Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristlose Kündigung bei beharrlicher und schwerwiegender Missachtung der Gleitzeitvorgaben

 

Leitsatz (amtlich)

Das beharrliche Überschreiten der zulässigen Zahl von Minusstunden kann ein wichtiger Grund an sich für eine fristlose Kündigung eines ordentlich nicht mehr kündbaren Angestellten sein. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird dann auch im Rahmen der Interessenabwägung nicht mehr verhindert, wenn sich dieser Vertragsverstoß als Glied in einer Reihe weiterer Vertragsverstöße darstellt und Abmahnungen vorliegen, die Verstöße gegen Arbeitszeitbestimmungen rügen.

 

Normenkette

TV-L § 34 Abs. 2; BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 20.01.2016; Aktenzeichen 16 Ca 307/15)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 20.1.2016 -16 Ca 307/15 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Weiterbeschäftigung.

Der am ... 1974 geborene, ledige Kläger war bei der Beklagten seit dem 13.3.1993 als Angestellter beschäftigt, zuletzt zu einem monatlichen Bruttoentgelt von € 3.016,36 bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden. Der Kläger ist ausgebildeter Verwaltungsangestellter und war zuletzt - u.a. nach Einsatz im Hundekontrolldienst - als Sachbearbeiter für Sondernutzungen eingesetzt. Nach dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag für die Länder, § 34 Abs. 2 TV-L, kann das Arbeitsverhältnis durch den Arbeitgeber nur noch aus einem wichtigen Grund gekündigt werden.

Mit Schreiben vom 29.6.2015, dem Kläger zugegangen am selben Tag, sprach die Beklagte eine außerordentliche fristlose, hilfsweise außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist zum 31.12.2015 aus (Anlage K 1, Blatt 5-9 der Akte).

Gegen diese Kündigung hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben, die beim Gericht am 9.7.2015 eingegangen und der Beklagten am 21.7.2015 zugestellt worden ist.

Die Beklagte stützt die Kündigung darauf, dass der Kläger wiederholt gegen seine arbeitsvertragliche Pflicht zur Einhaltung der Arbeitszeit verstoßen habe. Der Kündigungsgrund, der Kläger habe einen unfrankierten Privatbrief in die Dienstpost gegeben, wird in der Berufungsinstanz nicht aufrechterhalten.

Auf das Arbeitsverhältnis findet die Dienstvereinbarung über die Arbeitszeit und Dienstzeit des Bezirksamts Hamburg-1 vom 31.5.2013 Anwendung (Anlage B1, Blatt 34-40 der Akte). Auf Ziff. 2.4 der Dienstvereinbarung wird verwiesen (Anlage B1, Blatt 38-39 der Akte).

Am 30.5.2015 wies das Arbeitszeitkonto des Klägers einen Zeitsaldo von 55,9 Minusstunden auf.

Dem war Folgendes vorausgegangen:

Am 6.11.2007 erhielt der Kläger eine Abmahnung wegen Nutzung dienstlicher Zeit für andere Belange. 2 Stunden wurden von seinem Arbeitszeitkonto gestrichen (Anl. BG1, Bl. 163 d.A.).

Am 17.6.2009 wurde der Kläger abgemahnt, weil er sich für den 4.4.2009 wegen einer Knieverletzung beim Fußball krank gemeldet hatte, eine Stunde später jedoch aktiv über die gesamte Länge an einem Fußballspiel als Torwart teilnahm (Anl. Bl. 176). Der Kläger räumte ein, sich falsch verhalten zu haben.

Ebenfalls am 17.6.2009 wurde dem Kläger aufgegeben, bereits am ersten Tag einer Arbeitsunfähigkeit diese ärztlich bescheinigen zu lassen (Anl. B 9, Bl. 81 d.A.).

Am 29.7.2010 wurde der Kläger ermahnt, weil er sich wegen fehlender Fitness selbst vom Außendienst entband und stattdessen Innendienst machte (Anl. Bl. 165 d.A.).

Am 12.7.2011 wurde der Kläger abgemahnt, weil er eine Stunde zu spät seinen Außendienst am 10.2.2011 aufgenommen hatte. Der Kläger gab an, es seien zuvor noch dienstliche Emails zu lesen gewesen. Weiter wurde dem Kläger vorgeworfen, er habe sich sodann krank gemeldet, dies aber nicht - wie angewiesen - bei seinem Vorgesetzten getan. Der Kläger meinte, dies sei nur bei Krankmeldung von zu Hause aus erforderlich. Am 11.2.2011 habe er in zwei Fällen nicht unverzüglich Tagebuchnummern für Vorfälle vergeben und im Funkprotokoll das Eintreffen eines Dienstfahrzeuges falsch dokumentiert (Anl. Bl. 178 d.A.). Insoweit bestritt der Kläger die Vorwürfe.

Am 3.12.2012 wurde der Kläger erneut abgemahnt. Im Zeitraum vom 31.5.2012 bis 9.10.2012 war der Kläger in 9 Fällen verspätet zum Dienst erschienen und in 4 Fällen hatte er unerlaubt den Dienst vorzeitig beendet. Der Kläger hatte im Rahmen der Anhörung angegeben, Probleme mit seiner Partnerin zu haben und sich Sorgen um die Gesundheit seiner Eltern zu machen (Anl. B 2, Bl. 41 d.A.).

Am 27.12.2012 folgte eine Ermahnung, weil der Kläger seine Dienstkleidung am 3.10.2012 weisungswidrig nicht trug, stattdessen im Trainingsanzug zum Dienst erschien. In seiner Stellungnahme gab der Kläger an, seinen Dienstschlüssel zu Hause vergessen zu haben, deshalb hätte er nicht an seine Dienstkleidung kommen können (Bl. 167 d.A.).

Am 18.2.2013 folgte eine Abmahnung wegen vorzeitigen eigenmächtigen Verl...

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