Unfall rechtfertigt keine negative Krankheitsprognose

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hat entschieden, dass Arbeitsunfähigkeitszeiten infolge eines Unfalls für die Frage der negativen Gesundheitsprognose grundsätzlich nicht relevant sind, da sie regelmäßig nicht prognosefähig sind. Eine krankheitsbedingte Kündigung, die Ausfallzeiten aufgrund eines Unfalls bei der negativen Gesundheitsprognose berücksichtigt, ist daher unwirksam.

Eine krankheitsbedingte Kündigung ist sowohl bei häufigen Kurzerkrankungen als auch bei Dauererkrankungen möglich. In der ersten Stufe des dreistufigen Prüfverfahrens, ob eine krankheitsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt ist, ist zunächst eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Es müssen zum Zeitpunkt der Kündigung objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen – damit wäre die erste Stufe erfüllt.

Mehrstufiges Prüfverfahren bei krankheitsbedingter Kündigung

In einer zweiten Stufe ist dann zu prüfen, ob die prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Diese Beeinträchtigungen können sowohl in Betriebsablaufstörungen als auch in zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten liegen, sofern die Zahlungen einen Umfang von sechs Wochen übersteigen. In der dritten Stufe ist dann im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung schließlich zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber gleichwohl hingenommen werden müssen.

Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit rechtfertigt keine negative Zukunftsprognose

In dem vom LAG Köln entschiedenen Fall hatte die gekündigte Arbeitnehmerin, eine Lageristin, im Jahr 2019 130 Fehltage, im Jahr 2020 60 Fehltage und im Jahr 2021 164 Fehltage. Dennoch sah das LAG Köln im konkreten Fall bereits die "erste Stufe" als nicht erfüllt an. Die Arbeitnehmerin hatte im Mai 2019 und im April 2020 zwei Unfälle erlitten, die für einen erheblichen Teil der Fehlzeiten verantwortlich waren. Zog man die unfallbedingten Ausfallzeiten ab, blieben von den 130 Fehltagen in 2019 nur 28 Tage Arbeitsunfähigkeit aufgrund anderer Ursachen übrig. Im Jahr 2020 waren es 10 von 60 Tagen. Da ferner auch das Gros der Ausfallzeiten in 2021 von Unfallfolgen herrührte, waren die Erkrankungen "mithin nicht geeignet, eine negative Zukunftsprognose annehmen zu können".

Sorgfältige Prüfung bei krankheitsbedingten Kündigungen notwendig

Nach Auffassung des LAG Köln können Erkrankungen, denen ihrer Natur nach oder aufgrund ihrer Entstehung keine Aussagekraft für eine Wiederholungsgefahr beizumessen ist, nicht für eine negative Prognose herangezogen werden. Dazu gehören in erster Linie Unfälle, soweit es sich nach ihrer Entstehung um einmalige Ereignisse handelt, sowie sonstige offenkundig einmalige Gesundheitsschäden.

Die krankheitsbedingte Kündigung, die der Arbeitgeber der Beschäftigten ausgesprochen hatte, war daher unwirksam. Für die Praxis bedeutet dies, dass auch bei erheblichen krankheitsbedingten Ausfallzeiten über einen längeren Zeitraum stets geprüft werden muss, ob die Art der Erkrankung überhaupt eine negative Zukunftsprognose möglich macht. Bei Ausfallzeiten infolge eines Unfalls kann davon in der Regel nicht ausgegangen werden.

Hinweis: LAG Köln, Urteil vom 28. März 2023, Az. 4 Sa 659/22.


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