Bis zum 31.12.2011 wurde ein Kind nach Vollendung des 18. Lebensjahres, das die besonderen Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Ziffer 1 oder Ziffer 2 EStG erfüllte (Arbeit suchend, Berufsausbildung, Übergangszeit, Ableistung eines freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahres etc.), bei der Kindergeldzahlung nur berücksichtigt, wenn es "Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 8.004 EUR im Kalenderjahr hat" (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a. F., näher unten Ziffer 3.3.5.5 Kindergeld nach Vollendung des 18. Lebensjahres – Rechtslage bis 31.12.2011).[1] Entsprechend dem Zweck des Familienleistungsausgleichs sollte Kindergeld nur für Kinder gezahlt werden, die im Allgemeinen und typischerweise auf Unterhaltsleistungen der Eltern angewiesen sind, ihren Lebensunterhalt also nicht selbst bestreiten können.[2] Diese Rechtsprechung wurde jedoch zwischenzeitlich aufgegeben.[3]

 
Wichtig

Mit Wirkung zum 1.1.2012 hat der Gesetzgeber die genannte Einkommensgrenze gestrichen.[4] Das EStG unterscheidet nunmehr zwischen

[1] Die Höchstgrenze für Einkünfte und Bezüge volljähriger Kinder wurde mit dem Gesetz zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen (Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung) v. 16.7.2009, BGBl vom 22.7.2009, Teil I, S. 1959, ab dem Veranlagungszeitraum 2010 auf den genannten Wert angehoben.
[2] BFH, Urteil v. 2.3.2000, VI R 13/99, BFHE 191 S. 69, BStBl II 2000 S. 522, unter 2.a; BFH, Urteil v. 19.4.2007, III R 65/06, BFHE 218 S. 70, BStBl II 2008 S. 756, unter II.1.
[3] BFH, Urteil v. 17.6.2010, III R 34/09, BFHE 230 S. 61, BStBl II 2010 S. 982, Rz 11 ff.
[4] Steuervereinfachungsgesetz 2011 v. 1.11.2011 (BGBl 2011 I S. 2131).

3.3.5.2.1 Kindergeldanspruch bei erstmaliger Berufsausbildung/Erststudium

Seit 1.1.2012 besteht Anspruch auf Kindergeld unabhängig vom Einkommen des Kindes, wenn das Kind eine erstmalige Berufsausbildung/ein Erststudium absolviert. Das Kind wird also bis zum erstmaligen Abschluss einer Berufsausbildung bzw. eines Erststudiums ohne weitere Voraussetzungen bei der Kindergeldgewährung berücksichtigt.

 
Hinweis

Unterhaltsbedürftigkeit des Kindes nicht erforderlich für Kindergeldanspruch

Ein Kind ist kindergeldrechtlich auch dann zu berücksichtigen, wenn es aufgrund eigener Erwerbstätigkeit gegenüber seinen Eltern – mangels Bedürftigkeit – keinen Unterhaltsanspruch hat. Das Vorliegen einer typischen Unterhaltssituation ist für den Kindergeldanspruch auch bei volljährigen Kindern nicht mehr erforderlich.[1]

Entscheidend ist allein die Abgrenzung zwischen einer erstmaligen Berufsausbildung/einem Erststudium und der Zeit nach Abschluss einer Erstausbildung. Hat das Kind eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium abgeschlossen, so besteht Anspruch auf Kindergeld nur noch, wenn das Kind keiner schädlichen Erwerbstätigkeit nachgeht (näher unten Ziffer 3.3.5.2.2 Kindergeld nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung/eines Erststudiums).

Zur Berufsausbildung gehören zweifelsohne alle Ausbildungen, die dem Berufsbildungsgesetz unterliegen oder in Gesetzen geregelt sind, z. B. dem Gesetz über die Berufe in der Krankenpflege bzw. in der Altenpflege. Auch das Studium nach einer Studienordnung stellt eine Berufsausbildung in diesem Sinne dar. Der Begriff der Berufsausbildung im Sinne des Kindergeldrechts ist weit gefasst. In Berufsausbildung befindet sich ein Kind, welches "sein Berufsziel" noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet.[2] Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind[3], und zwar unabhängig davon, ob die Ausbildungsmaßnahmen in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben sind.[4] Ein zeitlicher Mindestumfang der Ausbildungsmaßnahme ist nicht erforderlich.[5]

Sprachaufenthalte im Ausland werden unter besonderen Umständen als Berufsausbildung anerkannt. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Erwerb der Fremdsprachenkenntnisse der Vorbereitung auf einen für die Zulassung zum Studium erforderlichen Sprachtest dient, und der Erwerb der für den angestrebten Beruf erforderlichen erweiterten Fremdsprachenkenntnisse nicht allein dem ausbildungswilligen Kind überlassen bleibt, sondern in dem Auslandsprogramm eine theoretische Wissensvermittlung beispielsweise in Form eines fortlaufenden theoretisch-systematischen Unterrichts in der ausländischen Sprache erfolgt.

 
Praxis-Beispiel

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