit 30 Jahren ausübt, mit einer Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit, die einen Zuschuss zum Kurzarbeitergeld (KUG) enthält, konfrontiert. Kurzum, alle Entgeltbestandteile müssen für das gesetzliche KUG und den Zuschuss zum KUG korrekt behandelt werden.

Wer denkt an den Wissenstransfer?

Ähnliches könnte ich Ihnen für weitere Sonderthemen der Entgeltabrechnung wie Altersteilzeit, Zeitwertkonten, betriebliche Altersversorgung und … und … und … erzählen. Vermutlich würden Sie spätestens beim dritten Spezialfall aufhören, die Kolumne zu Ende zu lesen. Lassen Sie mich deshalb einige Fragen stellen:

  • Wem bei Ihnen im Unternehmen würde auffallen, dass eben diese Kollegin in den letzten 30 Jahren die Gehälter alleine erstellt hat?
  • Wem bei Ihnen im Unternehmen würde auffallen, wenn die Kollegin der Gehaltsabrechnung gerade 60 Jahre alt geworden ist?

Und nun die wichtigsten zwei Fragen:

  • Wer hat sich in den letzten Jahren in diesem Bereich um einen Know-how-Transfer gekümmert?
  • Wer hat darauf geachtet, rechtzeitig jemanden einzustellen, der die Kollegin vertreten kann, falls Sie einmal krank werden sollte oder tatsächlich in Rente gehen wird?

Im letzten halben Jahr bin ich persönlich mit zehn Unternehmen in Kontakt, wo ebendies eingetreten ist. Womöglich sagen Sie an dieser Stelle, zur Not können die Gehaltsabrechnungen an einen externen Dienstleister gegeben werden. Das ist korrekt, jedoch sollte hierbei dringend beachtet werden, dass auch ein Dienstleister eine Bestandsaufnahme von Ihnen erwartet und irgendjemand bei Ihnen im Unternehmen nun beurteilen können muss, ob zum Beispiel die Policen der betrieblichen Altersversorgung korrekt im Abrechnungssystem hinterlegt und ob Unterlagen korrekt archiviert sind, ob die Aufbewahrungsfristen eingehalten werden und so weiter …

Generationswechsel rechtzeitig in die Wege leiten

Und Sie wissen ja, "beim Geld hört der Spaß auf". Wenn die Gehälter von einer anderen Stelle erstellt werden und es ergeben sich andere – womöglich geringere – Überweisungsbeträge, werden Sie auf kein großes Verständnis seitens der Belegschaft stoßen.

Also zollen Sie Ihrer Gehaltsabrechnung Wertschätzung und Respekt, damit mit einer guten Chemie ein Know-how-Transfer rechtzeitig in die Wege geleitet werden kann und im Sinne des gesamten Unternehmens die politische Erfahrung sowie die Fachkompetenz - insbesondere im Steuer- und Sozialversicherungsrecht - nicht von heute auf morgen verloren gehen.


Christiane Droste-Klempp arbeitet im eigenen Unternehmen als Trainerin, Beraterin und Projektleiterin für sämtliche Themen des Lohnsteuer- und Sozialversicherungsrechts und berät seit vielen Jahren Unternehmen bei der Auswahl und Umsetzung strategischer Personalmodelle.