Die Beschäftigungspflicht stellt eine öffentliche Pflicht des Arbeitgebers dar; sie gibt einem schwerbehinderten Menschen kein subjektives Recht auf Einstellung gegenüber einem bestimmten Arbeitgeber. Die Beachtung der in § 164 Abs. 1 SGB IX genannten vielfältigen Pflichten des Arbeitgebers ist auch deswegen von besonderer Bedeutung, weil ein Verstoß hiergegen als Indiz im Sinne von § 22 AGG angesehen wird, das die Vermutung begründet, dass eine Nichteinstellung eines schwerbehinderten Bewerbers wegen seiner Behinderung erfolgte und er deshalb im Sinne des § 7 AGG benachteiligt wurde und einen Anspruch auf Schadensersatz oder Entschädigung hat.[1] Zunächst hat der Arbeitgeber nach § 164 Abs. 1 SGB IX bei der Besetzung frei werdender oder neuer Arbeitsplätze unter Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung zu prüfen, ob diese Arbeitsplätze insbesondere mit dem bei der Agentur für Arbeit gemeldeten schwerbehinderten Menschen besetzt werden können. Dabei hat er nach § 164 Abs. 1 Satz 6 SGB IX die Schwerbehindertenvertretung (ersatzweise die Konzern- oder Gesamtschwerbehindertenvertretung – § 180 Abs. 6 SGB IX) zu beteiligen und die Arbeitnehmervertretung (Betriebs- oder Personalrat) zu informieren. Die Einbeziehung der Schwerbehindertenvertretung soll eine sachgerechte Beurteilung der Eignung des zu besetzenden Arbeitsplatzes für schwerbehinderte Menschen sicherstellen. In einem ersten Schritt unterrichtet der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung über die zu besetzende Stelle unter Übermittlung eines Anforderungsprofils, aus dem sich insbesondere die Eignung der Stelle für schwerbehinderte Menschen ableiten lässt (z. B. Fahrerlaubnis erforderlich). Der Schwerbehindertenvertretung ist Gelegenheit zu geben, zu dem Anforderungsprofil Stellung zu nehmen. Unmittelbar danach nimmt der Arbeitgeber mit der Agentur für Arbeit Kontakt auf unter Beifügung des Stellenprofils.[2] Der Arbeitgeber hat dazu frühzeitig einen Vermittlungsauftrag an die Agentur für Arbeit zu erteilen und nicht nur die freie Stelle informativ der Jobbörse mitzuteilen. Der Vermittlungsauftrag ist an die Reha/SB – Stelle der Agentur nach § 187 Abs. 4 SGV IX zu richten[3]. Die Agentur für Arbeit hat den Arbeitgebern geeignete schwerbehinderte Menschen vorzuschlagen. Über die Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit – ebenso wie über vorliegende Bewerbungen schwerbehinderter Menschen – sind die Schwerbehindertenvertretung (SV) und der Betriebs- bzw. Personalrat unmittelbar nach Eingang zu unterrichten (bußgeldbewehrt nach § 238 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX). Jede Meldung muss als Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen gekennzeichnet sofort an die Schwerbehindertenvertretung und an die Arbeitnehmervertretung weitergeleitet werden. Sammelmeldungen sind unzulässig, selbst wenn die Vertretungen damit einverstanden sind[4]. Das setzt aber voraus, dass der Bewerber seine Schwerbehinderteneigenschaft offenlegt; ein bloß versteckter Hinweis[5] oder eine in die Bewerbungsunterlage eingestreute Kopie des Schwerbehindertenausweises genügt nicht. Diesen Hinweis muss der Bewerber bei jeder neuen Bewerbung erneuern[6]. Auf die Kenntnisnahme durch den Arbeitgeber kommt es nicht an. Es reicht, dass er die Schwerbehinderung erkennen musste. Allerdings muss der Hinweis auf die bestehende Schwerbehinderung innerhalb einer gesetzten Bewerbungsfrist eingehen[7]. Bewerber im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG ist, wer eine Bewerbung beim Arbeitgeber eingereicht hat. Eingereicht ist eine Bewerbung dann, wenn sie dem Arbeitgeber zugegangen ist im Sinne von § 130 BGB. Um den Bewerberbegriff des § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG zu erfüllen, ist es hingegen nicht notwendig, dass der Arbeitgeber bzw. die bei diesem über die Bewerbung entscheidenden Personen tatsächlich Kenntnis von einer zugegangenen Bewerbung nehmen. Grundsätzlich kann der Arbeitgeber die Vermutung nach § 22 AGG dadurch widerlegen, dass er substanziiert vorträgt und im Bestreitensfall beweist, dass er bzw. die bei ihm über die Einstellung entscheidenden Personen aufgrund besonderer, ihm nicht zurechenbarer Umstände des Einzelfalls nicht die Möglichkeit hatte(n), eine im Sinne von § 130 BGB zugegangene Bewerbung tatsächlich zur Kenntnis zu nehmen[8].

Die vorbeschriebene Prüfungspflichten gelten auch dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitsplatz intern (Ausnahme für den öffentlichen Dienst in § 165 SGB IX) oder mit einem Leiharbeitnehmer besetzen will.[9] Im weiteren Verfahren ist die SV umfassend zu unterrichten (§ 178 Abs. 2 SGB IX) und ebenso wie Betriebs- bzw. Personalrat zu hören. Es gibt keine gesetzliche Frist für die Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung, daher sollte der Arbeitgeber eine Frist setzen, die sich sinnvollerweise an der Frist für die Stellungnahme von Betriebsrat oder Personalrat orientiert. Darüber hinaus hat die Schwerbehindertenvertretung das Recht auf Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen – auch der nicht behinderten Bewerber! – und ein Recht...

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