Fluggesellschaft kündigt Kapitän und Co-Pilot unwirksam

Eine Fluggesellschaft kündigte im Wege einer Massenentlassung zahlreichen Beschäftigten aufgrund einer Flottenreduzierung. Die Kündigungsschutzklagen eines Piloten und eines Co-Piloten waren vor dem LAG Düsseldorf erfolgreich. Grund waren Fehler im Konsultationsverfahren.

Das Konsultationsverfahren gehört zu den häufigsten Fehlerquellen beim Massenentlassungsverfahren. Das LAG Düsseldorf hatte vorliegend in zwei Verfahren die Rechtmäßigkeit der betriebsbedingten Kündigungen zweier Piloten zu beurteilen. Auch hier waren Fehler des Arbeitgebers bei der Konsultation entscheidend. Wie das Gericht feststellte, hatte das Unternehmen zu Unrecht darauf verzichtet, der Personalvertretung Änderungen bei den anstehenden Maßnahmen mitzuteilen.

Flottenreduzierung: Piloten erhalten betriebsbedingte Kündigungen 

Beide Arbeitnehmer gingen gegen ihre Entlassungen durch die Fluggesellschaft im März 2021 vor. Der eine war seit 2000 als Kapitän dort angestellt, der andere seit 2018 als Co-Pilot. Der Arbeitgeber hatte beide Arbeitsverhältnisse aufgrund einer Flottenreduzierung und Standortschließungen betriebsbedingt zum Ende des Jahres gekündigt. 

Aufgrund tariflicher Regelungen waren bei dem Arbeitgeber Personalvertretungen für das Cockpit (PV Cockpit) und für die Kabine (PV Kabine) gebildet. Weiterhin gab es eine Gesamtvertretung Bordpersonal (GV Bord).

Interessenausgleich zum Personalabbau mit der Gesamtvertretung GV Bord

Im Frühjahr 2021 schloss der Arbeitgeber mit der GV Bord einen Interessenausgleich. In diesem hieß es zur geplanten Betriebsänderung, dass die Fluggesellschaft ihre Flotte auf 22 Flugzeuge reduzieren und sechs ihrer derzeit unterhaltenden Stationen vollständig und dauerhaft schließen werde. Im Bereich des Cockpit- und Kabinenpersonals müsse daher die Beschäftigtenzahl angepasst werden, ohne die tariflich vereinbarte Zahl von 370 Cockpitmitarbeitenden zu unterschreiten. Der tatsächliche Bedarf an Cockpitpersonal liegt aufgrund der Betriebsänderung nach Angaben des Arbeitgebers sogar nur noch bei 340.

Massenentlassung: Erforderliches Konsultationsverfahren eingeleitet

Wenig später leitete der Arbeitgeber der GV Bord gegenüber mit einem Schreiben das Konsultationsverfahren gemäß § 17 Abs. 2 KSchG ein. Den Text eines Sozialplans schickte er mit. Dieser beinhaltetet eine Auswahlrichtlinie, die unter anderem ein Punkteschema für die Gewichtung der Kriterien der sozialen Auswahl wie Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung vorsah. Mitarbeitenden mit Sonderkündigungsschutz aufgrund von Mutterschutz, Eltern- oder Pflegezeit sollten danach nach Einholung der behördlichen Zustimmung gekündigt werde. Eine Woche später fand ein abschließender Beratungstermin mit der GV Bord statt.

Kündigungsschutzklagen von Pilot und Co-Pilot: Fehlende Anhörung der PV Cockpit?

Mit ihren Kündigungsschutzklagen wehrten sich der Kapitän und der Co-Pilot gegen die betriebsbedingten Kündigungen. Vor Gericht rügten sie, dass die Anhörung der PV Cockpit sowie die Durchführung des Konsultationsverfahrens nicht ordnungsgemäß erfolgt seien. Zudem sei ihr Beschäftigungsbedarf nicht entfallen. Dazu brachten sie vor, dass das noch vorhandene Cockpitpersonal nicht in der Lage sei, ohne "überobligatorische Arbeit" das verbliebene Flugaufkommen zu bedienen. Vielmehr müssten alle Mitarbeitenden Mehrflugstunden leisten.

LAG Düsseldorf: Unwirksame Kündigungen wegen fehlerhafter Konsultation der GV Bord

Das LAG Düsseldorf erklärte beide Kündigungen für unwirksam. Die Unwirksamkeit ergab sich für das Gericht - unabhängig von anderen Rechtsfragen - jedenfalls aufgrund einer rechtsunwirksamen Konsultation der GV Bord. Grund hierfür war die Tatsache, dass der Arbeitgeber - anders als der GV Bord angekündigt - ungefähr 80 Beschäftigten des Cockpitpersonals mit Sonderkündigungsschutz unabhängig von dem geplanten Punkteschema weder gekündigt noch hierzu eine behördliche Zustimmung eingeholt habe. Damit sei er von dem der GV Bord in den Beratungen mitgeteilten Informationsstand abgewichen.

Fehler im Konsultationsverfahren: Geänderte Kriterien der Auswahl

Das LAG Düsseldorf erkannte darin einen Verstoß gegen § 17 Abs. 2 KSchG. Der Arbeitgeber sei nach dieser Vorschrift verpflichtet gewesen, der GV Bord die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und sie dabei über die Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmenden zu unterrichten. Dies sei vorliegend fehlerhaft erfolgt, weil sich nach Abschluss der Beratungen - dadurch, dass der Arbeitgeber auf die Kündigungen der rund 80 Personen des Cockpitpersonals mit Sonderkündigungsschutz verzichtete - eine wesentliche Änderung zu den zuvor mitgeteilten Kriterien zur Auswahl der zu entlassenden Mitarbeitenden ergeben habe. Hierüber hätte der Arbeitgeber die GV Bord vor Ausspruch der Kündigungen ergänzend unterrichten müssen. Dieser Fehler im Konsultationsverfahren führte zur Unwirksamkeit der Kündigungen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen.

Hinweis: LAG Düsseldorf, Urteil vom 24.03.2022, Az: 13 Sa 998/21; Vorinstanz: ArbG Düsseldorf, Urteil vom 07.09.2021, Az: 5 Ca 1874/21; LAG Düsseldorf, Urteil vom 24.03.2022, Az: 13 Sa 1003/21; Vorinstanz: ArbG Düsseldorf, Urteil vom 01.10.2021, Az: 7 Ca 1882/21

Bei dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf sind derzeit noch weitere zehn weitgehend parallel gelagerte Verfahren anhängig.


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Schlagworte zum Thema:  Kündigung, Urteil, Betriebsrat