Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung Sozialauswahl, Auswahlschema

 

Leitsatz (amtlich)

1. Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit geringfügig unterschiedlichen Arbeitszeiten sind im Rahmen der sozialen Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG einander jedenfalls dann vergleichbar, wenn der kündigungsbedrohte Arbeitnehmer die fortbestehende Arbeitsstelle übernehmen kann, ohne dass eine Anpassung anderer Arbeitsverträge erforderlich wird. Nach den Entscheidungen des BAG vom 3.12.1998 – 2 AZR 341/98 – einerseits sowie des EUGH vom 26.09.2000 – C – 322/98 – andererseits bleibt offen, inwieweit darüber hinaus auch Arbeitnehmer mit unterschiedlichen Arbeitszeiten in die soziale Auswahl einzubeziehen sind.

2. Nicht in die soziale Auswahl einzubeziehen sind Arbeitnehmer, bei denen die ordentliche Kündigung durch Tarifvertrag ausgeschlossen ist, sofern der Arbeitsplatzschutz drittbetroffener Arbeitnehmer in der tarifvertraglichen Regelung nicht nur ganz ungenügend berücksichtigt wurde.

3. Innerhalb der Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer sind in erster Linie die sozialen Gesichtspunkte der Dauer der Betriebszugehörigkeit, des Lebensalters sowie der aktuellen Unterhaltspflichten zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber kann eine Vorauswahl mit Hilfe eines Auswahlschemas treffen; die abschließende Entscheidung muss stets durch eine „Handsteuerung” erfolgen. Eine solche Vorauswahl ist nur zulässig, wenn in dem Schema die maßgeblichen sozialen Gesichtspunkte in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander berücksichtigt sind. Ist das Auswahlschema nicht zwischen den Betriebs- bzw. Tarifvertragsparteien nach § 1 Abs. 4 KSchG schriftlich vereinbart, steht dem Arbeitgeber dabei nur ein gewisser Wertungsspielraum zu; das Ergebnis ist dann nicht nur auf grobe Fehlerhaftigkeit zu überprüfen (entgegen LAG Köln 3.5.2000 – 2 Sa 272/00 –).

4. Als nicht mehr ausgewogen ist ein Auswahlschema anzusehen, das im Ausgangspunkt für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit und für jedes volle Lebensjahr gleichermaßen einen Punkt vorsieht und für verheiratete Arbeitnehmer zusätzlich 8 Punkte vergibt. Hat ein Arbeitgeber dieses Schema, das vom BAG im Urteil vom 18.01.1990 – 2 AZR 357/89 – noch als zulässig angesehen worden ist, im Vertrauen auf diese Rechtsprechung angewendet, kann ihm daraus allerdings kein Nachteil entstehen (zum Vertrauensschutz bei der Veränderung von Handlungspflichten durch die Rechtsprechung zuletzt BAG 18.01.2001 – 2 AZR 616/99).

5. Der Auswahlfehler durch den Arbeitgeber begründet nur dann die Unwirksamkeit der Kündigung, wenn die soziale Auswahl auch unter Berücksichtigung des Wertungsspielraums eindeutig fehlerhaft ist. Sie ist folglich nicht zu beanstanden, wenn der Kläger auch bei zutreffender Würdigung der Sozialdaten und bei jedem zulässigen Abwägungsergebnis zur Kündigung angestanden hätte.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2, 4; BAT § 53 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Lüneburg (Entscheidung vom 14.09.2000; Aktenzeichen 2 Ca 1545/00)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 14.09.2000 – 2 Ca 1545/00 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.

Die Klägerin absolvierte in der Zeit vom 01.09.1989 bis zum 31.08.1990 das „Anerkennungsjahr” zur Erzieherin bei der Beklagten, die in B. einen Kindergarten betreibt und regelmäßig mehr als 5 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt. Anschließend wurde die Klägerin ununterbrochen als Erzieherin beschäftigt, zunächst auf der Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrages vom 15.08.1990 bis zum 31.07.1991 mit 33 Stunden wöchentlich, ab dem 19.08.1991 im Rahmen eines unbefristeten Vertrages mit 25 Stunden wöchentlich, dann vom 01.03.1992 an wiederum befristet bis zum 31.07.1993 im Rahmen einer Vollzeitbeschäftigung. Das Arbeitsverhältnis wurde über den 31.07.1993 fortgesetzt, wobei die wöchentliche Arbeitszeit jeweils durch Nachtrag zum Dienstvertrag mehrfach neu festgesetzt wurde. Unter dem 17.06.1994 vereinbarten die Parteien eine Wochenarbeitszeit von 30 Stunden, am 27.09.1994 wurde die Arbeitszeit auf 38,5 Stunden angehoben, unter dem 18.04.1996 auf 25 Stunden abgesenkt, am 08.07.1997 auf 23/75 Stunden festgesetzt und am 17.12.1999 schließlich auf 26,25 Stunden angehoben. In diesem Umfang war die Klägerin zuletzt bei der Beklagten beschäftigt.

Die Beklagte unterhält in dem Kindergarten Gruppen, die sie jeweils halbtäglich betreut. Zu 4 relativ gleichmäßig belegten Vormittags- und einer Nachmittagsgruppe, die aus etwa 25 Kindern besteht, richtete die Beklagte am 01.12.1999 für den Nachmittag eine Kleingruppe für weitere 10 Kinder ein. Eine Kleingruppe wird von der Erzieherin alleine betreut, während für eine volle Gruppe 2 Erzieherinnen vorgesehen sind.

Aufgrund rückläufiger Anmeldungen entschied die Beklagte, für das Kindergartenjahr 01.08.2...

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