Arbeitszeitgesetz: BMAS legt Gesetzentwurf zur Zeiterfassung vor

Nachdem bereits der EuGH und ihm folgend das BAG den Arbeitgebern die Pflicht auferlegt haben, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeitenden zu erfassen, liegt nun ein Referentenentwurf (RefE) aus dem BMAS vor. Mit den Neuregelungen soll diese Pflicht konkretisiert und auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden.

Der EuGH hatte im Jahr 2019 entschieden, dass sich eine Pflicht zur Einrichtung eines Systems zur Aufzeichnung der Arbeitszeit durch Auslegung der Art. 3, 5 und 6 der Arbeitszeitrichtlinie im Licht von Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) sowie von Art. 4 Abs. 1, Art. 11 Abs. 3 und Art. 16 Abs. 3 der Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie ergäbe (EuGH, Urt. v. 14. Mai 2019, Az. C-55/18). Ob dieses Urteil auch für Arbeitsverhältnisse in Deutschland eine Aufzeichnungspflicht auslöst, war und ist umstritten. Der nationale Gesetzgeber ist jedenfalls nicht aktiv geworden.

Arbeitszeiterfassung: BAG-Urteil stellt Aufzeichnungspflicht fest

Im Jahr 2022 stellte das BAG selbst eine Pflicht zur generellen Aufzeichnung der Arbeitszeit fest (BAG, Beschl. v. 13. September 2022, Az.1 ABR 22/21). In Ermangelung einer passenden gesetzlichen Grundlage leitete es diese Pflicht aus den Grundpflichten des Arbeitgebers zum Arbeitsschutz her, konkret aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG. Das stieß zu Recht auf Kritik. Zum einen, weil die speziellere Regelung in § 16 Abs. 2 ArbZG explizit nur die Erfassung der über die werktägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorsieht. Zum anderen aber auch, weil sich in § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG schwerlich eine Aufzeichnungspflicht hineininterpretieren lässt.

Der EuGH verlangt die Einführung und Vorhaltung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems zur Arbeitszeiterfassung. Während die Entscheidung des EuGH so interpretiert wurde, dass die Arbeitszeiterfassung nur dann den Vorgaben entspräche, wenn sie in elektronischer Form erfolgt, ging das BAG so weit nicht. Es hat eine händische Erfassung ausreichen lassen. Während nun zwar grundsätzlich eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung besteht, bleibt deren Verletzung regelmäßig sanktionslos. Eine Bußgeldbewehrung sieht das ArbSchG nämlich insoweit nicht vor.

Referentenentwurf aus dem BMAS zur Arbeitszeiterfassung

Nun legte das BMAS einen RefE eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes und anderer Vorschriften vor, mit dem Ziel, gesetzliche Regelungen zur Arbeitszeiterfassung einzuführen. Folgende wesentliche Neuregelungen sind vorgesehen:

Der Arbeitgeber wird gemäß § 16 Abs. 2 S. 1 ArbZG-E verpflichtet sein, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufzuzeichnen. Diese Aufzeichnung muss bereits jeweils am Tag der Arbeitsleistung erfolgen. Hier möchte der RefE die ähnliche, wenngleich in ihrer Reichweite beschränkte, Regelung aus § 17 Abs. 1 S. 1 MiLoG nicht übernehmen. Danach genügt es, spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages die Aufzeichnung von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit vorzunehmen. Der RefE sieht indessen eine Änderung von § 17 MiLoG nicht vor. Eine Harmonisierung ist aber erforderlich.

Nach § 16 Abs. 2 S. 1 ArbZG-E hat die Erfassung der Arbeitszeit elektronisch zu erfolgen. Hiervon soll durch oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung abgewichen werden können, § 16 Abs. 7 Nr. 1 ArbZG-E (dazu später mehr). Damit geht der Gesetzesentwurf über die Entscheidung des BAG hinaus. Allerdings gelten Übergangsregelungen, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (auch dazu später mehr) und laut der Begründung des Gesetzentwurfs soll auch die Nutzung herkömmlicher Tabellenkalkulationsprogramme den Vorgaben genügen.

Vertrauensarbeitszeit bleibt möglich

Die Aufzeichnung kann gemäß § 16 Abs. 3 ArbZG-E durch den Arbeitgeber erfolgen, aber auch an den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin delegiert werden. In der gesetzlichen Verantwortung bleibt aber stets der Arbeitgeber. Die Übertragbarkeit der Aufzeichnungspflicht auf die Arbeitnehmenden wird insbesondere bei der Vertrauensarbeitszeit relevant. Die Arbeitsvertragsparteien können auch weiterhin eine Vertrauensarbeitszeit vereinbaren. Auch bei Vertrauensarbeitszeit seien aber die Vorgaben des öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitschutzes einzuhalten.

So soll in § 16 Abs. 4 ArbZG-E vorgesehen werden, dass der Arbeitgeber bei Vertrauensarbeitszeit sicherstellen muss, dass ihm Verstöße gegen die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes zu Dauer und Lage der Arbeits- und Ruhezeiten bekannt werden. Dies könne, so die Begründung zum Gesetzesvorhaben, beispielsweise durch die entsprechende Meldung eines elektronischen Arbeitszeiterfassungssystems erfolgen. Zwar wird die Aufzeichnung der Arbeitszeit auch bei Vertrauensarbeitszeit nicht entbehrlich. Arbeitgeber erhalten jedoch die notwendige Rechtssicherheit für die Arbeitszeitaufzeichnung, wenn sie bei vereinbarter Vertrauensarbeitszeit auf die Kontrolle der vertraglichen Arbeitszeit verzichten. Das heißt aber auch, dass es keine generelle Kontroll-, sondern nur eine Aufzeichnungspflicht geben soll.

Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin gemäß § 16 Abs. 5 ArbZG-E auf Verlangen über die aufgezeichnete Arbeitszeit zu informieren und ihm auf Verlangen eine Kopie der Aufzeichnungen zur Verfügung zu stellen. Es genügt, wenn die Arbeitnehmenden die sie betreffenden elektronischen Aufzeichnungen selbst einsehen und Kopien fertigen können. Auch wenn dies nicht die primäre Intention des Gesetzes ist, wird sich damit für Arbeitnehmende die Geltendmachung von Überstunden erheblich vereinfachen. Sie bräuchten keine eigenen Aufzeichnungen zum Umfang der Arbeitszeit mehr fertigen. Da es eine Kontrollpflicht für den Arbeitgeber nicht gibt, bliebe es aber bei der Darlegungs- und Beweislastverteilung hinsichtlich der Erforderlichkeit der Überstunden.

RefE zur Arbeitszeiterfassung: Abweichungen durch Tarifvertrag möglich

Der Arbeitgeber hat die Arbeitszeitnachweise mindestens zwei Jahre aufzubewahren, § 16 Abs. 2 S. 3 ArbZG-E. Er hat gemäß § 16 Abs. 6 ArbZG-E die für die Kontrolle der Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften erforderlichen Aufzeichnungen im Inland für die gesamte Dauer der tatsächlichen Beschäftigung der Arbeitnehmenden, mindestens für die Dauer der gesamten Werk- oder Dienstleistung, maximal aber für zwei Jahre in deutscher Sprache bereitzuhalten. Auf Verlangen der Aufsichtsbehörde sind die Unterlagen auch am Ort der Beschäftigung bereitzuhalten, bei Bauleistungen auf der Baustelle.

Wie bereits erwähnt, sieht der RefE in § 16 Abs. 7 ArbZG-E Abweichungsmöglichkeiten für Tarifverträge vor. So soll in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung zugelassen werden können, dass die Aufzeichnung nicht in elektronischer Form erfolgen brauchen (s.o.). Ferner könnte geregelt werden, dass die Aufzeichnung an einem anderen Tag erfolgen kann, spätestens aber bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages. Dann wäre der Gleichlauf mit dem MiLoG hergestellt.

Als dritten Abweichungspunkt nennt der Gesetzentwurf ein Abweichen von der Aufzeichnungspflicht für Arbeitnehmende, bei denen die gesamte Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann. Dabei orientiert sich der Entwurf an Art. 17 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie. Laut der Begründung des RefE könnte das Führungskräfte, herausgehobene Experten oder Wissenschaftler betreffen, die nicht verpflichtet sind, zu festgesetzten Zeiten am Arbeitsplatz anwesend zu sein, sondern über den Umfang und die Einteilung ihrer Arbeitszeit selbst entscheiden können. Ohne Tarifvertragsgrundlage soll eine solche - sinnvolle und praxisgerechte - Ausnahme indessen nicht möglich sein.

Übergangsregelungen rund um die Aufzeichnungspflicht

Der Referentenentwurf sieht in § 16 Abs. 8 ArbZG-E Übergangsregelungen vor. So soll zwar die Aufzeichnungspflicht sogleich mit Inkrafttreten der gesetzlichen Neufassung gelten, wobei die Neufassung auf den ersten Tag des auf die Verkündung folgenden Quartals festgeschrieben werden soll. Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung in elektronischer Form gilt aber erst ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes; bis dahin bliebe also auch die handschriftliche Aufzeichnung zulässig. Für Arbeitgeber mit weniger als 250 Arbeitnehmenden verlängert sich diese Übergangsregelung auf zwei Jahre, für Arbeitgeber mit weniger als 50 Arbeitnehmenden auf immerhin fünf Jahre.

Zwar nicht von der Arbeitszeitaufzeichnung als solcher, aber doch von der elektronischen Aufzeichnungspflicht dauerhaft ausgenommen sollen Arbeitgeber mit bis zu zehn Arbeitnehmenden, ausländischen Arbeitgeber ohne Betriebsstätte im Inland, wenn sie bis zu zehn Arbeitnehmende nach Deutschland entsenden, und Privathaushalte, die Hausangestellte beschäftigen, sein. Unklar ist, ob für die Beschäftigtenzahlen auf das Unternehmen oder den Betrieb abzustellen sein wird. Während der Begriff "Arbeitgeber" eher auf das Unternehmen hindeutet, scheint doch der Betrieb gemeint zu sein, wie sich aus der Begründung zum RefE ergibt. So wird dort von einer "Kleinbetriebsklausel" gesprochen; die noch dazu § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG (ohne die anteilige Berücksichtigung von Teilzeitkräften) entspräche. Das sollte im Interesse der Rechtssicherheit im Gesetzgebungsverfahren nachgeschärft werden.

Die bereits in der bestehenden Fassung des ArbZG vorgesehenen Bußgeldregelungen sollen auf Verstöße gegen die Aufzeichnungspflicht, die Aufbewahrungspflicht und die Bereithaltungspflicht für Kontrollen ausgedehnt werden. Damit würde ein Verstoß - anders als bislang - künftig sanktionierbar sein.

Sonstige Änderungen im Arbeitszeitgesetz

Neben weiteren redaktionellen Änderungen im ArbZG und in der Offshore-Arbeitszeitverordnung werden die vorstehenden Änderungen - soweit umsetzbar - auch auf das JArbSchG übertragen.

Fazit: Referentenentwurf liegt im Rahmen des Erwartbaren

Der RefE enthält erwartbare Regelungen. Die Verpflichtung zur elektronischen Erfassung der Arbeitszeit (etwa über eine App) wird ohnehin der betrieblichen Praxis entsprechen. Die Übergangsregelungen ermöglichen es Unternehmen, sich auf die Änderungen einzustellen. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird es freuen, dass sich Überstundenprozesse für sie einfacher gestalten werden. Unklarheiten werden hoffentlich im Gesetzgebungsverfahren ausgeräumt. Eine großzügigere Herausnahme von bestimmten Arbeitnehmern auch ohne Tarifvertrag wäre wünschenswert. Durch das Erfordernis der elektronischen Zeiterfassung hat der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG insoweit mitzubestimmen.


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