Nach § 164 Abs. 4 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen einen arbeitsrechtlichen Anspruch auf

  • Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können.[1] Dies geht nicht soweit, dass der Schwerbehinderte verlangen kann, nur nach seinen Neigungen beschäftigt zu werden.[2]
  • bevorzugte Berücksichtigung bei innerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung zur Förderung ihres beruflichen Fortkommens,
  • Erleichterungen im zumutbaren Umfang zur Teilnahme an außerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung,
  • behindertengerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte sowie der Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfelds, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit, unter besonderer Berücksichtigung der Unfallgefahr,
  • Ausstattung des Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen,
  • Versetzung des Arbeitnehmers auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz, die vom Arbeitgeber ggf. auch ohne Aufforderung des Arbeitnehmers vorzunehmen ist, wenn dem Arbeitgeber die Leistungseinschränkungen bekannt sind.

Diese Vorschrift gibt schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten (§ 151 Abs. 3 SGB IX) Menschen einen einklagbaren[3] Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz, der ihren Kenntnissen und Fähigkeiten möglichst gerecht wird. Dieser Anspruch geht soweit, dass diese Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf eine Vertragsänderung oder -anpassung haben.

Wie weit dieser Anspruch reicht, ist einzelfallabhängig. Der Gerichtshof der Europäischen Union verlangt "angemessene Vorkehrungen" in Anlehnung an die UN-BRK; dies ist weit zu verstehen und umfasst die Beseitigung der verschiedenen Barrieren, die die volle und wirksame, gleichberechtigte Teilhabe der Menschen mit Behinderung am Berufsleben behindern. Gemeint sind nicht nur materielle, sondern auch organisatorische Maßnahmen. Ob solche Vorkehrungen den jeweiligen Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten, insbesondere durch den damit verbundenen finanziellen und sonstigen Aufwand unter Berücksichtigung der Größe und der Finanzkraft des Arbeitgebers sowie der Möglichkeit, öffentliche Mittel oder andere Unterstützungen in Anspruch zu nehmen, ist einzelfallabhängig.[4] Die Bestimmungen der UN-BRK sind integrierender Bestandteil der Unionsrechtsordnung. Dadurch sind sie zugleich Bestandteil des – ggf. unionsrechtskonform auszulegenden – deutschen Rechts. Die Verpflichtung zu angemessenen Vorkehrungen ergibt sich bei unionsrechtskonformer Auslegung des § 241 Abs. 2 BGB aus dieser Bestimmung.

Eine Kündigung eines behinderten Arbeitnehmers wegen fehlender Einsatzmöglichkeiten ist nur wirksam, wenn der Arbeitgeber nicht imstande ist, das infolge der Behinderung vorliegende Beschäftigungshindernis durch angemessene Vorkehrungen zu beseitigen.[5]

Zu beachten ist, dass das auch für "einfach" behinderte Arbeitnehmer gilt und nicht nur im Fall einer Kündigung; § 164 Abs. 4 SGB IX ist insofern europarechtskonform dahin auszulegen, dass jeder behinderte Beschäftigte einen Anspruch gegen seinen Arbeitgeber hat, dass der die beschriebenen Maßnahmen zu seiner Beschäftigungssicherung ergreift.

Allerdings hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf einen Arbeitsplatz, der genau seinen Neigungen entspricht[6], sondern das Gesetz verpflichtet den Arbeitgeber nur, den bestehenden Arbeitsplatz behinderungsgerecht aus- oder umzugestalten. Ob der Arbeitgeber auch verpflichtet ist, einen solchen Arbeitsplatz im Rahmen seiner betrieblichen Möglichkeiten zu schaffen, wie sich aus § 167 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB IX ableiten lässt[7], ist umstritten.[8] Eine bisher im Betrieb nicht vorhandene Tätigkeit braucht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer jedenfalls nicht einrichten[9], wohl aber kann er gehalten sein, Arbeitsabläufe so umzuorganisieren, dass sich durch Zusammenfassung leidensgerechter Tätigkeiten ein Arbeitsplatz ergibt. Das ist eine Frage des Einzelfalls. Unter Umständen kann sich sogar ein Anspruch auf eine Beförderung ergeben, wenn dieser Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer besonders geeignet ist.[10] Ebenfalls hat der schwerbehinderte Arbeitnehmer einen Anspruch auf Durchführung einer stufenweisen Wiedereingliederungsmaßnahme. Dieser Anspruch setzt aber voraus, dass eine vollständige ärztliche Bescheinigung über die Wiedereingliederungsmaßnahme vom Arbeitnehmer vorgelegt wird.[11]

Der Anspruch auf eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder eine behinderungsgerechte Neubestimmung der geschuldeten Arbeitsleistung setzt aber voraus, dass der Arbeitgeber vom schwerbehinderten Arbeitnehmer darüber informiert wird, wie eine behinderungsgerechte Beschäftigung gestaltet werden kann. In der Regel erlangt der Arbeitgeber diese Informationen bereits bei korrekter Durchführung des Präventionsverfahrens und/oder des betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 167 Abs. 1 und 2 SGB IX.

Der Arbeitgeber hat sich auf die Vorstellungen des Arbeitnehmers substantiiert einzulassen und die T...

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