Das Benachteiligungsverbot gegenüber schwerbehinderten Arbeitnehmern richtet sich seit dem Inkrafttreten des AGG nun nach §§ 7 ff. AGG. Dies stellt § 164 Abs. 2 Satz 2 SGB IX klar. Das Benachteiligungsverbot ist zudem in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG verfassungsrechtlich festgeschrieben.

Das AGG enthält ein weitreichendes Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen. Als eines der verbotenen Unterscheidungsmerkmale nennt § 1 AGG ausdrücklich die Behinderung. Damit erfasst es alle Behinderungen im Sinne von § 2 Abs. 1 SGB IX und nicht nur schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Menschen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes vom 11.7.2006[1] erfasst der Begriff "Behinderung" i. S. d. Richtlinie 2000/78/EG dagegen jede Einschränkung, die auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist und die ein länger andauerndes Hindernis für die Teilhabe am Berufsleben bildet. Die Einschränkung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist demgegenüber keine Voraussetzung einer Behinderung.

Danach darf erst recht ein schwerbehinderter Mensch bei der Begründung des Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnisses oder bei einer sonstigen Vereinbarung oder Maßnahme, insbesondere beim beruflichen Aufstieg, bei einer Weisung oder einer Kündigung, nicht wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. In der Praxis überwiegen bei Weitem die Fälle der Benachteiligung bei der Einstellung. Auch der Bewerber ist ein Beschäftigter im Sinne des AGG. Er erfährt allerdings keine Benachteiligung, wenn der Arbeitgeber die ausgeschriebene Stelle besetzt hat, bevor seine Bewerbung eingeht.[2]

Eine Benachteiligung liegt bereits darin, dass ein öffentlicher Arbeitgeber den Bewerber entgegen § 165 Satz 3 SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch einlädt.[3] Die Schwerbehinderung ist nur dann nicht (mit-)ursächlich für die Benachteiligung, wenn der Arbeitgeber beweist, dass für sein Handeln ausschließlich andere Gründe als die Schwerbehinderung maßgebend waren. Ein Entschädigungsanspruch besteht schon dann, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass in dem Motivbündel, das die Entscheidung des Arbeitgebers beeinflusst hat, die Schwerbehinderung als negatives Kriterium enthalten ist. Die bessere Eignung von Mitbewerbern schließt eine Benachteiligung nicht aus. Die Bestimmungen in § 164 Abs. 2 Satz 1, § 165 Satz 3 SGB IX i. V. m. § 15 Abs. 2 AGG schützen das Recht des Bewerbers auf ein diskriminierungsfreies Bewerbungsverfahren. Sind die Chancen eines Bewerbers bereits durch ein diskriminierendes Verfahren beeinträchtigt worden, kommt es nicht mehr darauf an, ob die (Schwer-)Behinderung bei der abschließenden Einstellungsentscheidung noch eine nachweisbare Rolle gespielt hat. Für die Berücksichtigung einer fehlenden Behinderung als positives Kriterium reicht es aus, dass vom Arbeitgeber unterlassene Maßnahmen – etwa die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch – objektiv geeignet sind, schwerbehinderten Bewerbern keine oder weniger günstige Chancen einzuräumen, als sie nach dem Gesetz zu gewähren sind.[4] Diese Argumente lassen sich auch auf die Nichtberatung mit der SBV unter Beteiligung des abgelehnten Bewerbers nach § 164 Abs. 1, Sätze 7–9 SGB IX übertragen.

 
Wichtig

Diese Verfahrensregelungen sind daher unbedingt zu beachten. In der Regel wird der Beweis, dass die Schwerbehinderteneigenschaft nichts mit der Auswahlentscheidung zu tun hatte, misslingen.

Keine unterschiedliche Behandlung liegt vor, wenn der schwerbehinderte Bewerber die elementaren Voraussetzungen für die ausgeschriebene Stelle nicht erfüllt. Das Bundesarbeitsgericht hat seine frühere Rechtsprechung, nach der ein Bewerber, der das vom Arbeitgeber aufgestellte Anforderungsprofil nicht erfüllt, nicht benachteiligt werden könne, ausdrücklich aufgegeben. Bewerber ist jeder, der die ausgeschriebene Stelle grundsätzlich ausüben könne. Nur dann, wenn es dem "Bewerber" ausschließlich um den Erhalt einer Entschädigung gehe, handelt er rechtsmissbräuchlich. Das sei aber nicht schon dann der Fall, wenn er sich mehrfach auf diskriminierende Stellenanzeigen beworben und eine Entschädigung erhalten habe.[5]

 
Wichtig

Angesichts des formalen Bewerberbegriffs, den das Bundesarbeitsgericht seinen Entscheidungen seit dem Jahr 2016 zugrunde legt, ist es umso wichtiger, darauf zu achten, dass Stellenausschreibung und Bewerbungsverfahren keine Anhaltspunkte für eine Diskriminierung bieten – das "Schlupfloch" der fehlenden objektiven Eignung oder fehlenden subjektiven Ernsthaftigkeit der Bewerbung ist geschlossen.

Eine unterschiedliche Behandlung wegen der Behinderung ist nach § 8 Abs. 1 AGG zulässig, soweit das Nichtvorhandensein der konkreten Behinderung wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für diese Tätigkeit ist. Die Anforderungen sind hoch, es muss durch die Tätigkeit selbst oder durch die Umstände ihrer Ausübung eine wirtschaftlich vernünftige Arbeitsleistung ausgeschlossen sein. Das bedarf einer sorgfältigen Argumentation, bezogen auf di...

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