Leitsatz (amtlich)

Die tarifvertraglichen Bestimmungen des § 4 Abs. 6 und 7 des Lohntarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer der kunststoffverarbeitenden Industrie im Kreis Lippe verdrängen gemäß § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, soweit es um die Änderung bestehender Akkorde geht.

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Detmold (Entscheidung vom 13.09.2000; Aktenzeichen 1 BV 20/00)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 16.04.2002; Aktenzeichen 1 ABR 34/01)

 

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den am 13.09.2000 verkündeten Beschluss des Arbeitsgerichts Detmold – 1 BV 20/00 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten um das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Veränderung von Vorgabezeiten in der Akkordentlohnung.

Der beteiligte Arbeitgeber ist ein Unternehmen der kunststoffverarbeitenden Industrie. Er beschäftigt etwa 300 Arbeitnehmer. Antragsteller ist der im Betrieb bestehende Betriebsrat.

Es findet der Lohntarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der kunststoffverarbeitenden Industrie im Kreis Lippe (im Folgenden: LTV) Anwendung. Soweit hier von Bedeutung, heißt es im LTV:

㤠4 Akkordregelung

1) Arbeiten, die sich nach den betrieblichen Voraussetzungen zur Ausführung im Akkord eignen, können nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen im Akkord vergeben werden.

2) Die Ermittlung der Akkorde (Vorgabezeiten, Stückakkorde) geschieht durch Zeitaufnahme, auf Grund von Berechnungsunterlagen oder durch Vergleiche mit ähnlichen Arbeiten im Betrieb.

6) Bestehende Akkorde können mit einer Ankündigungsfrist von 14 Tagen abgeändert werden, wenn dies durch Änderungen technischer Art oder der Arbeitsmethoden, Einführung neuer Maschinen oder durch wesentliche Änderung der Stückzahl oder des Materials oder durch offenbare Unrichtigkeit in der Akkordberechnung begründet ist.

7) Ergeben sich nach Anlaufen eines Akkordes Meinungsverschiedenheiten über seine Richtigkeit, so ist der Akkord durch Betriebsleitung und Betriebsrat oder Akkordkommission, der mindestens 1 Mitglied des Betriebsrates angehören muß, gemeinsam zu prüfen und von der Betriebsleitung entsprechend dem Prüfungsergebnis zu berichtigen.

Entstehen hinsichtlich des Überprüfungsergebnisses Meinungsverschiedenheiten, so entscheidet die Einigungsstelle gemäß § 87 Absatz 2 des BetrVG verbindlich.

Wegen Meinungsverschiedenheiten über die Richtigkeit eines angelaufenen Akkordes darf die Leistung der Akkordarbeit nicht unterbrochen werden, der Abrechnung ist aber die endgültige festgelegte Akkord zugrundezulegen.”

Unter dem 01.03.1989 beschloss eine Einigungsstelle durch Spruch eine Regelung über das Verfahren zur Ermittlung von Daten für die Akkordentlohnung. Wegen der Einzelheiten wird auf den Spruch der Einigungsstelle und auf die Begründung des Spruchs Bezug genommen (Bl. 42 – 54 d.A.). Der Betriebsrat focht diesen Spruch an. Am 10.11.1989 einigten sich Arbeitgeber und Betriebsrat über verschiedene streitige Fragen (sog. Lohof-Einigung). Darin verpflichtete sich der Betriebsrat zur Rücknahme seines Anfechtungsantrages. Die Lohof-Einigung verweist unter anderem auf das Reklamationsverfahren nach den Vorschriften des LTV und auf die dort vorgesehene Akkordkommission. In der Folgezeit nahm der Betriebsrat seinen Antrag auf Anfechtung des Einigungsstellenspruchs zurück.

Am Arbeitsplatz 346 in der Lichtkuppelmontage wird seit vielen Jahren im Akkord gearbeitet. Zum 01.01.2000 gab der Arbeitgeber an diesem Arbeitsplatz neue Akkordvorgabezeiten vor. Der Betriebsrat hatte den neuen Vorgabezeiten mit Schreiben vom 16.12.1999 unter Hinweis auf die finanziellen Einbußen der betroffenen Mitarbeiter widersprochen. Mit Schreiben vom 27.03.2000 kündigte der Betriebsrat die durch Spruch der Einigungsstelle zustande gekommene Betriebsvereinbarung vom 01.03.1989 zum 30.06.2000.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, durch die einseitige Vorgabe neuer Akkordzeiten habe der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verletzt. Das Mitbestimmungsrecht werde nicht durch die Regelungen des LTV verdrängt. Das bestehende Mitbestimmungsrecht sei auch nicht durch den Spruch der Einigungsstelle oder durch die sogenannte Lohof-Einigung gewahrt worden.

Der Betriebsrat hat beantragt,

  1. festzustellen, dass der Arbeitgeber Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates verletzt, wenn er Vorgabezeiten unter Berufung auf § 4 Ziffer 6) des Lohntarifvertrages für die kunststoffverarbeitende Industrie im Kreis Lippe einseitig verändert, ohne sich zuvor die fehlende Zustimmung des Betriebsrates durch eine Einigungsstelle ersetzen zu lassen;
  2. festzustellen, dass am Arbeitsplatz 346 ausschließlich die vor dem 01.01.2000 in der Akkordentlohnung angewendeten Vorgabezeiten gültig sind;
  3. dem Arbeitgeber zu untersagen, am Arbeitsplatz 346 die am 01.01.2000 neu eingeführten Vorgabezeiten in der Akkordentlohnung anzuwenden;
  4. den Arbeitgeber zu verpflichten, am Arbeitsplatz 346 die vor dem 01.01.2000 gültigen ...

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