BAG, Urteil v. 22.1.2019, 9 AZR 45/16

Urlaubsabgeltungsansprüche, die durch Tod des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis entstehen, sind vererbbar. Dies gilt nicht nur für den gesetzlichen Mindesturlaub, sondern auch für den Anspruch auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX a. F. sowie den Anspruch auf Urlaub nach § 26 TVöD, der den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigt.

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall war die Klägerin Alleinerbin ihres Ehemanns, der am 20.12.2010 verstorben war. Zum Zeitpunkt seines Todes stand dieser noch in einem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten. Gemäß dem auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden § 26 TVöD standen dem Erblasser in jedem Kalenderjahr 30 Arbeitstage Urlaub zu. Zudem war er mit Wirkung vom 18.8.2010 als schwerbehinderter Mensch anerkannt worden, sodass er darüber hinaus gem. § 125 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB IX a. F. für das Jahr 2010 einen Anspruch auf anteiligen Zusatzurlaub von 2 Arbeitstagen hatte. Die Klägerin verlangte die Abgeltung des Resturlaubs von insgesamt 25 Arbeitstagen, der ihrem verstorbenen Ehemann zum Zeitpunkt seines Todes für das Jahr 2010 noch zustand.

Die Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Abgeltung des nicht gewährten Urlaubs des Erblassers i. H. v. 5.857,75 EUR brutto.

Das BAG hat entschieden, dass bei Ende des Arbeitsverhältnisses durch den Tod des Arbeitnehmers, dessen Erben nach § 1922 Abs. 1 BGB i. V. m. § 7 Abs. 4 BUrlG Anspruch auf Abgeltung des von dem Erblasser nicht genommenen Urlaubs haben.

Das Gericht führte zunächst aus, dass Urlaub, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommen werden kann, nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten sei. Zudem ergebe die nach dem europäischen Unionsrecht gebotene Auslegung von §§ 1, 7 Abs. 4 BUrlG, dass der Resturlaub auch dann abzugelten sei, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers ende. Hintergrund war eine Entscheidung des EuGH, wonach der durch Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) gewährleistete Anspruch auf bezahlten Mindestjahresurlaub nicht mit dem Tod des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis untergehen dürfe, sondern dass ein Anspruch auf finanzielle Vergütung für diesen Urlaub besteht, der im Wege der Erbfolge auf den Rechtsnachfolger des Arbeitnehmers überzugehen hat (EuGH, Urteil v. 6.11.2018, C-569/16 und C-570/16). Daraus folge für die richtlinienkonforme Auslegung von §§ 1, 7 Abs. 4 BUrlG, dass die Vergütungskomponente des Anspruchs auf den vor dem Tod nicht mehr genommenen Jahresurlaub als Bestandteil des Vermögens Teil der Erbmasse wird. Hierbei umfasse, so das BAG, der Abgeltungsanspruch der Erben nicht nur den Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub nach §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG, sondern auch den Anspruch auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX a. F. sowie den Anspruch auf Urlaub nach § 26 TVöD, der den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigt; denn nach Auffassung des Gerichts lasse sich dem TVöD nicht entnehmen, dass dem Erben das Verfallrisiko für den tariflichen Mehrurlaub bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Tod des Arbeitnehmers zugewiesen ist.

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